Düsseldorf. Das einzige TV-Aufeinandertreffen der Spitzenkandidaten zur NRW-Landtagswahl blieb ziemlich vorhersehbar. Eine Blitzanalyse.
Die „Wahlarena“ im WDR-Fernsehen ist seit vielen Jahren ein Klassiker der Landtagswahl-Berichterstattung und diesmal das wichtigste Aufeinandertreffen aller Spitzenkandidaten zwölf Tage vor dem Urnengang. Wie der Fünfkampf am Dienstagabend gelaufen ist – eine Blitzanalyse.
Die Ausgangslage:
Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), Herausforderer Thomas Kutschaty (SPD), Mona Neubaur (Grüne), Joachim Stamp (FDP) und Markus Wagner (AfD) - die Frontleute der im Landtag vertretenen Parteien wurden 90 Minuten live vor laufenden Kameras quer durch bundes- und landespolitische Themen befragt. Im WDR-Studio in Köln-Bocklemünd saßen 240 Zuschauer. Die Moderation lag bei Chefredakteurin Ellen Ehni, die auch schon 2017 durch die Wahlarena führte, und dem landespolitischen Experten Hendrik Hübschen.
Die Rollenverteilung:
Wüst gab sich präsidial, lächelte ausdauernd und assistierte bisweilen den Moderatoren: „Wir müssen den Menschen wieder Gelegenheit geben, Sachunterschiede wahrzunehmen.“ Stamp war der engagierte Prellbock gegen AfD-Wagner („Er macht jetzt den Wolf im Schafspelz, ich habe mir das jetzt fünf Jahre lang angehört“). Neubaur sprudelte. Kutschaty wählte die kontrollierte Offensive.
Die Streitthemen:
Allein geschlagene 30 Minuten wurden der Energiepolitik gewidmet, die eigentlich vor allem in Bundeszuständigkeit fällt. Danach ging es um Ukraine-Flüchtlinge, Verkehrspolitik, Wohnen und Bauen, Innere Sicherheit, Corona, Schule. Nachrichtenwert: überschaubar. Wirklich gekämpft wurde in der „Wahl-Arena“ nur selten. Es blieb weitgehend beim Austausch bekannter Positionen aus den Wahlprogrammen. Koalitionsoptionen kamen übrigens gar nicht zur Sprache.
Hitzigster Moment:
Die Warnung von Wagner vor „Trittbrettfahrern“ unter den Ukraine-Flüchtlingen brachte Stamp und Kutschaty in Rage. „Bei den schrecklichen Bildern aus der Ukraine fällt mir nicht zuerst ,Trittbrettfahrer‘ ein“, sagte der SPD-Spitzenkandidat. Er stelle es sich „grausam“ vor, Wagner als Kontrolleur an der Grenze zu erleben. Stamp bezeichnete illegale Zuwanderung aus der Ukraine als „völliges Randphänomen“. Die Menschen, die vor dem Krieg nach NRW flüchten, seien „von bewundernswerter Tapferkeit“.
Beste Sprüche:
Der beste Spruch war eine Frage der Moderatorin: „Wieviel ist von Ihrem Lenkrad noch übrig?“, fragte Ehni den Ministerpräsidenten, der vor wenigen Monaten noch NRW-Verkehrsminister war. Hintergrund: Die CDU hatte im Wahlkampf 2017 plakatiert: „Wozu noch Frühstück? Ich beiße bei jedem Stau ins Lenkrad.“ Außerdem: Kutschaty konterte Wüsts Behauptung, NRW sei beim Ausbau der Windkraft ganz vorne, so: „Wenn man sich nur mit Bayern vergleicht bei der Windkraft, ist man immer vorne.“
Peinlichster Moment:
Die Regie sah vor, dass die Kandidaten immer wieder auf Fragen nur pantomimisch antworten sollten. Daumen hoch oder Daumen runter. Das führte zu unfreiwilliger Komik und einiger Konfusion, weil es in der Politik selten nur Ja- oder Nein-Antworten gibt. „Kann man auch so machen?“, fragten die Kandidaten und zuckten ratlos die Schultern.
