Düsseldorf. Ein ausländischer Geheimdienst warnt NRW vor einem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Leverkusen. Können deutsche Behörden das nicht?
-- Die Hilfe von ausländischen Nachrichtendiensten scheint unverzichtbar, um Terroristen in Deutschland auf die Spur zu kommen.
-- Für NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) ist das kein Problem: "Hauptsache, es klappt."
-- Die Polizeigewerkschaft GdP meint aber, Datenschutz und der Schutz der Bevölkerung vor Terror müssten in NRW und in Deutschland neu ausbalanciert werden.
Erneut brachte erst ein fremder Geheimdienst die deutschen Sicherheitsbehörden auf die Spur: „Aus dem Ausland“ habe man einen Hinweis auf Anschlagspläne einer Person aus NRW erhalten, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Mittwoch nach der Festnahme eines 15-Jährigen, der geplant haben soll, auf dem Leverkusener Weihnachtsmarkt Menschen zu töten. Nun werden diese Fragen laut: Warum ist die Polizei in Bund und Ländern auf Hilfe von außen angewiesen? Können wir terroristische Gefahren nicht selbst abwehren?
Terrorismus: Wiederholt kamen entscheidende Hinweise aus dem Ausland
Es ist nicht das erste Mal, dass der Tipp aus dem Ausland kommt. Am 30. Dezember 2022 informiert ein „ausländischer Nachrichtendienst“ -- es war wohl das FBI -- das Bundeskriminalamt (BKA) darüber, dass ein deutscher Nutzer des Messenger-Dienstes Telegram einen Anschlag am Silvesterabend plane. Am 6. Januar 2023 bekommen die deutschen Behörden in einem zweiten Schritt eine IP-Adresse, die zu einem Verdächtigen in Castrop-Rauxel führt.
In Duisburg wird im Oktober 2023 Haftbefehl gegen einen vorbestraften Islamisten erlassen. Der 29-Jährige soll gegenüber einem Chatpartner in Syrien erklärt haben, er sei bereit, einen Anschlag auf eine pro-israelische Demonstration durchzuführen. Auch hier kann der Hinweis, dass von dem Mann konkrete Gefahren ausgehen sollen, von einem ausländischen Geheimdienst, und zwar aus Marokko.
Islamistischer Terror: Ist es egal, woher der Tipp kommt?
Im Fall des 15-jährigen Deutsch-Afghanen, der einen Anschlag in Leverkusen geplant haben soll, gab es wieder einen Tipp aus dem Ausland. Für NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) ist das kein Problem, sondern ein Grund, zufrieden zu sein. „Es ist gut, dass die uns diese Informationen liefern. Warum reden wir so negativ darüber und sagen, dass wir es nicht selbst herauskriegen? Das ist eigentlich egal“, sagte Reul. Die Terrorbekämpfung bleibe eine „große Kraftanstrengung“ für Sicherheitsbehörden in NRW, in Deutschland und weltweit. Er sei froh, dass die Zusammenarbeit so gut klappe, versichert der Minister.
Hinter vorgehaltener Hand ist aber aus der Landespolitik und von Sicherheitsexperten zu hören, dass dieses Angewiesensein auf fremde Hilfe doch etwas peinlich sei. Technisch wäre es auch hierzulande möglich, verschlüsselte Dienste nach potenziellen Terroristen zu durchstöbern. Doch man darf es nicht.
Polizeigewerkschaft GdP in NRW fordert: Terror-Gefahrenabwehr stärken
Michael Mertens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), erinnert an die strengen Vorschriften in Deutschland: „Jede demokratische Gesellschaft wägt ab zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung beziehungsweise Datenschutz auf der einen und dem Anspruch, in Sicherheit zu leben, auf der anderen Seite. Deutschland hängt den Datenschutz im internationalen Vergleich auffällig hoch“, sagte er dieser Redaktion.
Terrorismus sei aber international, und daher müsse die Möglichkeit, terroristische Gefahren abzuwehren, international zwischen den demokratischen Nationen auf einen Stand gebracht werden, findet Mertens. Dies würde aber bedeuten, Deutschland müsse Abstriche beim Recht auf informationelle Selbstbestimmung akzeptieren. Der Lohn dafür: „Eine bessere Gefahrenabwehr“. Die Anschlagspläne auf den Weihnachtsmarkt in Leverkusen zeigten jedenfalls, dass die Terrorgefahr in NRW weiter sehr real sei. „Die Sicherheitsbehörden sollten daher hierzulande die technischen Möglichkeiten, die es längst gibt, besser anwenden dürfen, um Terroristen zu finden, bevor etwas geschieht“, rät Mertens.
Terrorgefahr: So streng sind die Regeln für die Polizei in NRW
In NRW kann die Polizei zwar laut dem Polizeigesetz auf verschlüsselte Whatsapp – oder andere Messenger-Dienste zugreifen, allerdings nur mit richterlicher Anordnung. Laut dem NRW-Innenministerium darf die Polizei Whatsapp- und andere verschlüsselte Nachrichten nur mitlesen, wenn konkret eine große Gefahr droht, zum Beispiel Lebensgefahr. Die Hürden für diese sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) liegen also hoch. Und für das Auslesen muss ein „Staatstrojaner“ in NRW die strengen Anforderungen des BKA erfüllen. Ein „Staatstrojaner“ ist eine Software, die sich heimlich im Gerät einnistet und Daten weitergibt.
Die Bundesebene sortiert noch die Folgen eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH). Der kippte 2022 die deutsche Vorratsdatenspeicherung. Ohne Anlass dürften die Kommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger nicht gespeichert werden, so die Richter. Sie erlaubten aber eine Datenspeicherung, wenn es um eine „Bedrohung für die nationale Sicherheit“ gehe. Die Antwort auf die Frage, was erlaubt ist und was nicht, ist also kompliziert. Innenminister Reul meint, das Urteil verbessere die Chancen im Kampf gegen Terroristen und gegen Kindesmissbrauch. Der Bund müsse die Chancen nun auch nutzen.
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU und Grünen in NRW schimmert eine vorsichtige Haltung durch, hinein verhandelt wohl durch die Grünen: Die Folgen und Risiken von Datenverknüpfungen würden „fortlaufend mit Blick auf Verhältnismäßigkeit und Grundrechtseingriffe“ überprüft.
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