Düsseldorf. Die Beschuldigten im Loveparade-Prozess sehen sich als Sündenböcke. Ihre Anwälte werfen der Staatsanwaltschaft vor, es sich zu leicht zu machen.

Bis heute haben sich die Angeklagten im Loveparade-Prozess nicht öffentlich geäußert. Sie tun es auch am Donnerstag nicht und wollen weiterhin schweigen, aber man sieht sie nicken: Ihre Anwälte sprechen für sie.

Und was sie sagen, ist: Es sitzen da „Sündenböcke“ auf der Anklagebank. Die falschen Beschuldigten. Mitarbeiter, die nicht zuständig waren, die Genehmigungen erteilt haben sollen, die es nicht brauchte, und die gegen Vorschriften verstoßen haben sollen, die es gar nicht gab.

„Polizei“ das wohl meistgenannte Wort in den Eröffnungsvorträgen

Und Menschen, die leiden, auch auf dieser Seite des Saals: die „Entsetzen und Trauer“ oder „tiefes Mitgefühl und Bedauern“ empfinden, die das Geschehen „bis heute schwer belastet“, für die es ein „tiefer Einschnitt in ihr Leben“ gewesen sei.

Die damalige Leiterin des Bauamts, sagt ihr Anwalt, „lebt seit vielen Jahren mit Vorwürfen und in Angst“. Schon deshalb wollten auch die Angeklagten, dass die Hintergründe „endlich aufgeklärt“ werden. Ein Interesse, an dem Beobachter vor lauter Anträgen an den ersten Prozesstagen schon zweifelten.

Trotzdem stehen gestern einmal mehr jene im Mittelpunkt, die gar nicht im Saal des Düsseldorfer Congress Centrums sind: „Polizei“ ist das wohl meistgenannte Wort in den Eröffnungsvorträgen. Darin geht es vor allem um die Frage, warum die Sicherheitskräfte sich nicht verantworten müssen.

Anwälte wollen Einsatzleiter auf der Anklagebank

Es sei „frustrierend und schwer hinzunehmen“, sagt Rechtsanwalt Tobias Eggers, „dass andere nicht da sitzen.“ Etwa der Einsatzleiter, ergänzt ein anderer. „Die Polizei“, sagt Kollege Christof Püschel, „bleibt außen vor, das schließt ein gerechtes Urteil aus.“ Und schließlich: „Was ist mit denen, fragt Eggers an die Adresse der Politik, „die sich mit der Loveparade schmückten?“

Staatsanwaltschaft habe einseitig ermittelt

Erneut werfen die Anwälte der Staatsanwaltschaft vor, „einseitig, interessengeleitet und nicht objektiv“ ermittelt zu haben. Von der eigentlichen Verteidigung gehen sie damit zur Anklage über – aber formulieren den umgekehrten Vorwurf: „Die Anklage ist eine Verteidigung, der Polizei und des Innenministeriums NRW!“, klagt Püschel, der einen 63-jährigen Mitarbeiter des Bauamts vertritt.

Dass beide Institutionen nie im Fokus der Aufarbeitung gestanden hätten, sei „verstörend“ und „ein Skandal“. Die Staatsanwaltschaft, ergänzt Kerstin Stirner als Vertreterin des Lopavent-Gesamtleiters, habe es sich „fahrlässig leicht gemacht“.

Baumamt soll gar nicht zuständig gewesen sein

Das also wird die Verteidigungslinie sein. Die andere betrifft nur die angeklagten sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und geht so: „Eine Baugenehmigung ist keine Veranstaltungsgenehmigung.“ Und: „Mitarbeiter in Bauämtern sind keine Eventmanager.“ Heißt, das Bauamt sei gar nicht zuständig gewesen, so die Argumentation der Verteidigung.

Nicht für die Genehmigung, aber auch nicht für die Sicherheit. „Die Bauordnung hat weder die Loveparade genehmigt noch das Sicherheitskonzept“, heißt es. „Ein Fehlverhalten liegt also nicht vor.“

Verteidiger fordern ein Veranstaltungsrecht

Bis heute, beklagen die Verteidiger, gebe es in NRW kein Veranstaltungsrecht, das eine Wiederholung der Ereignisse vom Juli 2010 verhindern könne. Von der Staatsanwaltschaft genannte Vorschriften seien jetzt wie damals nirgendwo niedergelegt – weshalb man sie auch nicht einhalten könne.

Zwar sieht der Vorsitzende Richter Mario Plein „mit Freude“, dass die Prozessbeteiligten nun doch „intensive Aufklärung betreiben wollen und müssen“. Man habe schließlich „in den nächsten Monaten und auch Jahren viele Antworten zu finden“.

Mancher Verteidiger ist da allerdings pessimistisch: Ingo Bott, Rechtsbeistand des hauptangeklagten Baudezernenten, glaubt, dass „dieses Verfahren Aufklärung nicht wird leisten können“. Und Christof Püschel fürchtet: „Wer hier Gerechtigkeit erwartet, wird enttäuscht.“