Ruanda. Ruanda gilt 16 Jahre nach dem Bürgerkrieg als eines der sichersten Länder Afrikas. 60 Prozent der Einwohner profitieren vom Fremdenverkehr. Insbesondere der Vulcanoes National Park zieht Touristen an. Dort leben die letzten Berggorillas.
Verspielt tapst der kleine Gorilla zu dem massigen Männchen. Aber der Silberrücken beachtet seinen wolligen Spross kaum. Konzentriert laust er eine seiner fünf Frauen. Zwei seiner Söhne kullern daneben über die Lichtung. Neben ihnen frisst eine Gorilladame, ein Baby an der Brust. Familienidylle auf 2700 Höhenmetern.
Im Virunga Volcanoes National Park in Ruanda leben noch Berggorillas, die letzten ihrer Art. Dian Fossey und der Film „Gorillas im Nebel“ haben sie weltberühmt gemacht. Dann drohten sie auszusterben: Wilderei, Krankheiten und Krieg setzten ihrem Lebensraums dramatisch zu. Neuesten Schätzungen zufolge gibt es weltweit nur noch 786 Exemplare. Touren zu den freien Tieren gehören so auch zu Ruandas exklusivsten Touristenattraktionen.
56 Touristen verteilen sich auf sieben Gorilla-Familien
Als das Gorillakind beim Spielen umfällt, unterdrückt der englische Tourist mühsam ein Lachen. Alle müssen leise sein, und fotografieren ist nur ohne Blitz erlaubt. Die Gorillafamilie ist an Menschen gewöhnt, soll sich aber nicht gestört fühlen. Die Tourguides achten darauf, dass ein Abstand von sieben Metern eingehalten wird. Er dient vor allem dem Schutz der bedrohten Tiere. Denn die sind den Menschen genetisch so ähnlich, dass sie sich mit einer Erkältung anstecken könnten – und schlimmstenfalls daran zugrunde gehen würden.
Pro Tag dürfen nur 56 Touristen die Gorillafamilien besuchen. Um einen Platz zu bekommen, muss man acht Monate im Voraus buchen und 500 Dollar bezahlen. Jede Gruppe hat maximal acht Personen und einen ortskundigen Führer. Der unterweist die Teilnehmer im Gorilla-Knigge und begleitet sie mit dem Jeep in den Bergwald.
Die Wandertour durch die steilen Hänge der erloschenen Vulkane dauert vier Stunden, eine ist für das Beobachten der Affen eingeplant. Die Guides haben die Tiere meist schon am Vortag aufgespürt und wissen, wo sie ihre Nester für die Nacht gebaut haben. Jetzt, am frühen Morgen, überraschen die Touristen die Gorillas also quasi beim Frühstück.
60 Prozent der Einwohner Ruandas profitieren vom Fremdenverkehr
Seit 2004 laufen die Gorilla-Touren hoch professionell ab. Tourismus ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige des kleinen afrikanischen Landes, das nach dem Völkermord der Hutus an den Tootsis 1994 komplett am Boden war. Heute profitieren 60 Prozent der Einwohner vom Fremdenverkehr, schätzen Insider wie Jean Luc Miravumba von der Hotelgruppe Mantis. Auch der Gorillatourismus sei wichtig. Er helfe einerseits den Menschen „und trägt zum Schutz der Natur bei“, erklärt Jimmy Bilima vom örtlichen Tourenveranstalter „Thousand Hills Expeditions“.
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Im Iby’Iwacu Traditional Village, dem traditionellen Dorf, arbeiten heute ehemalige Wilderer und Brandroder. Sie führen traditionelle Tänze auf. Die europäischen Besucher werden mit einbezogen und als Könige verkleidet zum Mittrommeln verführt. Leonidas (66), der quirlige Pygmäe, lehrt die Gäste das Bogenschießen. Dankbar ist er, „nicht mehr wildern zu müssen!“. Vierzig Prozent des Eintritts (25 Dollar) gehen direkt an Leonidas und die anderen, die im Dorf arbeiten. Der Rest geht an die Gemeinde, die damit regionale Projekte finanziert. Hilfe zur Selbsthilfe durch Tourismus, wenn man so will.
