Dortmund. ...und andere Geschichten von echten Dortmunder Bierkutschern. Die Ausstellung im Brauerei-Museum erzählt von harten Zeiten und schweren Fässern.

Den Bierkutscher hat man sich in Dortmund anders vorgestellt. So wie das Standbild am Rathaus vielleicht, dick, mit lederner Schürze und dem schweren Fass vor dem Bauch. Doch da stehen diese drei älteren Herren im Brauerei-Museum, wo sie eine neue, ihre eigene Ausstellung eröffnen, und sind eher schmal. Sogar Kalli Dickhut mit seinen 76 sagt, er hat abgenommen – seit er nicht mehr futtern muss bei allen Wirten, die er einst beliefert hat.

Nun ist das auch schon ein bisschen her, es hängt ein Zeitungsartikel in der Schau „Wirte, Brauer, Bierkutscher“, der Dickhut an seinem letzten Arbeitstag zeigt: 1999 war das, „Bierkutscher Fritz und Kalli fahren letzte Tour“. Kalli, den alle immer noch so nennen, hat schon damals die alten Geschichten erzählt: von dem vielen Bier, das sie in jeder Kneipe trinken „mussten“, bis nachmittags auch noch der Brauerei-Pförtner den Zapfhahn aufdrehte. Von den mindestens fünf deftigen Mahlzeiten, die unterwegs auf sie warteten. Vom Apotheker, der den Gerstensaft in Fläschchen umfüllte, um sie als Potenzmittel zu verkaufen. Von diesem einen Gasthaus, in dem es schmutzig zuging, nur ging es dabei nicht ums Bier. „Darf man nicht erzählen“, mahnt Horst Duffe, 83, „aber spannend ist die Story schon.“

„Wer für das Stiftspils sich entschieden, der genießt und ist zufrieden“

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Kalli von Kronen und Stifts, Duffe von der DAB und Theo Sobkowiak (78), Schanktechniker der Bergmann-Brauerei, stammen noch aus den Zeiten dieser Werbesprüche: „Mach’s wie wir, trink Hansa Bier“ oder „Was trinken wir? Dortmunder Thier“. Und sie machen selbst gern welche, deshalb waren sie auch in den Gasträumen so beliebt: „Wer für das Stiftspils sich entschieden, der genießt und ist zufrieden.“ Witze, und zwar die neuesten, haben sie dort aber auch immer erzählt.

Ein Holzfass mit 100 Litern Bier wog 150 Kilo

Kalli Dickhut, 76, macht heute Führungen im Dortmunder Brauerei-Museum.
Kalli Dickhut, 76, macht heute Führungen im Dortmunder Brauerei-Museum. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Nur über die harte Arbeit, um die es in der feinen, kleinen Ausstellung auch geht, reden sie nicht. Da muss man schon fragen, ob es stimmt, was Museumsleiter Heinrich Tappe sagt: dass der Biertransport ein dreckiger Job war in den Zeiten, als die Theke noch Schanktisch hieß. Wie schwer die alten Holzfässer und noch mehr die Kästen waren, die sich kaum stapeln ließen. Mit 25 Flaschen darin, aus Glas, das auch viel schwerer war als das heutige. Und dann die vollbeladenen Wagen auf Kopfsteinpflaster, das ging ins Kreuz, und in den Kurven musste der Beifahrer mit eingreifen. „Das muss ganz schlimm gewesen sein.“ Aber auch vor den Zeiten dieses Trios.

Kalli Dickhut sagt, so ein Holzfass habe 150 Kilo gewogen, voll. Das musste, etwa bei der „Blauen Taverne“, drei Meter tief in den Keller und immerhin leer wieder heraus. Aber manchmal ging etwas kaputt, dann musste es auch mit Bier wieder hoch oder mit dem Wasser vom Saubermachen der Leitungen. Über die Straße ging’s „mit den Füßen“ oder „gesattelt“, ein Fass hoch, eins quer, sie hatten da ihre Technik. „Alles Übungssache. Ein Neuer, der konnte das nicht.“ Die „Alten“ sind noch heute stolz darauf, Bierkutscher gewesen zu sein. „Wir waren das Aushängeschild unserer Brauerei.“

Bier, gekühlt mit Stangeneis aus dem Teich der Brauerei

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Immer montags mussten sie beim Chef zum Rapport. Ob überall alles sauber sei? Ob alle brav gezahlt hatten? Ob auch nirgendwo „Fremdbier“ im Keller lag? „Kalli“ fasst ja heute noch keinen Krug an, der nicht von Stifts ist oder Kronen. (Obwohl, privat bestellt der Rentner auch schon mal Brinkhoffs, wenn er sein Deputat abholen fährt.)

Fassanstich mit Eiszange: Theo Sobkowiak hat ein Exemplar von 1950 restauriert.
Fassanstich mit Eiszange: Theo Sobkowiak hat ein Exemplar von 1950 restauriert. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Meist trinken sie heute aus Flaschen, obwohl sie noch jedes Fass anschlagen können, „mit einem Schlag“! Es geht ja auch um die Schanktechnik seit dem 19. Jahrhundert, als der Wirt zugleich der Brauer war und manchmal auch noch Bäcker, und auf dem Gebiet ist Theo Sobkowiak fit: Der ist Elektriker und dazu immer ein Tüftler gewesen. Er hat ein 70 Jahre altes Fass mitgebracht und zeigt, wie einst der Gerstensaft gekühlt wurde: mit Stangeneis, oft aus dem brauereieigenen Teich. Sobkowiak war später der, der dafür sorgte, dass die Kohlensäure ins Partyfass kam. „Ich hab mir einfach den Feuerlöscher angeguckt. Die kleine Flasche kam für eine Nacht ins Eisfach, dann ist sie von allein übergelaufen.“

Fässer sind im Hof gestapelt – kaum Bestellungen

So viele Geschichten, allein die Brauereien dazu gibt es nicht mehr und auch nicht den Fuhrpark. Das Bier schon, und das von Bergmann sogar wieder. Als 20-Jähriger hat Sobkowiak schon dort gearbeitet, dass er als 70-Jähriger, „zu Lebzeiten!“, erleben durfte, dass das Bergmann wieder gebraut wird, macht ihn „unglaublich stolz“.

Am Ende der Ausstellung steht ein Symbolfoto, Horst Duffe hat es gemacht: Es zeigt Bierfässer stapelweise, die modernen. Sie lagern im Hof des alten Brauerei-Gebäudes, „weil sie sonst nicht gebraucht werden“, sagt Museumsleiter Tappe. Die drei Bierkutscher könnten sie alle noch rollen. Aber wohin? Die Gastronomie in Corona-Zeiten, sie bestellt viel weniger Bier.

>>INFO: NEUE AUSSTELLUNG IM BRAUEREI-MUSEUM

Das Brauerei-Museum in Dortmund hat wieder geöffnet. Täglich von 10 bis 17 Uhr, donnerstags von 10 bis 20 Uhr und samstags von 12 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Ab Mitte Juli finden auch wieder Führungen statt – nach Anmeldung und unter Einhaltung der Hygiene-Bestimmungen. www.brauereimuseum.dortmund.de