Essen. Pendler und Reisende haben den vierten Lokführerstreik in kurzer Zeit hinter sich. Doch nach dem 14-stündigen Ausstand deutet nichts auf eine Lösung in dem festgefahrenen Tarifkonflikt hin. Im Gegenteil. GDL und Deutsche Bahn machen sich gegenseitig Vorwürfe. Und neue Streiks sind möglich.
Nach dem bisher längsten Lokführerstreik in diesem Jahr fährt die Deutsche Bahn wieder nach Plan. S-Bahnen in den Ballungsräumen wie Regionalverkehr rollten im Takt, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. Mancher Pendler musste sich am frühen Morgen aber noch gedulden. Verspätungen waren der Bahn zufolge über den Tag im Fernverkehr möglich. Für Reisende bleibt die Lage in den nächsten Tagen unsicher. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) schwieg zunächst zu weiteren Streiks.
Eine Annäherung zwischen Gewerkschaft und Bahn war in dem festgefahrenen Tarifkonflikt nicht in Sicht. Die GDL verlangt fünf Prozent mehr Geld und zwei Stunden weniger Wochenarbeitszeit. Überstunden sollen begrenzt werden. Die Gewerkschaft drohte, befristete Streiks seien programmiert, wenn die Bahn sich nicht bewege.
Fronten zwischen Bahn und GDL verhärtet
Nach zwei Warnstreiks hatten die Lokführer mit dem ersten regulären Streik schon am Dienstagabend vergangener Woche für neun Stunden die Arbeit niedergelegt.
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Bahn-Personalchef Ulrich Weber mahnte: "Nur mit ernsthaften Verhandlungen kann der Tarifkonflikt gelöst werden - nicht mit der Brechstange und nicht mit scharfen Worten." Er sei zu sofortigen Verhandlungen ohne Bedingungen bereit.
GDL-Chef Claus Weselsky argwöhnte, er müsse dabei "die Vertretungsmacht für das Zugpersonal an der Garderobe abgeben". Die Lokführergewerkschaft will auch für Personal wie Zugbegleiter, Bordgastronomen und Disponenten verhandeln.
85 Prozent der Züge standen laut GDL still
Nach Gewerkschaftsangaben standen während des 14-stündigen Streiks 85 Prozent der Züge still oder kamen deutlich zu spät. Absolute Zahlen nannte die GDL nicht. Auch die Bahn bezifferte die Auswirkungen nicht bis ins letzte Detail. Sie hatte vor Streikbeginn mit stark ausgedünnten Ersatzfahrplänen für Fern- und Regionalzüge reagiert, die sie nicht ganz durchhalten konnte.
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Von den üblichen 1400 Fernzügen innerhalb von 24 Stunden fuhren am Mittwoch noch knapp 400. Im Regional- und Nahverkehr gibt es üblicherweise 23 700 Fahrten. Wieviele es nach dem Ersatzfahrplan sein sollten, konnte eine Sprecherin nicht sagen.
Der zweite Streik in acht Tagen hat die GDL aus Sicht der Konkurrenzgewerkschaft EVG in dem Tarifkonflikt nicht vorangebracht. Der Chef der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Alexander Kircher, widersprach im Deutschlandfunk der Behauptung der GDL, dass sie bei Zugbegleitern, Bordgastronomen und Lokrangierführer mehr Mitglieder habe.
Wirtschaft warnt vor mehrtägigem Streik
Weselsky wies im ZDF-Morgenmagazin den Vorwurf zurück, es gehe in dem Konflikt in erster Linie um die Macht unter den Gewerkschaften.
Auch 115 Güterzüge standen nach Bahnangaben am Donnerstagmorgen still. Bislang gebe es keine deutlichen Spuren in den Lieferketten, teilte der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) in Frankfurt mit. Er appellierte an die GDL, die Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. Ein mehrtägiger Ausfall träfe besonders die Kohle- und Stahlindustrie sowie die Branchen Chemie, Bau und Agrar.
GDL beschuldigt Bahn - Mit Notfahrplan Chaos ausgelöst
Die Lokführer haben am Morgen ihren 14-stündigen Streik beendet. Im Berufsverkehr gab es noch einige Zugausfälle und Verspätungen, aber weit weniger Störungen als nach Beendigung des Warnstreiks in der vergangenen Woche. Die Entwicklungen des Morgens in der Rückschau:
9.45 Uhr: Einige der Zugverspätungen in der Region gehen auf ein technisches Problem auf der Strecke zwischen Essen und Wattenscheid zurück: Nach Angaben eines Bahn-Sprechers sei bei einer Kontrolle ein "minimaler Fehler" der Gleislage aufgefallen. An dieser Stelle müssten Züge über etwa 300 Meter langsam fahren. "Das wird heute im Lauf des Tages mit Schotter gestopft", sagte der Sprecher - das Problem sollte am Freitag nicht mehr bestehen.
