Essen. Mit dem Beginn der Weihnachtsmärkte tobt der Streit zwischen Veranstaltern und der Gema aufs Neue. Unter Klagen über zu hohe Gebühren mischt sich immer wieder auch Verunsicherung: Was darf man singen, wofür muss man zahlen? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Alle Jahre wieder... werden mit den ersten Glöckchen auf den Weihnachtsmärkten in der Region auch wieder Sorgen der Veranstalter laut: Es drohe eine "stille Nacht", warnte vor einigen Tagen zum Beispiel Bochum Marketing - wenn die Gema ihre Gebühren weiter erhöhe, könne keine Musik mehr auf dem Weihnachtsmarkt gespielt werden. Und manch ein Verein in den Stadtteilen grübelt vor den anstehenden Adventsfesten: Was darf der Kinderchor singen - und muss man das vorher anmelden? Fragen und Antworten im Überblick.
Was macht die Gema?
Die Gema ist die "Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte" - ein Verein, der nach eigenen Angaben in Deutschland die Urheberrechte von rund 64.000 Musikschaffenden vertritt. Wer öffentlich Musik der Gema-Mitglieder abspielt oder aufführt, der muss das anmelden und dafür bezahlen. Die Art und Weise, wie die Gema ihre Gebühren berechnet, sorgt immer wieder für Kritik.
Was bedeutet das für Weihnachtsmärkte?
Weihnachtsmärkte sind öffentliche Veranstaltungen, und auf den meisten von ihnen gibt es Musik: Mal dudelt ein Mix von "Süßer die Glocken nie klingen" bis "Last Christmas" aus der Konserve durch die Budengassen, mal geben Bands und Chöre auf einer Bühne Adventliches zum Besten. Das kostet.
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Mitunter rechneten die einzelnen Schausteller, die an ihren Buden Musik abspielen, über Jahresverträge mit der Gema ab, erklärt deren Sprecherin Gaby Schilcher. "Beschallt der Veranstalter den Markt gezielt über Lautsprecher, dann wird pro Lautsprecher und Tag abgerechnet." Bei Livemusik komme es darauf an: Wie groß ist die Fläche vor der Bühne, wie viele Konzerte gibt es, welche Lieder werden gesungen?
Muss man für jede Musik Gema-Gebühren zahlen?
Nein. Entscheidend ist tatsächlich, was gespielt oder gesungen wird. Lieder, deren Urheber mehr als 70 Jahre tot sind, sind "gemeinfreies Gut". Wenn sich also beispielsweise die Kita Pusteblume auf eine Bühne stellt und "Stille Nacht, Heilige Nacht", "Oh Tannenbaum" und "Lasst uns froh und munter sein" schmettert, dann interessiert das die Gema nicht. Singt dieselbe Gruppe aber die größten Hits von Rolf Zuckowski, dann werden Lizenzgebühren fällig.
Die Musikpiraten, ein aus der Piratenpartei entstandener Verein zur "Förderung freier Kultur mit Schwerpunkt Musik als künstlerischem Ausdrucksmittel", hat gemeinfreie Weihnachtslieder in einem Büchlein "Singen im Advent" gebündelt - dieses kann man sich online als PDF herunterladen.
Wie viel zahlen die Veranstalter von Weihnachtsmärkten an die Gema?
Pauschal lässt sich das nicht beantworten. Bochum Marketing etwa zahlt in diesem Jahr nach eigenen Angaben 15.000 Euro fürs Bühnenprogramm an die Gema. Die Verwertungsgesellschaft bittet jedoch auch im kleineren Rahmen zur Kasse: 23,01 Euro sollte etwa die "IG Holzen" in Dortmund im Jahr 2010 zahlen, weil 30 Schul- und Kindergartenkinder auf dem kleinen Stadtteil-Weihnachtsmarkt drei Lieder gesungen hatten. Eines davon war eben nicht gemeinfrei.
Warum warnt Bochum vor einem stillen Weihnachtsmarkt?
Bedrohen die Gema-Gebühren nun die heimelige Weihnachtsstimmung auf den Märkten an Rhein und Ruhr? In Bochum meint man: ja. Bochum Marketing steht schon länger mit der Gema auf Kriegsfuß. Ein Rechtsstreit zwischen dem Weihnachtsmarkt-Veranstalter und der Verwertungsgesellschaft über die Gema-Vergütung bei Stadt- und Straßenfesten landete im vergangenen Jahr vor dem Bundesgerichtshof. Der entschied: Es sei rechtens, dass die Gema bei der Berechnung der Gebühren die gesamte Veranstaltungsfläche berücksichtigte. Bochum Marketing wollte nur 300 Quadratmeter direkt vor der zentralen Bühne geltend machen, die Gema 2600 Quadratmeter - den gesamten Platz.
Das machte sich am Ende auch auf der Rechnung bemerkbar: Mit 2600 Euro Gebühren hatte Bochum Marketing kalkuliert - und musste am Ende das Sechsfache, 15.000 Euro, zahlen. In der Stadt zeichnet man deshalb jetzt schon regelrechte Horrorszenarien. Sollte als "Beschallungsfläche" nicht mehr nur der Dr.-Ruer-Platz, sondern der komplette Weihnachtsmarkt (28.000 Quadratmeter) herangezogen werden, dann koste die Musik schon 230.000 Euro - und wäre nicht mehr finanzierbar. Auch der Deutsche Schaustellerbund stieß nach Veröffentlichung des Urteils im vergangenen Jahr ins gleiche Horn - und verteufelte das Verhalten der Gema als "moderne Wegelagerei".
Was sagen andere Städte zu den Gema-Gebühren?
In Düsseldorf will die für den Weihnachtsmarkt zuständige "Marketing & Tourismus"-Gesellschaft (DMT) zwar keine konkreten Zahlen nennen. Aber: Die Gebühren in diesem Jahr seien "mit denen des letzten Jahres vergleichbar", sagte ein Sprecher. Gema hin, Gema her - es gebe jedenfalls keine Überlegungen, die Beschallung einzustellen.
Fragt man kleinere Städte, hört man auch eher wenig Klagen. Man habe "mit der Gema noch nie Probleme gehabt", hieß es im vergangenen Jahr aus Schwerte.
Was sagt die Gema zu den Vorwürfen?
"Da ist viel Polemik und Panikmache dabei", findet Gema-Sprecherin Gaby Schilcher. Anstatt sich selbst Summen auszurechnen und damit an die Presse zu gehen, sollten Veranstalter sich mit der zuständigen Bezirksdirektion in Verbindung setzen, rät sie. "Wenn wenig Musik genutzt wird", sagt sie, "kostet's auch nicht viel." Dies ändere sich auch durch die Tarifreform nicht.
Bei größeren Weihnachtsmärkten mit größeren Bühnen könnten sich die Gebühren zwar "läppern", räumt Gema-Sprecherin Schilcher ein. Da seien die Märkte selbst aber häufig auch sehr kommerziell - und dann sei es nur fair, wenn die Musik-Urheber auch entsprechend mitverdienten.