Leverkusen/Düsseldorf. Der Terrorverdacht gegen zwei IS-Sympathisanten (15 und 16) hat sich erhärtet. Sie sollen einen Anschlag in Leverkusen geplant haben.

Nach der Festnahme von zwei unter Terrorverdacht stehenden Jugendlichen in NRW und Brandenburg verdichteten sich am Donnerstag die Hinweise, dass der Weihnachtsmarkt in Leverkusen womöglich nur knapp einem tödlichen Anschlag entgangen ist. Wie diese Redaktion aus Sicherheitskreisen erfuhr, planten sie den Terrorakt für den 1. Dezember.

>>> Auslandshilfe: Darum findet NRW Terroristen nicht selbst

Der bei einer Durchsuchung in Burscheid bei Leverkusen festgenommene 15-jährige Deutsch-Afghane und der 16-jährige russische Staatsbürger aus Brandenburg sollen vereinbart haben, „mittels einer durch Brennstoffe erzeugten Explosion eines Kleinlasters Anfang Dezember Besucher eines Weihnachtsmarktes in Leverkusen zu töten“, teilte die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf mit.

Anschlagspläne auf Leverkusener Weihnachtsmarkt: „sehr konkretes Gedankenmodell“ zur Tatplanung

Der 15-Jährige will sich bereits Benzin beschafft haben, erklärte Oberstaatsanwalt Holger Heming. Bei Durchsuchungen sei aber kein Benzin gefunden worden, und es gibt laut der Staatsanwaltschaft auch keine Erkenntnisse, dass sich die Jugendlichen einen Kleinlaster beschafft hatten. Es habe allerdings ein „sehr konkretes Gedankenmodell“ zur Tatplanung gegeben. Die Verdächtigen sympathisierten mit der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS).

>>>Terrorverdacht in Duisburg: So überwacht NRW seine Gefährder

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) warnte angesichts der Festnahmen und des Gaza-Kriegs vor möglichen Anschlägen. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte am Mittwoch nach der Festnahme des 15-Jährigen von einer „abstrakt hohen“ Gefahr durch islamistische Terroristen gesprochen. „Die kann leider jederzeit konkret werden. Deshalb müssen wir die Augen offenhalten, auch, was unsere Weihnachtsmärkte angeht.“ Gleichwohl müsse „niemand Angst haben, auf einen Weihnachtsmarkt zu gehen“, sagte Reul: „Unsere Sicherheitsbehörden sind wachsam.“ Absolute Sicherheit aber „kann es nicht geben“.

Terrorgefahr in Deutschland laut Sicherheitsbehörden so hoch wie lange nicht mehr

Auch nach aktueller Einschätzung der deutschen Sicherheitsbehörden ist die Terrorgefahr in Deutschland so hoch wie lange nicht mehr. Infolge des Terrorangriffs der Hamas auf Israel und der Gegenreaktion des israelischen Militärs auf Ziele im Gazastreifen befinden sich verschiedene Extremistengruppen in Aufruhr. Angestachelt wird die Stimmung durch Hass, Propaganda und Falschnachrichten in sozialen Medien. Antiisraelischer Hass und Judenfeindlichkeit wird zudem auf deutsche Straßen getragen.

Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, äußerte sich am Mittwoch extrem besorgt. „Wir beobachten bereits seit längerem den erklärten Willen von Islamisten, Anschläge im Westen zu verüben, und ich habe immer wieder betont, dass jeden Tag auch in Deutschland ein islamistischer Anschlag verübt werden kann“, sagte Haldenwang. „Doch nun zeichnet sich eine neue Qualität ab.“

Kein Erlass für NRW-Städte, Sicherheitsmaßnahmen auf Weihnachtsmärkten zu stärken

Einen Erlass an die NRW-Städte, die Sicherheitsmaßnahmen auf Weihnachtsmärkten zu verstärken, gebe es nicht, sagte ein Sprecher des Ministeriums dieser Redaktion. Seit dem Anschlag im Dezember 2016 auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz mit 13 Todesopfern seien die Polizei und die Kommunen für solche Gefahren sensibilisiert.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) äußerte sich am Dienstag zu einem vereitelten Terroranschlag. (Archivbild)
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) äußerte sich am Dienstag zu einem vereitelten Terroranschlag. (Archivbild) © DPA Images | Thomas Banneyer

Die Stadt Dortmund verweist auf ihr 2017 eingeführtes Sicherheitskonzept für den dortigen Weihnachtsmarkt, das sich bewährt habe. Kölns Kripochef Michael Esser sagte: „Wir sind sehr wachsam, stehen im ständigen Austausch mit den Sicherheitsbehörden und tun alles, um die Bevölkerung zu schützen.“ Die Polizei in Essen sagte, sie beobachte „tagtäglich“ die Lage und passe den Schutz von Weihnachtsmärkten entsprechend an.

>>> Hinweis für Terrorpläne kam von ausländischem Nachrichtendienst

Weil der Hinweis auf die Terrorpläne aus dem Ausland kam, fordert der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW, Michael Mertens, die Regeln für eine Überwachung von Messenger-Diensten in Deutschland und in NRW zu überprüfen. Der 15-Jährige war einem ausländischen Nachrichtendienst aufgefallen, weil er in einem Telegram-Kanal über Anschlagsszenarien gechattet hatte. Als Ort und Zeit genannt worden seien, hätte die Polizei „sehr schnell“ zugegriffen und den Jugendlichen gefasst, sagte Innenminister Reul. Er bekräftige auf Nachfrage: „Es wirkte sehr konkret“.

>>>Terror: Warum NRW so abhängig ist von Tipps aus dem Ausland

Reul hatte auf einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz die „gute Zusammenarbeiten deutscher und ausländischer Behörden“ gelobt. Man dürfe „es nicht immer so negativ betrachten, dass wir an diese Leute (gemeint sind Terror-Verdächtige; Red.) selbst nicht herankommen.“ Während der Brandenburger den Behörden als „relevante Person“ im islamistischen Spektrum bekannt war, vollzog sich die Radikalisierung des Burscheiders bislang im Verborgenen oder zumindest unterhalb des Radars von Polizei und Verfassungsschutz in NRW. Der Jugendliche sei zuvor „polizeilich nicht auffällig“ gewesen, sagte der Innenminister. Man hätte ihn aber beim Verfolgen des Chat-Verlaufs rasch identifizieren können.

Anschlagspläne zeigten: Terrorgefahr sei auch in NRW „weiter sehr real“

„Die Anschlagspläne zeigen, dass die Terrorgefahr auch in NRW weiter sehr real ist. Die Sicherheitsbehörden sollten daher die technischen Möglichkeiten, die es längst gibt, besser anwenden dürfen, um Terroristen zu finden, bevor etwas geschieht“, sagte NRW-Polizei-Gewerkschaftschef Mertens der WAZ. (mit dpa)