Duisburg. . Beim Loveparade-Prozess weist der abgewählte Ex-Oberbürgermeister jegliche Verantwortung für die Planung von sich. Viele Standardantworten.
Da sitzt er nun. Die Hände wie zum Gebet gefaltet. Nur die beiden sich ständig gegenseitig knetenden Daumen verraten, wie aufgeregt und innerlich angespannt Adolf Sauerland ist. Die Stimme des früheren Oberbürgermeisters klingt ruhig und fest, als er am Mittwochvormittag im Loveparade-Prozess die ersten Fragen des Vorsitzenden Richters Mario Plein beantworten soll. Und sie bleibt es auch, als der prominente Zeuge wieder einmal nur eine seiner sich oft wiederholenden Standardantworten gibt. Die da lauten: „Ich war an der konkreten Planung der Loveparade aktiv nicht beteiligt“, „Ich musste keine Genehmigung erteilen oder vorbereiten“ oder – die meistgehörte – „Daran kann ich mich nicht erinnern“.
Die bekannte Argumentationslinie
„Das war mir klar, dass der hier ein paar Erinnerungslücken haben würde“, sagt Edith Jakubassa aus Hochheide, deren Tochter Marina bei der Katastrophe am 24. Juli 2010 das einzige der 21 Todesopfer war, das aus Duisburg kam. Wie viele andere anwesende Nebenkläger und die rund 40 Zuhörer im Besucherbereich hatte auch Jakubassa im Stillen gehofft, dass Sauerland seine Zeugenaussage nutzen würde, um endlich einige Hintergründe aus der Planungsphase der Loveparade zu erläutern. Doch diese Hoffnung wird enttäuscht: Der im Jahr 2012 abgewählte Ex-OB verschanzt sich nur weiter hinter seiner seit dem Unglückstag gehörten Argumentation, dass er mit der Planung der Veranstaltung nichts zu tun gehabt habe, sondern diese einer Projektgruppe unter der Leitung des damaligen Ordnungs- und Rechtsdezernenten Wolfgang Rabe übergeben habe.
Richter Plein lässt es aber nicht zu, dass Sauerland so leicht jegliche Verantwortung von sich weist. Er fragt hartnäckig nach. Setzt den Zeugen unter Druck. Konfrontiert ihn mit dessen Aussagen einer polizeilichen Befragung in Köln aus dem Jahr 2012. In letzter Konsequenz beruft sich Sauerland immer nur auf Rabe, dass der als Planungskoordinator sein einziger direkter Ansprechpartner gewesen sei, er selbst aber keine Details kannte. „Meine Aufgabe war keine Aufgabe“, hatte Sauerland bei der polizeilichen Befragung in 2012 gesagt.
„Der Richter nimmt kein Blatt vor den Mund. Diese Art der Befragung gefällt mir“, sagt Manfred Reißaus, dessen Tochter Sevnja bei der Katastrophe im Karl-Lehr-Tunnel ums Leben gekommen war. Er verspüre noch Zorn und Hass, wenn er Sauerland und dessen „ausweichendes, aalglattes Auftreten vor Gericht“ sehe, gibt Reißaus zu. Dass der Richter den Ex-OB verbal in die Mangel nimmt, empfindet der Hinterbliebene als Genugtuung.
Deutlich weniger emotional aufgeladen ist Edith Jakubassa. Es ist an diesem Tag ihr erstes Wiedersehen mit Adolf Sauerland seit 2010. Damals hatte das Stadtoberhaupt sie daheim in Hochheide aufgesucht. „Er hat mir auch damals mehr Faktisches erklärt als mich getröstet“, erinnert sie sich. Ein persönlicher Kontakt fällt diesmal aus. Als Sauerland nach dem ersten Teil seiner Befragung aus dem Gerichtssaal in die Mittagspause geht, läuft er direkt an Edith Jakubassa vorbei – und würdigt sie keines Blickes.