Herne. Nach zwei Jahren Pandemie-Pause drehen sich auf Crange wieder die Karussells. Die Menschen hatten sehnsüchtig auf ihre Lieblingskirmes gewartet.
Drei Jahre sind eine Ewigkeit. Wenn eine ganze Stadt wartet, dass endlich wieder Crange ist, also Kirmes, was für zehn Tage im Sommer so ziemlich dasselbe ist. Nur war kein Crange wegen Corona, weshalb der Rummel am Donnerstag um vier quasi explodiert. Wo kommen nur die vielen Leute her? Wehe, wenn sie losgelassen!
Es gibt keinen Startschuss, keinen Kanonendonner, nicht einmal einen Gong. Keine Uhr schlägt, aber das Herz schon seit Stunden schneller, und dann ist endlich Kirmes! Dieses Kreischen aus den Karussells, das Brummen der Bässe, aus hundert Boxen Schlagermusik: „Der Rummel ist mal wieder in der Stadt!“ Geliebte Kirmes-Kakophonie. Der Breakdancer tanzt, das „Monster“ grunzt ein „Herzlich Willkommen“, die Losverkäuferin lockt: „Zack, zack, machen Sie mit!“ Vom „Hangover“ dröhnt ein Walzer, aus „Willy dem Wurm“ eine „Insel mit zwei Bergen“. Und in Ritters Biergarten hält zwar der Elch noch die Klappe, dafür spielen sie das Crange-Lied: „…Wir alle ha’m so lange drauf gewartet.“
Lücken haben die Platzwarte geschickt geschlossen
Tatsächlich müssen Herne und das halbe Ruhrgebiet irgendwo bereitgestanden haben. Wo gerade noch die Schausteller die letzten Schrauben drehten und Fahrräder Platz hatten für einsame Platzrunden, ist es auf einmal voll. Sie kommen aus allen Löchern, mit Kinderwagen, kurzen Hosen und der Kamera im Anschlag. Gibt ja überall was Neues zu gucken! Manches auch nicht mehr, aber da haben die Platzwarte die Lücken geschickt geschlossen.
Martina und Corinna, die haben gerade noch genossen, so wie es immer tun: „Die Ruhe vor dem Trubel“, diesen letzten Moment, bevor es laut wird, „wunderschön“ finden sie dieses besondere Flair, von Klein auf schon – und Martina ist inzwischen 60. Auch ein älterer Mann aus der Nachbarstraße war schon da: „Gucken, was dieses Jahr so los ist.“ In diesem Jahr war die (Vor-)Freude umso größer: nach zwei Jahren Pandemie-Pause. So lange haben sie gewartet, Aysenaz (16) und Eslem (15), „endlich mal wieder was anderes in Herne“. Oder der kleine Luca aus Gladbeck, der Onkel und Oma vom „Manitu“ zur „Wilden Maus“ zieht, obwohl er sich unmöglich erinnern kann, er war beim letzten Mal erst drei.
“20-mal Musikexpress gefahren und nicht gekotzt!“
Und dann die Kirmeskinder: Alexander, der Neunjährige, dessen Eltern Fleisch am Spieß verkaufen, und Max (13) vom „Entchenangeln“, die lieben Crange, „weil du hier so eine lange Runde laufen kannst“. Eine „Horrorzeit“ nennen sie die letzten zwei Jahre. „Schlimm, dieses ständige Zuhause-Rumsitzen“ und nach der Schule konnten sie nicht sofort auf die Kirmes! Wie soll man da die Schausteller-Rekorde brechen: „20-mal Musikexpress gefahren und nicht gekotzt!“
Zwar gehört es auch zur Wahrheit, dass in diesem Jahr schon wieder Sterkrade war und auch Düsseldorf – an Buden wie dem Alten Brathaus steht es noch dran: „Größte Kirmes an Rhein“, dabei sind wir nun am Kanal. Und alle hier nicht mehr zu halten. Sie stürzen sich in die Wildwasserbahn, angeln Stofftiere, die man auf Links ziehen kann, essen grünen „Wackelpeter mit Bumms“ und lassen von atemberaubenden Türmen die Beine baumeln. Es riecht nach gebrannten Mandeln, Backfisch und sowieso viel heißem Fett. Das gehört ja auch zu Crange: Immer ist es sehr warm Anfang August. Bier oder Eis? Biereis! Oder „Eis wie Sahne“, wie bei Claudia, für die endlich wieder „Lieblingskirmes“ ist: Sie wird sich von der Bude einen Tag Urlaub nehmen, damit sie selbst bummeln gehen kann.
