Duisburg. Doch auch am zweiten Tag seiner Vernehmung als Zeuge im Loveparade-Prozess kann sich Duisburgs Ex-OB nicht zu einer Entschuldigung durchringen.

Am zweiten Tag seiner Vernehmung als Zeuge im Loveparade-Prozess zeigte Duisburgs früherer Oberbürgermeister Adolf Sauerland erstmals Emotionen. Zu einer ehrlichen und von Herzen kommenden Entschuldigung in Richtung der als Nebenkläger anwesenden Hinterbliebenen der 21 Todesopfer konnte er sich zwar erneut nicht durchringen, doch zumindest versuchte er, Trost zu spenden. Anderthalb lange Tage hatte es bis zu diesem Moment gedauert.

Gedankliche Wagenburg

„Es tut mir unheimlich leid für alle, die bei der Katastrophe ihr Kind verloren haben. Und es tut mir unheimlich leid für alle, die dort verletzt wurden“, sagte Sauerland. Die Schuld an der Tragödie aber, so wiederholte er es gebetsmühlenartig, trage nicht die Verwaltung der Stadt Duisburg. Diese habe im Genehmigungsverfahren „keinerlei Fehler gemacht“, so Sauerland. Diese Position ist für ihn offensichtlich unantastbar. So, als ob er sich in einer gedanklichen Wagenburg verrammelt hätte, verteidigte der frühere OB seine Sicht.

Die eigene Opferrolle

Auf dem Weg zu seinem Platz im Gerichtssaal in der Messe Düsselodrf: Duisburgs Ex-Oberbürgermeister Adolf Sauerland.
Auf dem Weg zu seinem Platz im Gerichtssaal in der Messe Düsselodrf: Duisburgs Ex-Oberbürgermeister Adolf Sauerland. © Federico Gambarini

Richtig ins Stottern und Stammeln gerät Sauerland, als er vom Rechtsanwalt der Familie Mogendorf, die am 24. Juli 2010 Sohn Eike verloren hatte, gefragt wird, ob der Ex-OB eine persönliche Botschaft für seine Mandanten hätte: Er hoffe, dass sie die Stärke hätten, um den Verlust zu verkraften. Und dass sie Verbündete fänden, die sie auf einem Weg zurück in die Normalität führen und begleiten. Doch anders als bei den Antworten zu faktischen Fragen, die er sich gedanklich zurechtgelegt hatte und die er meist klar strukturiert vortrug, fühlte sich Sauerland hier sicht- und hörbar unwohl. Letztlich erschien es auch nur wie ein Lippenbekenntnis. Denn wie er wirklich denkt, nämlich, dass er sich selbst als zu Unrecht von der Öffentlichkeit gebrandmarktes Opfer betrachtet, bewies der Ex-OB, als er sagte: „Ich habe diese ganze Tortur über mich ergehen lassen, weil ich bis heute fest daran glaube, dass die Fehler nicht bei der Stadt Duisburg liegen.“

Kein Druck von außen

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Sauerland hatte am ersten Tag seiner Vernehmung betont, dass er grundsätzlich dafür war, dass die Loveparade in Duisburg stattfindet. Oberstaatsanwalt Uwe Mühlhoff konfrontierte ihn mit einem Interview, in dem Sauerland gesagt hatte, dass das Ruhrgebiet keine Veranstaltungen brauche, die andere Städte (in diesem Fall Berlin) nicht mehr haben wollten. Sauerland erklärte, dass er persönlich kein großes Interesse an dieser Veranstaltung gehabt hätte, man sich aber in der damals amtierenden schwarz-grünen Koalition beraten und nach Abwägen aller Argumente für die Loveparade entschieden hätte.

Die Fraktionen stimmten in der entscheidenden Ratssitzung geschlossen dafür. Weder in diesem Moment, noch später bei der Erteilung der Genehmigungen durch die Verwaltung hätte es aber den Versuch der politischen Einflussnahme von außen gegeben, betonte Sauerland. „Es gab keinen Druck auf die Verwaltung! Von keiner Partei und von keiner Person! Wir haben alles nach Recht und Gesetz abgearbeitet. Erst dann gab es die Genehmigungen.“

Warnhinweise im Vorfeld

Viele TV-Teams nahmen auch am Donnerstagmorgen Adolf Sauerland auf seinem Weg ins Gerichtsgebäude in den Fokus.
Viele TV-Teams nahmen auch am Donnerstagmorgen Adolf Sauerland auf seinem Weg ins Gerichtsgebäude in den Fokus. © Federico Gambarini/dpa

Oberstaatsanwalt Mühlhoff wollte wissen, ob Sauerland die schriftlich formulierten Sicherheitsbedenken kannte, auf die Polizei und Feuerwehr aus Dortmund und Bochum ihre Kollegen in Duisburg weit im Vorfeld der Veranstaltung hingewiesen hatten. Sauerland sagte, dass er davon wusste. Die Hinweise seien zur Begutachtung und Überprüfung in die zuständige Projektgruppe gegangen, die unter der Leitung von Ordnungsdezernent Wolfgang Rabe stand. Dieser hätte ihm gesagt, dass diese Bedenken bei den konkreten Planungen für Duisburg berücksichtigt würden.

Die Dezernate entschieden

Von den Sicherheitsbedenken, die der damalige Leiter des Duisburger Ordnungsamtes formuliert hatte, wollte Sauerland hingegen nichts gewusst haben. Auch nicht, dass bereits zu diesem Zeitpunkt mehrere Mitarbeiter der Stadtverwaltung fürchteten, strafrechtlich verantwortlich gemacht zu werden, wenn sie die Veranstaltung in dieser Form genehmigen würden. Einfluss auf die zuständigen Dezernate habe er nicht genommen, betonte Sauerland. „Ich habe nie in die Fachlichkeit hineinregiert, sondern diese entscheiden lassen. Mit voller Absicht. Ich bin kein Jurist, kein Bauexperte. Wenn ich mich in die Fachlichkeit einmische, werde ich Teil der Genehmigung.“ Das wollte er nicht. Aber nicht aus Feigheit, so Sauerland, sondern weil ihm die fachliche Expertise fehlte.

>> DIE NOTIZ VOM BAUDEZENRNENTEN

n einer handschriftlichen Notiz auf einem dienstlichen Vermerk hatte der damalige Baudezernent Dressler (er zählt zu den Angeklagten) seine ablehnende Haltung zu einer Genehmigung der Loveparade-Planung zum Ausdruck gebracht, dabei auch seine Zuständigkeit abgelehnt und diese an das Ordnungsdezernat von Wolfgang Rabe weitergereicht. „Das geht so nicht“, sagte Sauerland als früherer Verwaltungs-Chef. Eine Verlagerung von Zuständigkeiten der Dezernate könne nur der Rat der Stadt, nicht ein Dezernent beschließen.

Diese handschriftliche Notiz habe er zur Kenntnis genommen, so Sauerland. Planungs-Koordinator Rabe habe ihm später gesagt, dass der Disput mit Dressler ausgeräumt sei. Eine Bestätigung von Dressler dazu holte Sauerland nicht ein.