Kirchhundem/Essen. . Fernseh- und Radioempfangen kostet Gebühren. Wer dabei nur an die GEZ denkt, liegt falsch. Noch vielfach unbekannt ist, dass auch Geld für das Programm privater TV- und Hörfunksender gezahlt werden muss. Gema und VG Media sind jetzt sehr aktiv, das einzufordern.

Viel Fachwerk und umgeben von reichlich Natur: Kirchhundem im Kreis Olpe ist ein idyllisches Plätzchen. Einige Ortsteile wurden schon mehrfach im Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ ausgezeichnet. Das Ortsbild zu schützen war denn auch Antrieb, sich beim Fernsehempfang etwas einfallen zu lassen: eine Antennengemeinschaft.

Das Fernsehprogramm kommt seit über 20 Jahren von einer zentralen Satelliten-Empfangsanlage und wird über ein Ortsnetz des Antennen-Vereins verteilt. Um die 450 Haushalte sind daran angeschlossen. „Sat-Schüsseln sind in Kirchhundem sehr selten“, sagt Klaus Gerspacher, Mitgründer und 1. Vorsitzender des Antennenvereins. Der bekam vor einiger Zeit Post von der Gema. Die fordert darin Lizenzgebühren für Urheberrechte. Gerspacher war erstaunt und wenig erfreut. Zumal bereits eine andere Verwertungsgesellschaft in der gleichen Sache in Kirchhundem kassiert: Die VG Media.

Auch private TV-Sender fordern eine Art 'Gebühren'

Discotheken, Kinderlieder, Youtube-Musikvideos oder USB-Sticks: Die Debatte um das Urheberrecht wirft derzeit mächtig Wogen. Autoren, Komponisten oder Film- und Musikproduzenten wehren sich gegen eine Gratis-Kultur im Internet, pochen auf den Schutz ihres „geistigen Eigentums“. Manche sehen ihre Existenz gefährdet, sollte das Urheberrecht in Deutschland gelockert werden. Um es einzufordern, gibt es die Verwertungsgesellschaften – insgesamt zwölf in Deutschland. Für die einen sind sie ein Segen, weil sie Einkünfte bringen. Kritiker werfen ihnen Abzocke vor. Die Verwertungsgesellschaften weiten unterdessen ihr Tätigkeitsfeld aus.

Beim Verein Haus & Grund Rheinland beobachtet man verstärkte Aktivitäten, und zwar in punkto Urheber- bzw. "Leistungsschutzrechte" im Bereich TV-Empfang: Die VG Media, in Berlin ansässig und getragen von 134 privaten TV- und Hörfunksendern, hat sich in den vergangenen Monaten bei den Immobilien-Verbänden bundesweit ins Gespräch gebracht - nicht ins Beste, sagt Verbandsdirektor Erik Uwe Amaya. Für ihn ist die VG Media "die GEZ des privaten Fernsehens". Weil sie Geld für etwas verlangt, was doch eigentlich gratis sein soll - eben Privatfernsehen und Privathörfunk.

Wer Lizenzentgelte für Privatfernsehen und -Hörfunk zahlen muss 

Auch TV-Sender haben Urheberrechte an ihren Produktionen – für deren Nutzung Lizenzentgelte fällig werden. Zudem ist die technische Sendeleistung zu honorieren, so sieht es das deutsche "Leistungsschutzrecht" vor. Alle, die kommerziell TV-Signale weiterverbreiten, gelten als "Verwerter" und müssen dafür zahlen. Dazu haben sich die verschiedenen Verwertungsgesellschaften bereits 2009 auf Tarif-Regelungen vereinbart.

Neben Kabelnetzbetreibern waren bisher vor allem Hotels, Krankenhäuser oder Fitnesscenter im Visier von Gema und VG Media. Nun wenden sie sich auch verstärkt an „Eigentümer von Mehrparteienhäusern oder Eigentümergemeinschaften, die über das Hausverteilnetz von Mehrparteienhäusern Wohnungen mit privaten Rundfunkprogrammen versorgen“.

VG Media „ist ein Reizwort geworden“

In Düsseldorf war auch Erik Uwe Amaya „erstmal erstaunt“. Eine VG Media kannte er bis dato nicht. Diese bat nun, der Verband möge seine Mitglieder über eine Zahlungspflicht von Lizenzentgelten für Urheberrechte beim Fernseh- und Radioempfang informieren, die in bestimmten Fällen gelte. Die Schreiben häuften sich, „der Ton wurde fordernder“. VG Media, sagt Amaya heute, „ist bei uns zu einem Reizwort geworden“.

Bei der VG Media versteht man die Aufregung nicht. "Wir sind gesetzlich verpflichtet, Verwertungen durch die Zahlung von Vergütungen zu legitimieren", sagt Geschäftsführer Markus Runde etwas gespreizt. Eine 'GEZ für private Rundfunksender' sei man ganz und gar nicht: Es gehe nicht um Rundfunkgebühren, erklärt Runde: „Wir setzen im Auftrag privater Fernseh- und Hörfunksender angemessene Vergütungen von Urheber- und Leistungsschutzrechten durch“. Und da sei nun jeder, zum Beispiel Antennenvereine oder andere Betreiber von Antennen-Hausverteilnetzen "in der Pflicht, Lizenzverträge abzuschließen". Runde betont: Auf Unkenntnis könne sich niemand mehr berufen, vielmehr sei nun jeder Nutzer "in der Pflicht sich bei uns zu melden."