Sauberstes und sicherstes Reiseland Afrikas
Ruanda hat sich verändert. 16 Jahre nach dem Krieg gilt es als eines der sichersten Reiseländer Afrikas. Die Menschen sind freundlich und lächeln viel. Die Kinder rufen „Umuzungu“, „Weiße“, und winken freudig, wenn Touristen vorbeifahren. Noch immer lebt die Hälfte der Ruander aber unterhalb der Armutsgrenze, doch es herrscht hoffnungsvolle Stimmung.
Das Land ist blitzsauber, „die afrikanische Schweiz“ wird Ruanda auch genannt. Plastiktüten sind verboten. Einmal im Monat findet der Umugunda-Tag statt: Die Gemeinde sammelt Müll auf, bespricht regionale Angelegenheiten und lässt den Tag mit Plausch und Tanz ausklingen. Präsident Paul Kagame, in Europa als nicht demokratisch genug umstritten, ist bei seinem Volk beliebt. Die Regierung setzt auf nachhaltigen Aufschwung. Entwicklungsgelder aus Deutschland werden entsprechend auch für touristische Projekte eingesetzt. Die berühmte Reiseführer-Reihe „Lonely Planet“ wählte die Heimat der Berggorillas schon 2009 zu einer der zehn besten Reiseländer der Welt.
"Land der tausend Hügel"
Für Natur- und Aktivtouristen ist das „Land der tausend Hügel“ ohnehin ein Traum. Obwohl kleiner als Nordrhein-Westfalen, besitzt Ruanda drei spektakuläre Nationalparks: Den Vulcanoes National Park, in dem die Gorillas leben, den Akagera Nationalpark in der östlichen Ebene mit Antilopen, Elefanten und Zebras leben sowie den Nyungwe Forest Nationalpark. Er ist mit rund 1000 Quadratkilometern der größte zusammenhängende Bergwald Ost- und Zentralafrikas.
Inmitten von Teeplantagen, nur einen Fußweg vom Regenwald entfernt, liegt dort die neu eröffnete Nyungwe Forest Lodge mit Solarzellen auf den Dächern, Regenauffangtechnik und eigener Kläranlage. Direkt bei der Lodge beginnt der Waldpfad zum Kamiranzovu-Wasserfall. Während der Wanderung durch das verschlungene Grün erläutert Guide Claude die Blumen, Lianen und Bäume. 13 Affenarten leben im Wald, 275 Vogel-, 240 Baum- und 140 Orchideenarten, Leoparden, Serval-Raubkatzen, Chamäleons, Waldantilopen und riesige Schmetterlinge.
Der Lonely Planet preist Ruanda als Top-Reiseland
Ein echter Höhepunkt ist hier alternativ zu Gorilla-Touren das Schimpansen-Tracking. Weil die Tiere aber viel scheuer als Gorillas sind, muss man ihnen durch das unwegsame Gelände geradezu hinterherrennen.
Aber schon die Waldwanderung allein ist ein Erlebnis: Die Rufe der Grauwangenmangaben schallen durch das feuchte Grün, Nashornvögel, riesige Blumen, seltene Vollbartmeerkatzen und prächtige Turakos schmücken den Wald. Man fühlt sich wie ein Abenteurer, ein Entdecker.
Die neueste Touristen-Attraktion des Nyungwe-Nationalparks ist nur für Schwindelfreie: Ein Panoramaweg in den Wipfeln der Baumriesen. Schwingende Brücken hängen an Seilen in bis zu 50 Meter Höhe. Der Blick ist atemberaubend. Für einen kurzen Augenblick kann man sich fast selbst wie ein Affe hier oben fühlen. Ein bisschen Gorilla spielen.
Deren Zahl ist in Ruanda nach Angaben der Naturschutzorganisation World Wildlife Fund (WWF) in den letzten zwölf Jahren übrigens um 14 Prozent gestiegen. 100 mehr als vor sieben Jahren.