Die Allianzen:
Wüst gab sich als Grünen-Versteher, schließlich will er nach dem 15. Mai wohl eine schwarz-grüne Koalition anführen. Zum Windradausbau sagte er etwa staatsmännisch: „Ich habe darüber auch schon mit Herrn Habeck gesprochen.“ Allerdings fing sich der Ministerpräsident einen schönen Konter ausgerechnet von Neubaur. Er zu ihrem Credo „Sanierung vor Neubau“ in der Verkehrspolitik: „Das klingt ja unglaublich vernünftig.“ Sie: „Ist es auch, Danke.“ Ansonsten zogen eher SPD und Grüne an einem Strang. Stamp mühte sich um Sichtbarkeit der FDP in der schwarz-gelben Landesregierung. Wagner war erwartungsgemäß isoliert.
Die Gewinner:
Wirklich nutzen konnte das Format wohl keiner für sich. Wüst wollte landesväterlich rüberkommen, Neubaur innovationsfreudig und Kutschaty als Herausforderer, mit dem nicht alles anders, aber manches besser werden soll. Stamp redete ziemlich viel - Wagner nach eigenem Empfinden zu wenig. Im Durcheinander der Wortbeiträge gewann aber keiner so richtig.
Die Sprache:
Die Kandidaten drifteten über weite Strecken in Politikersprache ab. Unzählige Male wurde von „Priorisierung“ gesprochen, ebenso oft von „Infrastruktur“, einmal sogar von der „Gebietskulisse“. Wer so redet, der muss sich nicht wundern, wenn ihn keiner versteht.“ Zum Teil folgten auf die Bitte der Moderatoren, ein oder zwei Beispiele zu nennen, minutenlange Monologe.
Die Fortsetzung:
Am kommenden Donnerstag treffen sich Wüst und Kutschaty noch einmal zum einzigen TV-Duell der Ministerpräsidenten-Kandidaten, bei dem einiges vertieft werden soll. Die Auswirkung solcher Format auf die Wahlentscheidung der Bürger ist ungewiss.
Weitere Texte zur Landtagswahl in NRW lesen Sie hier:
- Landtagswahl 2022 in NRW: Das sind die 195 Abgeordneten für NRW
- 55,5 Prozent: Warum die Wahlbeteiligung in NRW historisch niedrig war
- Sozialdemokraten: Im Ruhrgebiet bleibt die SPD trotz Verlusten stärkste Kraft
- Koalition: So schleicht sich NRW jetzt in Richtung Schwarz-Grün
- Südwestfalen: Welche Politiker haben das Zeug zum Minister?
- Landtagswahl 2022 in NRW: Zur Themenseite mit allen Texten
Landtagswahl in Arnsberg und Sundern Landtagswahl in Bad Berleburg, Bad Laasphe und Erndtebrück Landtagswahl in Bochum Landtagswahl in Bottrop Landtagswahl in Brilon, Winterberg und im Altkreis Landtagswahl in Dinslaken Landtagswahl in Duisburg Landtagswahl in Düsseldorf Landtagswahl in Emmerich, Kleve und Rees Landtagswahl in Essen Landtagswahl in Geldern, Issum, Kalkar, Kerken, Kevelaer, Rheurdt, Straelen, Uedem, Wachtendonk, Weeze Landtagswahl in Gelsenkirchen Landtagswahl in Gladbeck Landtagswahl in Hagen Landtagswahl in Hattingen Landtagswahl in Hemer Landtagswahl in Herne Landtagswahl in Iserlohn und Hemer Landtagswahl im Kreis Olpe Landtagswahl in Menden und Balve Landtagswahl in Meschede, Bestwig, Eslohe und Schmallenberg Landtagswahl in Moers und Neukirchen-Vluyn Landtagswahl in Alpen, Kamp-Lintfort, Rheinberg, Sonsbeck, Xanten und Voerde Landtagswahl in Mülheim an der Ruhr Landtagswahl in Oberhausen Landtagswahl in Schwelm, Ennepetal und Gevelsberg Landtagswahl in Siegen und im Siegerland Landtagswahl in Sprockhövel Landtagswahl in Velbert Landtagswahl in Wesel, Hamminkeln, Schermbeck und Hünxe Landtagswahl in Wetter und Herdecke Landtagswahl in Witten