Zwei Rechnungen für ein und dieselbe Leistung - was die „Kabelweiterleitung“ kostet 

Mit etwa 34.000 sogenannten Verwertern hätte man bisher bereits Lizenzverträge abgeschlossen, sagt der VG Media-Geschäftsführer. Wieviele es bundesweit sein müssten, weiß man bei der VG Media hingegen nicht. Eine Fragebogen-Aktion soll Aufschluss geben, kommt aber nach wie vor nicht so recht voran. Sehr zum Missfallen der VG Media. So hatte man sich schon im Juni vergangenen Jahres per Brief bei der Haus & Grund Rheinland beschwert: "Der bisherige Rücklauf der Auskünfte einzelner Eigentümer" würde nicht "mit den Mitgliederzahlen des Verbandes korrespondieren".

Auch die Gema versucht aktuell verstärkt, für die "Kabelweiterleitung" von TV- und Hörfunkprogrammen Lizenzgelder einzutreiben. "Kaum jemand weiß von dieser Lizenzpflicht", sagt Sprecher Peter Hempel. Dass gleichzeitig auch die VG Media kassiert, sei kein Missverständnis, versichert Hempel. Zwar sei der Sachverhalt der gleiche, aber Gema und VG Media hätten „völlig unterschiedliche Nutznießer". Der Gema-Sprecher versichert: „Es wird niemals doppelt kassiert“. In punkto TV-Empfang vertrete die Gema die Rechte von Komponisten und habe das Mandat für sieben weitere der bundesweit zwölf Verwertungsgesellschaften übernommen, die etwa Filmproduzenten und Autoren vertreten.

64 Euro pauschale Nachforderung pro Wohnung

Im Jahr 2010 hat die Gema insgesamt 56,83 Millionen Euro im Bereich der Kabelweiterleitung eingenommen – das waren knapp 6,6 Prozent der gesamten Gema-Erträge. Die VG Media hatte im gleichen Jahr 42,819 Millionen Euro in ihrem Jahresbericht notiert. Dabei werden die Lizenzentgelte unterschiedlich berechnet – und: In allen Fällen wird auch rückwirkend Geld gefordert. Ein Antennenverein aus Ostdeutschland, der gegen die Forderungen klagte, scheiterte erst kürzlich vor dem Landgericht Leipzig und muss nun 6160 Euro Lizenzentgelte nachzahlen.

So berechnet die Gema die Kosten am Umsatz, der mit der Kabelweiterleitung erwirtschaftet wird: 5,5 Prozent der Einnahmen etwa von Wohnungsgesellschaften, die für ihre Mieter eine zentrale Satelliten-Antenne betreiben, sind als Lizenzentgelt fällig. Umgerechnet auf einzelne Wohnungen laufe das allenfalls auf wenige Cent pro Jahr hinaus, sagt der Gema-Sprecher. Bei der VG Media berechnet man die Kosten an der Zahl der Wohneinheiten, die an eine TV-Empfangsanlage angeschlossen sind. Mit dem Bundesverband von Haus & Grund wurde dazu ein spezieller Vertrag für Mitglieder abgeschlossen, der etwas Rabatt gewährt. Grob gesagt geht es um etwa 1,01 Euro pro Wohnung und Jahr. Und um 64 Euro Nachforderung rückwirkend bis 2007 pro Wohneinheit.

„Wo verwertet wird, ist auch zu zahlen“ 

„Wo verwertet oder genutzt wird, ist zu zahlen", sagt Geschäftsführer Markus Runde unmissverständlich. Dabei gewähre man jedoch Ausnahmen, aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung, wie Runde erläutert: „Wir stellen die Forderungen erst ab der Größe von elf Wohneinheiten“. Der Personalapparat der VG Media sei nicht groß, einen eigenen Außendienst habe man nicht, dazu habe man in Einzelfällen die Gema mit dem Inkasso beauftragt. Die wiederum setzt die Latte in Sachen Kabelweiterleitungs-Entgelten sogar auf 75 „Teilnehmer“. Und Sprecher Peter Hempel versichert,: Was das Zahlen angeht, "lassen wir auch mit uns reden“; aber nicht über das „ob“, sondern nur über das „wie“.

Über die konkreten Forderungen der Gema mag Klaus Gerspacher in Kirchhundem aktuell nicht reden. „Einige Tausend Euro“ musste der Antennenverein für die Lizenzen-Forderungen aufbringen. Das Geld werde in den nächsten drei Jahren gestundet gezahlt.

Antennengemeinschaften fühlen sich ungleich behandelt

30 analoge und fast 500 digitale Programme speist die Antennengemeinschaft zurzeit ins Kirchhundener Kabelnetz ein. Sogar ein eigener Info-Kanal wird für den Ort betrieben. Von den Kosten dürften herkömmliche Kabelgucker, also Kunden von Unitymedia und Co., träumen: Um die drei Euro zahlt jedes Mitglied pro Monat für den Fernseh- und Radioempfang. Die Forderungen von Gema und VG Media dürften den Mitgliedsbetrag ab dem nächsten Jahr teurer machen, schätzt Klaus Gerspacher: „Die Lizenz-Forderungen erhöhen unsere Kosten um gut 20 Prozent“.

Dabei ärgert sich Gerspacher vor allem über ein Detail: „Wir werden von Gema und VG Media wie ein Wirtschaftsunternehmen behandelt, dabei sind wir ein Verein, der keine Gewinne erwirtschaften darf“. Andere hätten die Lizenz-Forderungen jedenfalls nicht so gut verdaut wie die Antennengemeinschaft Kirchhundem/Flapetal. Im Dorf Welschen Ennest etwa, auch im Kreis Olpe gelegen, habe es ebenfalls einen Antennenverein gegeben, sagt Gerspacher. „Aber die mussten aufgeben“.