Essen. Sturmtief „Bennett“ zieht am Rosenmontag über NRW. In vier Städten wurden Umzüge abgesagt. Doch die Jecken lassen sich die Laune nicht verderben.

Die Narren haben an Rosenmontag Sturmtief "Bennet" die Stirn geboten. Der größte deutsche Karnevalszug in Köln startete pünktlich um 10.00 Uhr - unter vorübergehend blauem Himmel. Die Düsseldorfer hatten den Start ihres Zugs zeitlich etwas nach hinten geschoben, um den schlimmsten Sturmböen zu entgehen. Aus Sicherheitsgründen laufen die Pferde in diesem Jahr auch nicht mit.

Sowohl für den Düsseldorfer als auch den Kölner Rosenmontagszug waren Einschränkungen beschlossen worden. So durften in Köln Pferde, Kutschen und große Fahnen nicht dabei sein. "Das ist schon ärgerlich, wir hatten uns ja lange auf den Rosenmontagszug vorbereitet", sagt Jörg Herrmann vom Reitercorps der Kölner Karnevalsgesellschaft Große Greesberger. Nun sitzt der 79-Jährige auf einem Karussellpferdchen mit Rollen. "Ich erlebe es jetzt zum dritten Mal in 35 Jahren, dass die Pferde nicht mitdürfen. Aber die Sicherheit geht eben vor."

Düsseldorf hat bei bissigen Mottowagen die Nase vorn

Bei den Mottowagen hat Düsseldorf in Sachen Bissigkeit wie gewohnt die Nase vorn. So hält NS-Propagandaminister Joseph Goebbels den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke als Baby in einer Windel in die Höhe. Böse grinsend zerren Autoindustrie und Bundesregierung einen Autofahrer mit einem Galgen aus seinem Diesel-Auto. Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg zieht der "Eltern-Generation" die Ohren lang. Auch US-Präsident Donald Trump kriegt von Wagenbauer Jacques Tilly sein Fett weg: Als nackter «Schmutzengel» schützt Trump den saudischen Prinzen Mohammed bin Salman.

In Köln spielt Trump Golf - und schlägt das Pariser Klimaabkommen und den Iran-Deal als Bälle durch die Luft. Auf dem sinkenden Schiff der SPD stehen Fraktionschefin Andrea Nahles und Finanzminister Olaf Scholz in Titanic-Manier. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schreddert sich unterdessen wie ein Bild des Künstlers Banksy. Ein Clownfisch japst mit heraushängender Zunge und verdrehten Augen in einem Meer aus Plastikmüll.

Astro-Alex fuhr beim Kölner Rosenmontagszug mit

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Zwischenzeitlich müssen die Jecken in Köln teils heftige Regenschauer über sich ergehen lassen. Doch das ungemütliche Wetter hält Hunderttausende Zuschauer entlang des Zugwegs nicht vom Feiern ab. Ausgerüstet mit Regenponchos schunkeln sie unverdrossen - und gehen auf "Kamelle"-Jagd. Immerhin wollten allein die Kölner Karnevalisten nach Angaben des Festkomitees rund 300 Tonnen Süßigkeiten schmeißen, darunter 700.000 Tafeln Schokolade und 220 000 Pralinenschachteln.

Journalistin Anne Will ist im Werfen geübt, fährt sie doch schon zum zweiten Mal auf einem Wagen im Kölner Rosenmontagszug mit. "Pralinenschachteln - da macht mir kaum jemand was vor", sagt die 52-Jährige. Astronaut Alexander Gerst dagegen ist Neuling auf dem Gebiet und war sich bei der Frage nach der besten Wurftechnik zunächst noch unsicher: "Ich glaube, ich muss alle mal durchprobieren. Wir haben ja ein paar Profis oben auf dem Wagen. Ich bin sicher, ich bin ein guter Schüler."

