Essen. . Der Blitzmarathon ist vorbei, da kann man also wieder Gas geben? Besser nicht, warnt das NRW-Innenministerium: Die NRW-Polizei hat ihre Tempokontrollen auch abseits der zweimal jährlichen Großkontrollen kräftig ausgebaut. Das Ziel: “Wir wollen in die Köpfe der Leute“.
Nach dem Blitzmarathon ist vor dem Blitzmarathon. Klingt wie eine Binsenweisheit, denn dass auf den fünften Blitzmarathon auch die Blitzmarathons Nummer 6,7 und weitere folgen dürften, ist im NRW-Innenministerium so gut wie gesetzt: "Es wird weiter derartige Großaktionen geben", sagt ein Sprecher. Derartige konzertierte Aktionen hätten sich wohl erst erledigt, "wenn wir dabei keine Tempoüberschreitungen mehr feststellen würden".
Doch auch zwischen den Blitzmarathons hat die Polizei in NRW ihre Tempokontrollen mittlerweile ausgeweitet - käftig, sogar. Fast 197.000 Geschwindigkeitsverstöße etwa hatte die Polizei im Blitzmarathonfreien Juni in NRW ermittelt. Im Juni 2012 waren es gut 40.000 weniger.
Dabei fällt auf: Die Zahl der "Geschwindigkeitskontrollen mit Anhalten" - also mit Belehrungsgespräch vor Ort - ist in den vergangenen zwei Jahren relativ konstant und lag zuletzt in diesem Juli bei 65.968 Verstößen. Geblitzt und im Anschluss nicht von der Polizei gestoppt wurden im Juli dagegen 130.714 Autofahrer - das waren fast die Hälfte mehr als im Jahresdurchschnitt 2012. Ein Indiz für mehr Tempo-Kontrollen.
"Jeden Tag ist in NRW Blitzmarathon"
„Der Blitz-Marathon ist ein Baustein der langfristigen Strategie der Polizei gegen Geschwindigkeitsunfälle“, betont NRW-Innenminister Ralf Jäger. So will es die "Strategie der NRW-Polizei zur Verkehrsunfall-Bekämpfung", die das Innenministerium formuliert hat. Heißt in der Praxis: "Jeden Tag ist in NRW Blitzmarathon" - nur eben nicht landesweit, wie ein Ministeriumssprecher erklärt.
So hatte etwa die Dortmunder Polizei Mitte Juli bei einem "heimlichen Blitzmarathon" innerhalb von 15 Stunden fast 40.000 Fahrzeuge im Stadtgebiet kontrolliert. Das positive Ergebnis: "95 Prozent der Autofahrer halten sich an die Geschwindigkeitsvorschriften" - egal ob angekündigte oder unangekündigte Kontrollen.
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Gleichwohl will man im NRW-Innenministerium nicht von den Großaktionen lassen. Auch wenn die jüngsten Zahlen zeigen: In NRW wurden am Donnerstag 21.200 Autofahrer erwischt, die zu schnell unterwegs waren - bei insgesamt 782.000 gemessenen Fahrzeugen. Heißt: 2,7 Prozent der Autofahrer waren schneller unterwegs als erlaubt. "Für NRW ist dies die niedrigste Quote bei einem Blitz-Marathon", sagt Innenminister Jäger. Ein Erfolg der Blitzmarathon-Strategie?
Erfolg von Tempokontrollen ist so gut wie nicht erforscht
Ist das Thema Verkehrssicherheit, wie von den Initiatoren gewünscht, nun tatsächlich "in den Köpfen der Menschen verankert"? Oder zeigt sich bloß, dass die medienwirksame Verbreitung von Mess-Termin und -Stellen dazu führt, dass sich viele an die Verkehrsvorschriften erinnern?
Auf die Idee gekommen, die Wirkung wissenschaftlich erforschen zu lassen, ist man im Ministerium bis dato jedoch nicht - auch nicht nach mittlerweile fünf Blitzmarathons. Ohnehin ist das Thema Geschwindigkeitskontrollen mehr als 50 Jahre nach Erfindung des "Starenkastens" so gut wie nicht erforscht, sagt Dirk Kemper, Verkehrswissenschaftler an der RWTH Aachen. Bis dato - denn nun ist eine erste Studie in Arbeit. Angeregt worden war das Thema durch die Polizei Köln.
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Eine spanische Verkehrswissenschafts-Studentin am Institut für Straßenwesen der RWTH Aachen wertet jetzt die Blitzmarathon-Zahlen aus. Für ihre Masterarbeit, die den schlichten Titel trägt: "Überprüfung der Wirksamkeit von Blitzmarathons". Für die Studie werden neben den Daten aus dem 24-stündigen Blitzmarathon auch drei Wochen lang Daten aus fünf eigenen Radarmessgeräten erhoben, die derzeit an verschiedenen Stellen in Köln den Verkehr kontrollieren - ohne Knöllchengefahr.
"Man muss den Kontrolldruck aufrecht erhalten"
Die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Studie ist enorm, im Institut ist man deshalb bemüht, "den Druck von der Studentin zu nehmen", sagt Dirk Kemper. Weil die Arbeit eine Art Pioniercharakter hat, helfe das Institut bei der Auswertung der Daten tüchtig mit.
Unterdessen geht man auch bei der Gewerkschaft der Polizei davon aus, dass es weitere Blitzmarathons geben wird - sogar muss, sagt ein Sprecher der GDP NRW. So umstritten das Thema polizeiintern sei: "Man muss den Kontrolldruck aufrecht erhalten". In NRW kontrollierten beim fünften Blitzmarathon rund 3400 Polizisten und 270 Mitarbeiter von Kommunen landesweit an etwa 3100 Messstellen.
Im Ministerium sieht man sich mit Blick auf die Verkehrsunfallstatistik darin bestätigt, an Blitzmarathons festzuhalten: 339 Menschen starben seit Januar im Straßenverkehr in NRW. Das waren 65 weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres und damit "die niedrigste Zahl von Verkehrstoten seit mehr als 60 Jahren".
Allein 27 Menschen weniger kamen durch Raser ums Leben. In den vergangenen Jahren sind die Zahlen der Unfälle, bei denen Menschen wegen überhöhter Geschwindigkeit im Straßenverkehr zu Tode gekommen sind, laut Polizei-Statistik stets gesunken. Für den nnenminister heißt das: „Wir sind davon überzeugt, dass wir mit unserer Strategie auf dem richtigen Weg sind. Aber es sterben immer noch viel zu viele Menschen im Straßenverkehr. Deshalb machen wir weiter.“