Duisburg/Essen. Forscher der Uni Duisburg-Essen entwickeln Online-Trainings für nachhaltigen Modekauf. Denn es wird zu viel gekauft, was zu wenig getragen wird.

60 Kleidungsstücke kauft jeder Bundesbürger jährlich neu. Jedes fünfte davon trägt er höchstens zweimal, fand Greenpeace heraus. Kaum ein europäisches Land produziert so viel Textilmüll wie Deutschland, zeigte die internationale „Labfresh“-Studie. 1,3 Millionen Tonnen seien es pro Jahr, hieß es in der Wissenssendung „Quarks“.

Fabrikarbeiterinnen in Billiglohn-Ländern und unsere Natur zahlen den Preis für „Fast Fashion“, die „schnelle Mode“; dafür, dass viele nur noch chic finden, was neu ist.

„Wer an Nachhaltigkeit denkt, denkt an weniger Fliegen, weniger Autofahren, weniger Fleischverzehr“, sagt Prof. Oliver Büttner, Wirtschaftspsychologe und Konsumforscher an der Universität Duisburg/Essen. „Der Modebereich wird vernachlässigt, obwohl er für einen erheblichen Teil der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist.“ Laut Greenpeace sind es mehr als Seeschiff- und weltweite Luftfahrt zusammen produzieren.

Gerade bei Mode fällt es oft schwer zu widerstehen

Büttner und sein UDE-Kollege Dr. Benjamin Serfas starteten im Januar deshalb eine „Studie zu bewusstem Kleiderkauf“. Gefördert wird das auf 20 Monate angelegte Projekt vom Bundesverbraucherschutzministerium. Am Ende soll eine Art „Online-Training“ für Interessierte stehen.

Prof. Oliver Büttner: Wirtschaftspsychologe und Konsumforscher der Universität Duisburg/Essen.
Prof. Oliver Büttner: Wirtschaftspsychologe und Konsumforscher der Universität Duisburg/Essen. © UDE | UDE

„Hersteller wie H&M oder Zara produzieren sehr schnell drehende Kollektionen zu sehr günstigen Preisen, kaum recycelbare Ware, die nur wenig getragen wird“, erklärt Büttner. „Doch es fällt gerade bei Mode oft schwer zu widerstehen. Das sind typische Impulskäufe, spontan, aus dem Bauch heraus, wenig überlegte Entscheidungen.“ Wobei viele Konsumenten eigentlich beabsichtigten, nachhaltig einzukaufen, den guten Vorsatz aber häufig nicht umsetzten. „Intention-Behavior-Gap“ nennen Wissenschaftler dieses Phänomen.

Impulskontrolle und Aufmerksamkeit

Büttner und Serfas wollen Techniken entwickeln und testen, mit denen bewussteres „Shoppen“ leichter wird. Dazu setzen sie an zwei Punkten an: Impulskontrolle und Aufmerksamkeit. „In verführerischen Situationen, in toll aufgemachten Läden nicht zu reagieren, das erste Verlangen zu ignorieren“, sei ein Ansatz, erläutert Büttner. „Lernen sich zu fokussieren, sich nicht abzulenken zu lassen, von Produkten, die man eigentlich gar nicht wollte“, der andere. Also: Nicht losziehen, um einen Wintermantel zu kaufen und mit einem Extra-Bikini und vielem mehr heimzukehren. In früheren Studien habe er bereits nachgewiesen, dass eine „breitere visuelle Aufmerksamkeit“ zu einer stärkeren Anfälligkeit für ungeplante Spontankäufe führe, so Büttner.

„Genießen Sie den ersten Einkaufsbummel nach dem Lockdown“

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Ist nicht tatsächlich für die meisten Kunden der Preis das entscheidende Kaufargument? Ist nachhaltige Mode manchem schlicht zu teuer? „Wir sagen bewusst nicht: Kauft nur noch öko“, betont Büttner. „Wir wollen Kaufvolumen und Kauffrequenz reduzieren. Wer billig kauft, spart vielleicht. Aber wer viel billig kauft, mehr als er braucht, gibt zu viel Geld aus.“ Die ersten Probanden werden aber genau darum Studenten sein, eine Gruppe, die aus Geldmangel häufig Fast Fashion kaufe. Anschließend soll bei einem breiteren Querschnitt von Konsumenten getestet werden, wie gut (und wie lange) die neu entwickelten Techniken wirken. „Ein paar Tools werden wir sicher jedem mitgeben können“, versichert Büttner.

Der Konsumforscher ist im Übrigen keiner, der das Shoppen als solches verteufeln will. Er tut es selbst gern („vor allem Lebensmittel“), lasse sich inspirieren auch von Angeboten und Schaufenstern, räumt er ein. Auf die Frage nach der richtigen Technik, den ersten Einkaufsbummel nach dem Lockdown zu bewältigen, sagt Büttner spontan: „Genießen sie ihn. Gönnen Sie den Händlern was.“ Aber er rät in der zu erwartenden Rabattschlacht nach der Wiedereröffnung der Mode-Geschäfte, den er lachend „Härtetest“ nennt, zu einem einfachen Trick: Planen. „Schreiben Sie sich wie für den Supermarkt zumindest gedanklich eine Einkaufsliste, überlegen Sie nicht erst vor Ort, was Sie möchten.“

Fragen Sie sich: Ist das Teil den Preis wert, brauche ich es überhaupt?

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Und wenn das drastisch reduzierte, wunderbare Teil das letzte im Regal ist, und die Verkäuferin schwärmt, wie gut es uns steht? „Lassen Sie es zurücklegen, gehen Sie aus dem Laden und denken Sie mit kühlem Kopf nach: Ist es den Preis wirklich wert? Wo und wann werde ich es tragen können?“ Nach Abwägung dieser Frage, sagt Büttner, „spricht ja nichts dagegen, in den Laden zurückzukehren.“

>>> INFO Die globalen Folgen

Der CO2-Ausstoß der Textilproduktion wird auf bis zu 1715 Millionen Tonnen jährlich geschätzt.

Aus Kostengründen wird für die „Wegwerfkleidung“ zudem oft Kunstfaser verwendet. Mikroplastik-Reste landen bei der Herstellung und bei jedem Waschen in Flüssen und Meeren. Auch umweltschädliche Chemikalien kommen zum Einsatz.

Der Wasserbrauch der Branche ist ebenfalls immens: 7000 Liter werden für die Produktion einer einzigen Jeans benötigt.