Düsseldorf. Eine Mitgefühlsbekundung gibt der Ex-Oberbürgermeister von Duisburg im Loveparade-Prozess ab. Eine Entschuldigung hält er für „nicht adäquat“.

Es ist die elfte Stunde seiner Befragung und das achte Jahr nach der Loveparade, da sagt der Zeuge Adolf Sauerland, Ex-Oberbürgermeister der Unglücksstadt Duisburg, vor Gericht diesen Satz: „Was passiert ist, wollte keiner von uns. Es tut mir unheimlich leid für die, die ihre Kinder verloren haben, und für die, die heute noch darunter leiden.“ Die er meint, blicken nicht einmal mehr auf. Sie glauben ihm nicht.

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Und eine Entschuldigung war das auch nicht: „Er hat die Gelegenheit dafür nicht genutzt”, sagt Rechtsanwalt Julius Reiter, der mehrere Nebenkläger vertritt. „Schlimm, dass er sich heute noch so hinstellt, er hätte jetzt auspacken können.“ Gabi Müller mag nicht länger hinhören. „Sprachlos“ reagiert die Mutter von Christian, der 2010 im Gedränge des Festivals starb, auf den Zeugen. „Das hat keinen Wert, wäre aber auch acht Jahre zu spät.“ Die Eltern von Clara aus Spanien glauben dem Zeugen von Mitleid kein Wort, „die Nase dieses Herrn ist so lang wie die von Pinocchio“. Sauerland, sagt Vater Paco Zapater, habe „ganz offensichtlich gelogen, es kann nicht sein, dass er nichts weiß“.

Die Fehler lagen aus Sicht von Sauerland nicht bei der Stadt

Das aber hat der frühere Verwaltungschef im Prozess zwei Tage lang behauptet. Auch am Donnerstag bleibt dies seine Standardaussage: „Das weiß ich nicht.“ Eines aber weiß Adolf Sauerland: „Fehler gab es, sonst hätte es die Katastrophe nicht gegeben. Aber die lagen nicht bei der Stadtverwaltung.“ Man habe in Duisburg „alles versucht, dass keiner zu Schaden an Leib und Leben kommt“. Und: „Ich bin felsenfest überzeugt, dass nach Recht und Gesetz entschieden wurde.“

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Das allerdings hat er nach eigener Aussage einzig aus nachträglichen Gutachten: An der Genehmigung will er ja nicht beteiligt gewesen sein. „Nicht aus Feigheit“, er habe schlicht keine fachliche Kompetenz gehabt, um etwas zu genehmigen und „nicht in die Fachlichkeit hineinregiert“. Das Wort benutzt er oft: „Fachlichkeit“ meint seine Dezernenten, denen er alles überließ, auch deren Unstimmigkeiten.

Denn die, das wird aus den Akten deutlich, gab es durchaus. Es gab Bedenken, die Loveparade sei nicht genehmigungsfähig, empörte Briefe des Lopavent-Anwalts, der die Veranstaltung in Gefahr sah, Notizen aus dem Ordnungsamt, das strafrechtliche Konsequenzen für Verwaltungsmitarbeiter fürchtete. Sauerland aber „hörte erst im Nachgang“ davon oder fragte nicht nach. Auch, weil ihn sein Rechtsdezernent ausdrücklich darum gebeten habe: In einer „Verschwiegenheitserklärung“ soll die Stadt dem Veranstalter zugesagt haben, über die in Wahrheit niedrigen Besucherzahlen früherer Loveparades zu schweigen.

Ex-Oberbürgermeister könne keinen mehr bekehren

Auch hier glauben die Nebenkläger ihm nicht, den obersten Stadtchef soll das nicht interessiert haben? Mit einer gewissen Schärfe fragen sie immer wieder nach. Und Sauerland, ohnehin forscher, lauter, ungeduldiger als am ersten Tag seiner Aussage, wird rot im Gesicht: „Ich werde Sie und alle anderen sowieso nicht bekehren können, die seit Jahren erklären, der ist verantwortlich dafür.“

„Lediglich der Mehrheitsmeinung angeschlossen“

Eine mögliche politische Verantwortung beschränkt Adolf Sauerland einzig auf die Entscheidung des Stadtrats, die Loveparade nach Duisburg zu holen. Da habe er bereits 2007 zugestimmt. Er habe sich aber lediglich der Mehrheitsmeinung seiner CDU-Fraktion angeschlossen. Grundsätzlich habe er „nicht für opportun gehalten, dass das Ruhrgebiet sich ständig um Großveranstaltungen bewirbt, die die Städte eigentlich nicht wollen“.

Rechtsanwalt Rainer Dietz fragt trotz des Wutausbruchs nach: „Ich muss meinen Mandanten erklären, warum Sie nicht auf der Anklagebank sitzen.“ Ob er den Eltern des toten Eike Mogendorf etwas ausrichten könne? „Ich hoffe“, bringt der Zeuge hörbar mühsam heraus, „dass Sie die Stärke haben, das persönlich zu verkraften und viele finden, die Sie bei Ihrem Weg unterstützen.“ Er, Sauerland, aber wird nicht dazugehören: „Ich kann das nicht mehr. Ich kann nicht mehr um Geld werben.“

Aber auch entschuldigen kann er sich nicht: „Eine Entschuldigung“, sagt er auf die ausdrückliche Frage danach, „wäre für dieses Ereignis nicht adäquat.“ Er stelle sich vor, unter den 21 Toten wäre sein Kind. „Dann will ich keine Entschuldigung, dann will ich denjenigen finden, der dafür verantwortlich ist.“ Er selbst aber sei das nicht. Ob er sich als Mensch verantwortlich fühle, will ein Nebenkläger-Vertreter wissen. „Diese Frage beantworte ich nicht.“