Die Düsseldorfer gingen von ungefähr 600.000 Besuchern beim Rosenmontagszug aus. In Köln hieß es, der Zulauf sei höher als im vergangenen Jahr, eine seriöse Schätzung sei aber unmöglich. Die Stimmung war ausgelassen, zwischen Sturmböen und Regenschauern kam sogar ab und zu die Sonne durch. Ob es stürme oder regne, sei letztlich aber auch egal, sagte Moderator Kai Pflaume, der erstmals im Kölner Zug mitfuhr: "Köln feiert bei jedem Wetter."

Am Montagvormittag wurden in Nordrhein-Westfalen schwere Sturmböen gemessen. Die mit 99 Stundenkilometern stärkste Böe registrierte der Deutsche Wetterdienst am Montag in Haaren (Kreis Paderborn). Dies entspricht Windstärke 10 ("schwerer Sturm"). Sehr starken Wind gab es aber auch in Düsseldorf und Köln.

Aachener Rosenmontagszug: Mann fällt aus Fenster auf Zuschauerin

Beim Rosenmontagszug in Aachen ist ein junger Mann aus einem Fenster etwa sieben Meter tief auf eine Zuschauerin gefallen. Beide kamen schwer verletzt in ein Krankenhaus. Nach Angaben der Polizei wollte der 24-Jährige aus dem Fenster auf eine darunter gelegene Brüstung springen, um einen besseren Blick auf den Zug zu haben. Dabei verschätzte er sich jedoch und fiel stattdessen bis nach unten - genau auf die 34-Jährige. Die Polizei geht von einem Unfall aus.

In Bottrop wurde der Zug bereits am Sonntag abgesagt

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In Düsseldorf kann der Rosenmontagszug nur bis Windstärke 7 stattfinden. Bei Windstärke 8 - offiziell «stürmischer Wind» - brechen nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) Zweige ab, und das Gehen im Freien ist erheblich erschwert. Die Wetterexperten rechneten erst für den Nachmittag mit einer spürbaren Beruhigung der Lage.

In Bottrop hat man deswegen schon Konsequenzen gezogen: Der Rosenmontagszug wurde am Sonntagnachmitag abgesagt. «Das ist natürlich für die vielen Engagierten schwer zu verdauen», sagte Oberbürgermeister Bernd Tischler. Die Gefahr durch den Sturm sei aber zu groß. In Hattingen mussten die Verantwortlichen den Karnevalisten am Montagmittag das Aus für den Zug mitteilen.

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In Essen sieht die Sache anders aus: Die Züge finden statt. Auch die Züge in Bochum-Linden, Dortmund und Duisburg finden trotz Sturmwarnung statt. Allerdings auch hier erst später. Der Neumühler Viertelszug in Duisburg wurde hingegen abgesagt.

Auch Viertelszüge in Duisburg und Oberhausen fallen aus

In Kleve startete der Umzug zwei Stunden später. Auch in Rees, Haffen und Isselburg wurde der Beginn des Umzug um zwei Stunden verschoben. In Keppeln sowie Recklinghausen hatte man sich ebenfalls dazu entschlossen, dass der Zug erst später anfängt. In Herne, Neukirchen-Vluyn, Velbert, Mülheim und Wesel ist ebenfalls eine Entscheidung gefallen: Die Züge finden wie geplant statt.

Den Karnevalisten in Oberhausen machte das Sturmtief allerdings einen Strich durch die Rechnung. Die Stadt hat den Pöstertreck abgesagt.

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Trotz allem ließen sich die Jecken die Stimmung nicht vermiesen. «Köln feiert bei jedem Wetter», sagte Fernsehmoderator Kai Pflaume, der erstmals im Kölner Rosenmontagszug mitfuhr - ebenso wie Astronaut Alexander Gerst. Der 42-Jährige sah Gemeinsamkeiten zwischen der Raumfahrt und dem Karneval: Beides sei «ein Stück Kultur der Menschheit».