9.02 Uhr: Der Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat den Tarifstreit bei der Bahn aus Sicht der Konkurrenzgewerkschaft EVG einer Lösung nicht nähergebracht. Der Chef der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Alexander Kircher, sagte am Donnerstag im Deutschlandfunk auf die Frage nach dem bisherigen Ergebnis des Ausstands: "Eigentlich noch nichts, denn es gibt noch keine Antwort der GDL auf unser Angebot zu klären, wie denn die Mehrheitsverhältnisse bei der Bahn sind." Beide Gewerkschaften streiten, wer für welche Berufsgruppen bei der Bahn zuständig ist.
"Die GDL behauptet, dass sie für das Fahrpersonal und damit auch für die Zugbegleiter, die Bordgastro-Leute und die Lokrangierführer die Mehrheit hätte. Und wir sagen: Das ist nicht so", sagte Kirchner.
GDL-Chef Claus Weselsky sagte im ZDF-Morgenmagazin: "Schlussendlich weiß jeder, dass es hier nicht um Macht geht, sondern um eine einzige Frage: Ist dieser Konzern bereit, die Realität anzuerkennen, dass die GDL mehr als 51 Prozent Mitglieder in den Eisenbahnverkehrsunternehmen hat? Ist die Bahn bereit anzuerkennen, dass Tarifpluralität herrscht und nicht Tarifeinheit?"
Abfahrtsinformationen der Bahn
Kaum noch Verspätungen, dafür viel Stau
8.36 Uhr: Nur noch einzelne Verspätungen meldet die Bahn - dafür nimmt der Verkehr auf den Straßen weiter zu. Rund 110 Kilometer Stau meldet der WDR - viele kürzere, die sich summieren.
7.55 Uhr: Unsere Außenreporterin hat am Hauptbahnhof Essen Reisende getroffen, die an die Ostsee fahren wollen und extra früh gekommen sind: "Wir haben Verständnis, aber der Streik wird auf dem Rücken der Fahrgäste ausgetragen. Das sind interne Streitigkeiten. Wenn das alle so in der Wirtschaft machen würden, wäre die Wirtschaft schon am Ende."
7.25 Uhr: Nach Angaben der Bahn ist der Zugverkehr in NRW weitgehend normal angelaufen. Vereinzelt fielen noch Regionalzüge und S-Bahnen aus oder starteten nicht am üblichen Bahnhof, sagte ein Sprecherin am Donnerstagmorgen in Berlin. Am Mittwoch seien allein in NRW Hunderttausende Pendler und Reisende von dem Ausstand betroffen gewesen, hieß es.
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7.12 Uhr: Der GDL-Bundesvorsitzende wirft der Bahn wegen des Notfall-Fahrplans am Mittwoch "verantwortungsloses Verhalten" vor. Tausende Mitarbeiter des Zugpersonals hätten vor Streikbeginn "arbeitsbereit" herumgesessen, "während die DB absichtlich die Reisepläne ihrer Fahrgäste" durchkreuze. Damit habe die Bahn ein Chaos ausgelöst, das durch nichts zu rechtfertigen sei. Claus Weselsky: „Jeder Fachmann weiß, dass kein Notfallfahrplan 14 Stunden vor dem Streik beginnen muss. Er dient dem Management ausschließlich dazu, den Frust der Fahrgäste zu erhöhen."
Der GDL-Vorsitzende forderte die Aufsichtsgremien der Bahn und den Eigentümer des Bundesunternehmens auf, den Vorstand zur Rechenschaft zu ziehen.
Reisende finden: Durch den Streik wird die Bahn "unberechenbar"
6.59 Uhr: Rund 30 Kilometer Stau meldet der WDR zurzeit NRW-weit - vier davon auf der A40.
6.47 Uhr: Unsere Außenreporterin hat mit einem Reisenden gesprochen, der mit dem ICE nach Hannover möchte: "Ich habe schon eine Stunde mehr eingeplant, um nach Hannover zu kommen. Jetzt hat der Zug wohl eine halbe Stunde Verspätung und kommt um 7:18 an. Nachvollziehen kann ich den Streik schon, aber nicht warum es so viele Splitterparteien gibt. Letztendlich wird die Bahn unberechenbar; Preise werden erhöht und mit Verspätungen muss gerechnet werden."
6.33 Uhr: Eine Mitarbeiterin der Bahn-Information in Dortmund stuft den heutigen Morgen als normal ein. Es sei nicht mehr oder weniger als sonst los.
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6.23 Uhr: Langsam gerät auch der Verkehr auf der A40 ins Stocken. Der WDR berichtet von zwei Kilometern stockendem Verkehr auf der A40 in Richtung Duisburg zwischen Essen-Kray und Essen-Frillendorf.