Autoscooter für 3,50 Euro, Zuckerwatte ab 2 Euro
Vieles ist teurer geworden, das war angekündigt, aber noch auszuhalten im Vergleich: Der Autoscooter hat in Düsseldorf vier Euro genommen, in Wanne-Eickel 3,50. Reibekuchen und Bratwurst gibt es für vier, Bier zwischen 3,50 und 4,70, Weizen für mindestens 5,30 Euro. „Fliegende Hirsche“ sind für 5 Euro zu haben, der Gummibärchenschnaps, ganz wichtig auf dieser Kirmes, kostet 3 statt zuletzt 2,50 Euro. Zuckerwatte kommt auf die Menge an: zwischen 2 Euro und 20 für den Eimer…
„Viel zu lang war die Zeit ohne dich“, spielt eine Band. Und die wievielte Cranger Kirmes ist das nun eigentlich? Die Jahreszahlen jenseits der 500 standen ja immer dran, auch wenn man vor Jahren 50 einfach strich, was mit einer falschen Zählung durch die Nazis zu tun hatte. Nun hat man sich entschieden, die Seuchen-Jahre 2020 und 2021 einfach mitzuzählen, aber nicht zu nummerieren. Wir sind also im Jahr 538, so steht es am Cranger Tor, und als Herner: hat man sowieso das Gefühl, man sei schon immer dabei gewesen. Soundcheck für die Kirmesband: „Und wir sind alle wieder da!“
INFO: DIE CRANGER KIRMES
Die Cranger Kirmes läuft bis Sonntag, 14. August. Feierliche Eröffnung ist am Freitag, 5. August, um 14 Uhr, mit dem traditionellen Ruf „Piel op no Crange“ – und Stargast Howard Carpendale.
Die Öffnungszeiten: Freitag und Samstag, 5. und 6. August bzw. 12. und 13. August: 13 bis 2 Uhr, sonntags, 7. und 14. August: 11 bis 24 Uhr, Montag bis Donnerstag, 8. bis 11. August: 13 bis 24 Uhr. Am Mittwoch ist Familientag zu günstigeren Preisen. Eintritt kostet die Kirmes auch weiterhin nicht. Der Festumzug startet am Samstag, 10.30 Uhr am St. Jörgen-Platz.
Von einer Anreise mit dem Auto raten die Veranstalter ab, viele Straßen rund um das Gelände sind gesperrt. Vom Park-and-Ride-Platz in Baukau verkehren Pendelbusse, für sieben Euro inkl. Parkgebühr fahren bis zu fünf Personen mit. Von den Bahnhöfen Herne und Wanne-Eickel aus fahren zwölf Buslinien zum Kirmesplatz, unter ihnen auch die „Kirmeslinie“ 322. In der Nähe des Cranger Tors an der Dorstener Straße gibt es einen Fahrradparkplatz (1 Euro), weitere Plätze stehen bereit.
Am Mittwoch, 10. August, schlägt in Crange das Herz des Schlagers. Mit dabei: Mia Julia, Olaf Henning, Vincent Gross, Norman Langen, Achim Petry, Frenzy, Ina Colada und Neon. Moderation: Frank Neuenfels.
50 Fahr-, Show- und Laufgeschäfte erwarten die Besucherinnen und Besucher, 15 sind speziell für Kinder geeignet. Ob das traditionelle Feuerwerk am Freitag, 5. August, und am Sonntag, 14. August, stattfinden kann, hängt vom Wetter ab: Möglicherweise verhindert die Trockenheit das Pyro-Spektakel.