Ruhrgebiet. Nicht erst seit Corona versuchen Städte und Gemeinden, ihre Innenstädte neu zu beleben. Was sich aus Sicht der Jugend im Ruhrgebiet ändern muss.
Verwaiste Schaufenster, verlassene Einkaufsstraßen – Nicht erst seit der Corona-Pandemie kämpfen die Innenstädte im Ruhrgebiet ums Überleben. Vor allem junge Menschen gehen immer seltener in die Stadtzentren, kaufen Kleider und Geschenke oft im Internet. Corona hat diese Entwicklung nur beschleunigt, sagen Experten. Doch was muss sich ändern, damit sich die Innenstädte wieder mit Leben füllen?
Junge Menschen scheinen sich jedenfalls in einem Punkt einig: „Ich hätte es gerne grüner“, sagt Stefanie Dörr. Die 24-Jährige ist erst im Januar nach Dortmund gezogen, arbeitet im Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften an ihrer Doktorarbeit. „Es ist das erste Mal, dass ich hier durch die Einkaufsstraße schlendern kann“, erzählt sie. Die vielen Geschäfte gefielen ihr auf den ersten Blick ganz gut. „Ich komme aus Koblenz, habe zuvor in Konstanz Biologie studiert.“ Im Vergleich zu Dortmund: „Deutlich kleinere Städte“. Ein bisschen Grün könne die Innenstadt aber vertragen: „Mehr Stadtparks und kleine grüne Oasen wären schön“, sagt Stefanie Dörr. „Einfach Möglichkeiten, um sich zu entspannen.“
„Grün ist immer gut“, sagt auch Christina Hamacher. In ihrer Heimatstadt Köln werde das aber schon gut umgesetzt. „Generell würde ich mir wünschen, dass beim Städtebau mehr in die Zukunft geblickt wird“, so die 31-Jährige. Damit meint sie: Weniger Einkaufszentren, die schon bald aus Leerständen und Ein-Euro-Shops bestünden. „Mehr kleine, inhabergeführte Geschäfte wären schön.“
Mehr Radwege, weniger Autos: Das wünscht sich die Jugend für die Innenstädte
Neben Wiesen und kleineren Läden wünschen sich junge Menschen auch mehr und besser ausgebaute Radwege: „Es wäre gut, wenn es mehr Verbindungen innerhalb der Innenstadt gäbe“, sagt Paul Lux, während er sein schwarzes Fahrrad durch die Dortmunder City schiebt. Der 22-Jährige studiert Raumplanung an der Technischen Universität. Das Fahrrad sei sein „Hauptfortbewegungsmittel“. Um schnell von A nach B zu kommen, fehle es in Dortmund aber an Strecken, die „den Norden mit dem Süden und den Westen mit dem Osten verbinden“.
Nicht nur mehr, sondern vor allem sichere Fahrradwege wünscht sich Paul Seeliger aus Bochum. Er macht eine Ausbildung zum Krankenpfleger, fährt jeden Morgen mit dem Fahrrad nach Essen. Viele Wege und Radfahrstreifen seien zu schmal, das Ausweichen auf die Fahrbahn – zwischen Straßenbahnen, Bussen und Autos – oft gefährlich: „Wenn man nicht aufpasst, hängt man mit dem Reifen ganz schnell in den Gleisen“, sagt der 22-Jährige. Ansonsten sei Bochum mit dem Bermudadreieck und der neu entstehenden Markthalle aber „relativ gut aufgestellt“.
„Es wäre schön, wenn die Autos aus der Innenstadt kämen“
Verstopfte Straßen, schlechte Luft, genervte Anwohner: „Es wäre schön, wenn die Autos aus der Innenstadt kämen“, sagt Katrin Wreschinski. Die Straßen im Zentrum der Stadt, findet die 28-Jährige, „sollten nur für Busse und den Lieferverkehr freigegeben werden“. Sie selbst sei oft mit dem E-Bike unterwegs. Das aber sei in Bochum nicht ungefährlich: Immer wieder komme es auf überfüllten Radwegen zu Unfällen. „Wir brauchen breitere Wege“, sagt die Jura- und BWL-Studentin. Fahrradfahren liege im Trend – und daran werde sich auch nach Corona nichts ändern.
Zwar wünscht sich auch Katrin Wreschinski mehr Grün in ihrer Stadt, allerdings nicht in Form von Stadtparks: „Gemeinschaftsgärten wären schön“, so die Bochumerin. Die meisten Menschen, die wie sie in der Innenstadt wohnten, hätten keinen Garten – würden hin und wieder aber gerne ein Gemüsebeet pflanzen. Kleingartenanlagen seien nicht für jeden eine Option: „Ganz abgesehen von den immensen Wartelisten, habe ich keine Lust, einem Verein beizutreten.“
Jungen Menschen vermissen das Studentenleben im Ruhrgebiet
Wie viele junge Menschen kauft auch Daniel Seeger den Großteil seiner Klamotten online. „Ich bin eigentlich selten in der Innenstadt“, gibt der Essener zu – „obwohl ich hier vorne wohne.“ Der 29-Jährige hat Soziologie studiert, arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität in Osnabrück. Zum Einkaufen sei es ihm in der Stadt meist „zu trubelig“. Hin und wieder gehe er aber mit Freunden in Essen ein Bier trinken. „Es wäre schön, wenn es mehr von den kleinen Kneipen gäbe“, sagt Daniel Seeger. So reihten sich mittlerweile in jeder Stadt die gleichen Restaurants und Bars aneinander. „Wenn man in dem einen Laden sitzt, sitzt man gleichzeitig auch in dem anderen.“
Auch Nijiati Yasheng wünscht sich eine vielfältigere Innenstadt – vor allem sprachlich gesehen. Der Chemie-Student ist in China aufgewachsen, wohnt erst seit drei Jahren in Essen. „Viele Informationen und Veranstaltungen gibt es nur auf Deutsch“, gibt er zu bedenken. Das sei in größeren Städten wie Berlin, Hamburg und München anders. Und auch das Studentenleben hat sich Nijiati Yasheng im Ruhrgebiet anders vorgestellt: „Ich hätte gedacht, dass hier viel mehr junge Leute sind.“ Trotz zahlreicher Universitäten und Hochschulen komme das Revier an Studentenstädte wie Heidelberg nicht heran.
Seine Freundin Alisa Kozyrkina würde sich über mehr Veranstaltungen für junge Menschen freuen, über Musikfestivals, Partys und Möglichkeiten zum Tanzen. „Hier gibt es vor allem Theater und Opern“, sagt die Studentin. Vor zwei Jahren kam sie aus Russland nach Deutschland, studiert ebenfalls Chemie an der Uni Duisburg-Essen. Und auch ein bisschen grüner soll es sein: „Mehr Wälder zum Spazierengehen wären schön“, sagt Alisa Kozyrkina. Stadtparks und Wiesen, um am Nachmittag mit Freunden zusammenzusitzen, davon gäbe es dagegen genug.