ITB-Buchpreis für Michael Martin. Genau genommen wird aber auch sein Lebenswerk ausgezeichnet
Michael Martin unternahm 80 Reisen in die Wüsten Afrikas und veröffentlichte dazu 15 Bildbände. Das Reise Journal sprach mit dem Fotografen über „30 Jahre Abenteuer” und das, was man unterwegs über sich selbst lernt.
Sie erhalten auf der ITB den Buchpreis. Für Ihr neues Werk oder Ihr Lebenswerk?
Martin: (lacht) Lebenswerk ist etwas früh nach 30 Jahren. Aber wer mit 16 Jahren anfängt zu reisen, kann eben mit Mitte Vierzig sein 30. Jubiläum feiern. Aber ich denke, dass das Buch von den Bildern und der Konzeption her überzeugt.
Ordnen Sie sich bitte mal selbst für uns ein: Reisender, Abenteurer oder Spinner?
Martin: Die ersten beiden Sachen würde ich unterschreiben, das Dritte nicht. Weil ich ein total nüchterner, rational kalkulierender Mensch bin. Ich habe immer einen Plan von dem, was ich mache. Und was bei Ihrer Aufzählung natürlich fehlt, ist der Fotograf.
Aber man muss schon ein bisschen verrückt sein, um mit 17 Jahren mit dem Mofa nach Marokko zu fahren.
Martin: Man muss vor allem begeistert sein! Rückblickend war das der Beginn meiner Liebe und Leidenschaft für Afrika.
Damals war vieles anders.
Martin: Ja (lacht). Angefangen bei der Musik bis zu den Fahrzeugen. Es gab kein GPS, keine modernen Kommunikationsmöglichkeiten. Ich habe im Postamt in Algerien 17 Stunden auf eine Telefonverbindung nach Hause warten müssen. Es war in vielerlei Hinsicht schwieriger damals. Aber auf der anderen Seite war es sicherer. Terrorismus und Kidnapping, das gab es so nicht.
Wo läuft die Grenze zwischen Reise und Abenteuer?
Martin: Das springt hin und her. Ich würde sagen, dass Ganze ist die Reise. Und die kann schnell auch abenteuerlich werden. Die Umstände genau genommen, egal ob in Afghanistan oder Mauretanien.
In Ihren Büchern nehmen Sie den Leser mit an Orte, die man selbst nie besuchen würde. Ihre Lebensaufgabe?
Martin: Ich finde es schön, wenn ich eine Lobby schaffen kann, für die Wüsten und die Menschen dort. Wüsten werden leider oft als Abstellgelände für alte Flugzeuge, als Endlager oder Ölförderstätten angesehen. Man begreift sie nicht als schützenswerten Raum wie Regenwälder und Meere.
Die meisten würde man fragen, welche drei Dinge mit auf eine Insel müssen. Bei Ihnen ändern wir das ab: Was muss mit in die Wüste?
Martin: Meine Kamera, ein fahrbarer Untersatz, Wasser.
Mit welchen Problemen hat man auf Touren wie den Ihren zu kämpfen?
Martin: Das hat sich sehr verändert. Vor 20, 30 Jahren war das vor allem die Navigation. Heute liegen die Probleme ganz klar im Sicherheitsbereich. Wüsten sind Gebiete, die schwer zu kontrollieren sind. Banditentum hat dazu oft eine politische Komponente, egal ob in Asien oder Afrika.
Also gibt es Touren, die Sie nicht mehr machen würden.
Martin: Die man nicht mehr machen kann. Wenn Sie zum Beispiel ins Tibesti-Gebirge im Tschad fahren, garantiere ich Ihnen, dass wir Sie nicht mehr wiedersehen. Auch im Iran, im Grenzgebiet zu Afghanistan, wo der ganze Drogenhandel läuft, gib es üble Ecken.
Also geht die Gefahr paradoxerweise von den Menschen aus, denen Sie in Ihrem Buch eine Lobby geben?
Martin: So kann man das natürlich nicht sagen. Man muss differenzieren. Die normalen Menschen in der Wüste sind die friedlichsten überhaupt. Die anderen sind Extremisten und Fundamentalisten. Man kann nicht von ein paar wenigen auf die ganze Bevölkerung schließen. Die leidet unter diesen Banditen ja genauso.
Man sagt ja, dass Reisen bildet. Was haben Sie aus der Ferne mitgebracht?
Martin: Das Wissen um andere Lebenskonzepte. Was wir in Europa leben, ist ein sehr schmaler Blick auf die Dinge. Man lernt auf Reisen, dass Glück nicht von materiellen Dingen abhängen muss. Ich habe erleben dürfen, dass Werte wie Familie, Gastfreundschaft und Treue in ärmeren Gesellschaften eine größere Rolle spielen als bei uns. Ich weiß aber auch eine warme Dusche, Rechtstaatlichkeit und eine püntliche U-Bahn zu schätzen. Man lernt unterwegs viel über sich selbst.
2005 hielten Sie einen Vortrag auf der Weltklima-Konferenz. Was war Ihr Thema?
Martin: Die Verwüstung von bestimmten Gebieten in Afrika durch Übernutzung. Wir reden hier über Nomaden mit zu großen Vieherden, das Bevölkerungswachstum in der Sahelzone und den Temperaturanstieg. Wenn wir bei uns über Klimawandel reden, dann dass wir im Sommer zu wenig Wasser zum Autowaschen haben, oder in den Mittelgebirgen bald nicht mehr Skifahren können. In Afrika dagegen wird das langsam existenziell.
Kann Tourismus da nicht vielleicht sogar helfen?
Martin: Nein. Vom Tourismus profitieren in der Dritten Welt nur sehr wenige Leute. Da sickert kaum etwas durch. Und vom Umweltgedanken her wäre es natürlich sowieso das Beste, wir blieben alle zuhause. Aber das ist die alte Diskussion. Ich bin nicht gegen Tourismus. Ich profitiere ja selbst davon. Aber den Tourismus als eine Art Entwicklungshilfe zu verkaufen, das ist zynisch.
Geben Sie uns ein paar Tipps, wie man auch als „Normalo” spannend reisen kann.
Michael Martin
„30 Jahre Abenteuer”, Bildband, 288 Seiten, ISBN:978-3-89405-702-2, 29,90 Euro, Frederking & Thaler
Martin: Das A und O ist die Lust am Reisen. Neugierig bleiben! Sich vorab gut informieren ist wichtig. Denn nur was man kennt, sieht man auch. Wer viel erleben will, sollte maximal zu zweit reisen, größere Gruppen beschäftigen sich mehr mit sich selbst, als mit dem, was um Sie herum passiert. Und man muss bereit sein manches Bild zu korregieren, dass man vorher hatte.