Ruhrgebiet. . Trotz mehrerer Ankündigungen wurde so mancher Reisende und Pendler im Ruhrgebiet vom Bahnstreik überrascht. Aber auch bei den besser Informierten wächst der Unmut über die Lokführer – nicht allein wegen der teils widersprüchlichen Informationen der Bahn.
Die Enttäuschung steht ihr ins Gesicht geschrieben. Den Blick aufs Handy gerichtet, die Finger dauertippend, verharrt Kim noch einen Moment im Gewühl des Essener Hauptbahnhofs und verabschiedet sich von ihrer Vorstellung eines schönen Ferientages. Eigentlich wollte ihr Freund aus Hagen hier ankommen. Aber eigentlich ist nun nicht mehr. Nun ist Streik! Und die Laune der Schülerin sinkt gerade sichtbar auf den Nullpunkt. War wohl nichts...
Es ist 13.30 Uhr, also noch bevor die Lokführer ihren Ausstand beginnen, doch längst sind dessen Auswirkungen unübersehbar – Streikankündigungsauswirkungen sozusagen. Das sind nicht die üblichen Blicke hoch zur Anzeigentafel, nicht das eilige „Wann fährt mein Zug von welchem Gleis?“ Diese Blicke sind überrascht, suchen nach Alternativen. Was geht noch, was nicht mehr?
Schon Stunden vorher kamen Züge nicht
Denn schon Stunden vor dem Beginn des Streiks der Lokführer stehen Pendler und Reisende vor Zugausfällen. Um sich auf den Streik vorzubereiten, hatte die Bahn schon am frühen Morgen Verbindungen aus dem Ruhrgebiet nach Amsterdam, Basel, Stuttgart, München und Kiel gestrichen, damit die Züge heute früh um 4 in den Orten starten können, in denen sie auch sein sollten – und nicht im Irgendwo der Streikfolgen. Eine Taktik ist das, auf die die Bahn zuletzt stärker setzt und die Lothar Ebbers von „pro Bahn“ „sehr sinnig und ausgesprochen wichtig“ findet.
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Kim wird ihre Enttäuschung überleben. Ebenso wie Karin und Volker Hamelmann, das Rentnerpaar, das mit dem Zug nach Langenberg fahren wollte, um dort zu wandern. Doch es grummelt. Bei all denen, die schon vor acht Tagen von Streiktag Nr. 1 betroffen waren. Bei den Pendlern. Bei jenen, die sich beeilt haben, noch vor 14 Uhr, noch rechtzeitig vor dem Streik, die Bahn zu nehmen – und nun doch nicht abfahren können.
Die Taxifahrer hoffen umsonst
Mittendrin in all den Fragen, in all dem Unmut, stehen den ganzen Nachmittag die Mitarbeiter der Bahnhofsmission. Zu acht sind sie heute statt wie üblich zu viert. Sie lächeln, sie sprechen die Reisenden an und beraten. „Viele kennen uns schon vom Pfingststurm“, sagt Markus Siebert, der Leiter. Irgendwann aber wird es eher leer auf den Bahnhöfen: Zur Enttäuschung der Taxifahrer, die auf ein besonderes Geschäft hofften und nicht bedachten, dass viele Menschen dem Streik auswichen oder nicht mehr ankommen. Elke Lux etwa spart sich heute die Heimfahrt von der Arbeit nach Voerde und übernachtet bei einer Freundin in Mülheim: „Sonst schaffe ich es morgen früh nicht mehr zur Arbeit!“
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Anders also als Gesine und Josephin Bischoff aus Gera, die – wenngleich mit dreistündiger Verspätung – dann doch noch in Bochum ankommen und die Erfahrung mitbringen, wie hilfsbereit der Bahnservice unterwegs war. Manches ist jetzt verwirrend, wie etwa in Mülheim: S1 kommt und fährt bis Solingen, steht auf der Anzeigetafel; S1 fällt aus, sagt die App. Am Ende irren beide: S1 kommt verspätet, fährt aber nur bis Duisburg. Und in Herne? Kommt Stefan Chemielewski pünktlich an, der mit der Privatbahn fuhr, während sein Sohn aufs Auto umsteigen musste. Denn er lernt grad – Lokführer.
Manch Reisender wird stranden
Oben auf den Anzeigetafeln laufen die Texte irgendwann dauer: Zug fällt aus! Zug fällt aus! Zug fällt aus! Wer kann, weicht auf Straßenbahn und Bus aus, aber manche werden stranden an diesem Tag, in dieser Nacht. Trotz der Streik-Ankündigung eben doch überrascht, zur falschen Zeit im falschen Zug.