5.57 Uhr: Jetzt fallen die Verspätungen schon deutlich massiver aus. In Essen werden gerade sieben Züge mit Verspätung angezeigt. Spitzenreiter: der ICE nach Berlin, der um 5.23 Uhr starten sollte, hat 50 Minuten Verspätung.
5.52 Uhr: Nebenbei: Der Pilotenstreik bei der Lufthansa-Tochter Germanwings sorgt am Donnerstag ab 12 Uhr für Behinderungen im Flugverkehr. Bundesweit würden rund 100 von 500 Flügen gestrichen, kündigte die Airline an. In NRW sollen 23 Verbindungen in Köln/Bonn, vier in Düsseldorf und eine in Dortmund wegfallen.
5.50 Uhr: Kleiner Blick auf die Autobahnen: Hier ist noch alles ruhig.
5.35 Uhr: Nach den bundesweiten Streiks der Lokführer kommen auf Bahnreisende am Wochenende schon wieder neue Probleme zu: Der Wuppertaler Hauptbahnhof und mehrere kleinere Bahnhöfen werden komplett vom Bahnverkehr abgeschnitten. Grund seien Bauarbeiten für ein elektronisches Stellwerk, teilte die Bahn mit. Von Freitagabend bis Montagmorgen würden Busse anstelle der Regionalzüge eingerichtet. Fernzüge sollen umgeleitet werden. Der Schienenersatzverkehr könne am Samstagnachmittag aber wegen kleinerer Demonstrationen im Bereich Oberbarmen und Elberfeld gestört werden.
5.27 Uhr: In Dortmund startet der Berufsverkehr mit einzelnen Verspätungen.
5.26 Uhr: In Essen verspäten sich Züge. Die S1 Richtung Solingen um 5.55 Uhr wird mit 10-minütiger Verspätung angekündigt
5.24 Uhr: In Duisburg meldet die Bahn noch Probleme. So fallen die RB Richtung Emmerich um 5.44 Uhr aus und der ICE Richtung Dresden um 6.04 Uhr.
5.06 Uhr: Ausgerechnet auf der wichtigen Strecke des RE1 zwischen Essen und Bochum meldet die Bahn eine technische Störung - und damit zusätzliche Verspätungen im Regionalverkehr. Zwischen Düsseldorf und Duisburg fahren die Züge laut Bahn bis Freitagmorgen mit "leicht verminderter Geschwindigkeit von 110 statt 160 km/h" wegen kleiner Bauarbeiten am Gleis.
5.00 Uhr: Ein erster Blick über die Bahnpläne in der Region zeigt: Der Verkehr läuft langsam wieder an. Vereinzelt gibt es allerdings Verspätungen. "Wir werden Donnerstagmorgen so schnell wie möglich versuchen, wieder den Normalbetrieb aufzunehmen", sagt ein Bahnsprecher.
Große Probleme im Regionalverkehr am Mittwoch
Der Streik der Lokführer hat am Mittwoch zu teils massiven Behinderungen für Bahnreisende geführt. Im Fernverkehr fuhr nach Angaben der Deutschen Bahn nur jeder dritte ICE, Intercity oder Eurocity. Im Regionalverkehr gab es teilweise noch größere Probleme.
Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer hatte ihre Mitglieder bundesweit zu einem 14-stündigen Streik aufgerufen. Die GDL verlangt fünf Prozent mehr Geld und zwei Stunden weniger Wochenarbeitszeit. Ein Ende des Tarifstreits ist nicht in Sicht. Ob weitere Streiks eventuell am Wochenende drohen, wollte die GDL nicht sagen.
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Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) rief die Tarifparteien zu einer schnellen Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. Zur Tarifautonomie gehöre auch das Mittel des Streiks, sagte Dobrindt in Berlin. Damit sei aber besonders verantwortungsvoll umzugehen, um die Zahl der betroffenen Dritten gering zu halten.
Piloten streiken Donnerstag ab 12 Uhr
Auf Reisende und Pendler kommt direkt eine neue Geduldsprobe zu. Die Piloten bei Germanwings lassen von Donnerstagmittag an die Arbeit ruhen. Bei der Lufthansa-Tochter werden 100 von 500 Flügen gestrichen. Politiker rufen die zerstrittenen Tarifparteien zu einer schnellen Rückkehr an den Verhandlungstisch auf.
Der Ausstand bei Germanwings soll zwölf Stunden dauern. In dem Tarifkonflikt mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) geht es um die Übergangsrente und Vorruhestands-Konditionen für Flugkapitäne. Germanwings fliegt in Deutschland die meisten Flughäfen außer Frankfurt und München an. Die Gesellschaft veröffentlichte einen Ersatzflugplan im Internet. (dpa)