Die Geschichte des Jazz am Kap der guten Hoffnung ist auch die Geschichte des Robbie Jansen

Freitagabends, irgendwo in Gugulethu. Swing und Soul liegen in der Luft. Touristen sind in dem Kapstädter Township auf Jazz-Safari unterwegs. Diese ermöglichen Besuchern, Musiker kennen zu lernen. Robbie Jansen ist einer. Beim Abendessen in seinem Wohnzimmer gibt der bekannteste Saxophon-Virtuose des Landes eine packende Einführung in den Kap-Jazz. „Ich war Ende der 1960-er Jahre überall dabei, habe die Jazz-Clubs eröffnet. Trotz der Verbote spielten wir in weißen Lokalen und wurden vor Polizeirazzien gewarnt”, grinst der 59-Jährige.

Es klingt so harmlos, als hätten ein paar Jungs mit dem Apartheidsregime Verstecken gespielt. Dabei kann Jansen nicht mehr zählen, wie oft er damals für seine Musik verhaftet wurde. „Jazz war während der Apartheid Teil des Kampfes, das war Revolution”, so der Saxofonist. Mit den Passgesetzen, die die Bewegungsfreiheit Farbiger und Schwarzer in den Städten stark einschränkte, vertrieb die Regierung auch die schwarzen Musiker von der Bühne. Musik von Miriam Makeba und Jazzgröße Abdullah Ibrahim, die zum Anti-Apartheids-kampf aufriefen, war verboten. Wurden deren Schallplatten gefunden, konnte das Gefängnis bedeuten. Jazz war nicht prinzipiell untersagt, aber er führte die Menschen über die Rassengrenzen hinweg zusammen.

Und das wollte die Apartheidsregierung vermeiden. Die Botschaft: Keine sozialkritischen Texte – oder spielt woanders. Viele Musiker gingen ins Exil, vorwiegend in die USA. Robbie Jansen blieb. Er schlug sich durch und spielte Elvis Presley und Cliff Richards in versteckten Winkeln.

Früh hatte er sich Gitarrespielen beigebracht. Nach Kapstadt, dem New Orleans Afrikas, kam schon in den 1920-er Jahren jene Musik zurück, die einst aus Afrika ausgebrochen war. Der Penny Whistle-Jive, auch Kwela genannt, ist ein Teil der südafrikanischen Jazzmusik, die damals in den Townships entstand. Und die Penny Whistle-Bands imitierten auf ihren Blechflöten die Bläsersätze der Big Bands. Swing, Rhythm and Blues, Jump & Jive beherrschten ebenso die Clubs in Johannesburg und Kapstadt wie der Kwela oder der Phata-Phata-Tanz die Körper in Bewegung setzten.

Das war Jansens Beat. In den 1960-er Jahren trat er im „Cinema” im Vorort District Six auf. Das war ein Multikulti-Viertel, bewohnt von Menschen jeder Couleur, mit viel Toleranz gegenüber Andersdenkenden. Dort entwickelte sich der typische Kapstädter Jazz – mit sanftem, mildem Klang. Dass das District Six auch eine Schattenseite hatte und dort teils slumähnliche Verhältnisse und Gangsterbosse herrschten, wird heute gerne verschwiegen. Dem Regime war so viel Freigeist ein Dorn im Auge. Es beschloss unter dem Group Area Act die Räumung des Viertels – und machte es zu einem „weißen Gebiet”. 1966 rückten die Bulldozer an, mehr als 60 000 Menschen wurden zwangsweise umgesiedelt, Familien zerrissen, Existenzen zerstört.

Als Jansen mit seiner Band „Rockets” eine Europareise gewann, hatten die „Blue Notes”, Südafrikas erste gemischtrassige Band, gerade ihre erste Platte in London aufgenommen. „Wir waren wild und jung, hatten mit Apartheid nichts am Hut, wir drehten uns nur um Musik”, schwelgt Jansen. Dabei lernte er zwar eine andere Welt kennen: „Weihnachten 1968 in Paris im Schnee haben wir Rotwein gekauft, was in Südafrika für Schwarze verboten war. Herrlich!” Doch für ihn war es unvorstellbar, seine Heimat zu verlassen. Er schaffte sich mit seiner Musik eine eigene Welt. Jazz als Seelentröster. „Robbie fütterte die Seelen mit seiner Musik”, meint seine Frau Marcel und bittet zu Tisch. Es gibt kapmalaisches Essen, scharfes Curry-Huhn, Rosmarin-Kartoffeln, Reis, Butternut und Malvapudding. „Ohne Musik gibt es kein Leben. Musik ist die Essenz.”

Durch den politischen Wandel 1994 am Kap hat sich Jansens Leben komplett gedreht. Mittlerweile gibt es wieder eine recht lebhafte Jazzszene, auch wenn das legendäre „Café Mannenberg” vor einigen Jahren Konkurs anmeldete. Sonntags ab 11 Uhr trifft man sich in den „Winchester Mansions” zum Jazz-Brunch und das „Green Dolphin” an der Waterfront gilt als bestes Jazzlokal der Stadt – jeden Abend gibt es dort Live-Musik. In und um Kapstadt ist Jazz nach wie vor ein Lebensgefühl.

Kap der guten Hoffnung

Anreise: KLM

01805/25 47 50

www.klm.com

fliegt ab Düsseldorf über Amsterdam, British Airways

01805/26 65 22

www.ba.com

ab Düsseldorf über London nach Kapstadt.

Besonderheiten: Kapstadt Jazz Safari, 40 € pro Person,

www.coffeebeansroutes.com

0027/(0)2 14 24 35 72

Kontakt: South Africa Tourism

069/9 29 12 90

www.dein-suedafrika.de

Viele Musiker sind aus dem Exil zurückgekehrt, auch Abdullah Ibrahim. Der berühmte Jazzvirtuose gründete die Akademie M7 für junge Musiker, natürlich mit dem Schwerpunkt Jazz, und initiierte 2006 die CapeTown Jazz Band, mit der er regelmäßig in der Stadthalle oder im Baxton Theater auftritt.

Mit Ibrahim nahm Jansen in den 1970-ern „Mannenberg” auf, die einst inoffizielle Hymne der Befreiungsbewegung. Bei einem großen Jazzfestival im Jahr 2000 in Kapstadt sang Jansen schließlich diesen Song vor einem Publikum aller Hautfarben. Die einstigen starken Verfechter der Apartheid hatten nun mit den Strophen kein Problem mehr. „Das war verspätete Gerechtigkeit”, meint er. Er war angekommen. In einem neuen Staat mit mehr Toleranz.