Duisburg/Düsseldorf/Essen. Tarik S. soll einen Anschlag auf eine Pro-Israel-Demo geplant – und sich dazu vorher gegenüber einem Chatpartner in Syrien bereiterklärt haben.
- Ein SEK hat in Duisburg den Islamisten Tarik S. festgenommen. Er soll einen Anschlag auf eine Pro-Israel-Demo geplant haben.
- Der 29-Jährige ist 2017 wegen IS-Mitgliedschaft zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Lesen Sie auch: Wie Tarik S. zum Gesicht des Dschihad wurde
- Am Abend und in der Nacht haben Ermittler die Wohnung des Tatverdächtigen in einem Mehrfamilienhaus durchsucht. Lesen Sie auch: So lebt IS-Kämpfer Tarik S. (29) in Duisburg
- Das Amtsgericht Duisburg hat Haftbefehl gegen Tarik S. erlassen. Er soll sich gegenüber einem Chatpartner in Syrien zur Begehung des Anschlags auf eine Pro-Israel-Demo bereiterklärt haben.
- Das Innenministerium sieht „keine erhöhte, konkrete Gefährdung“ in Deutschland.
Ein Spezialeinsatzkommando der Essener Polizei hat am Dienstag einen vorbestraften Islamisten aus Duisburg wegen eines möglichen Anschlags auf eine pro-israelische Demonstration vorläufig festgenommen. Nach Informationen unserer Redaktion aus Sicherheitskreisen hatte es zuvor Hinweise eines ausländischen Geheimdienstes gegeben, die darauf hindeuteten, dass der 29-jährige Gefährder Tarik S. mit einem Lkw in eine Menschenmenge fahren könnte.
Haftbefehl erlassen: Tarik S. (29) soll sich in Chat zu Anschlag bereit erklärt haben
Das Amtsgericht Duisburg hat gegen Tarik S. Haftbefehl erlassen. Das teilte die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf am Mittwoch, 25. Oktober, mit. Die Zentralstelle Terrorismusverfolgung NRW hat die Ermittlungen übernommen. Ermittelt wird den Angaben zufolge wegen des Verdachts der Verabredung zu einem Verbrechen, nämlich Mord und Totschlag. Der 29-Jährige soll sich gegenüber einem Chatpartner in Syrien zur Begehung eines islamistisch motivierten Anschlags auf eine pro-israelische Demonstration bereiterklärt haben.
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Es fanden sich bis dahin zwar weder Indizien für einen konkreten Tatort noch für eine mögliche Tatzeit. Es war allerdings aufgefallen, dass sich Tarik S. im Netz über dschihadistische Inhalte informierte. Die Sicherheitsbehörden in NRW hielten die Gefahr eines Terroranschlags für so real, dass am Dienstagmorgen die Durchsuchung der Wohnung des Mannes eingeleitet wurde.
Anti-Terror-Einsatz in Duisburg: 50 Polizisten und Spezialkräfte im Einsatz
Der Zugriff durch ein Spezialeinsatzkommando war am Nachmittag des 24. Oktobers um etwa 17.40 Uhr erfolgt. Das bestätigte am Einsatzort im Duisburger Dellviertel Matthias Werk, Sprecher der Polizei Essen. Über 50 Polizisten waren im Einsatz, darunter auch Spezialeinheiten.
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Der Verdächtige hatte sich in einer Wohnung in einem frisch renovierten Mehrfamilienhaus an der Cecilienstraße, Ecke Mercatorstraße aufgehalten. Anwohner hatten übereinstimmend berichtet, sie hätten um etwa 17.40 Uhr „vier laute Schläge“ gehört. Der überwältigte Mann soll durch den Hinterhof abgeführt worden sein. Am Abend und in der Nacht hatten Ermittler dann die Wohnung des Tatverdächtigen durchsucht.
Terrorverdacht: Generalstaatsanwaltschaft ermittelt nach Festnahme von Tarik S.
Wie ernst die Hinweise genommen wurden, zeigt die Tatsache, dass die Ermittler in Essen sofort den kurzen Draht zum Generalbundesanwalt in Karlsruhe und zur Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf suchten. Das Amtsgericht Duisburg hat dann am Mittwoch, 25. Oktober, einen Haftbefehl erlassen.
In dem eingeleiteten Ermittlungsverfahren sei es um den „Verdacht des sich Bereiterklärens zu einem Verbrechen“gegangen, sagte ein Sprecher der Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft der Deutschen Presse-Agentur.
Rechtsanwalt Mutlu Günal sagte der Deutschen Presse-Agentur, er habe mit seinem Mandanten telefoniert: „Er möchte sich derzeit auf mein Anraten schweigend verteidigen und steht für eine Vernehmung nicht zur Verfügung.“ Er gehe außerdem „nicht davon aus, dass dieser Haftbefehl lange Bestand haben wird.“
Tarik S. wurde 2017 wegen IS-Mitgliedschaft zu fünf Jahren Haft verurteilt
Die Generalstaatsanwaltschaft hatte erklärt, dass es sich letztlich um den Verdacht der „Verabredung zum Mord“ handelte. Die Ermittler hatten demnach bereits Erkenntnisse, dass Tarik S. Kontakt zu einer im Ausland ansässigen Person haben könnte. Es habe aber keine Hinweise darauf gegeben, dass diese Verabredung mit einer Person geschehen sei, die sich in Deutschland aufhalte, betonte der Sprecher.
Der heute 29-jährige Tarik S. ist den Behörden kein Unbekannter. 2017 hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf ihn wegen der Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ zu einer Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Strafe ist laut Generalstaatsanwaltschaft vollständig verbüßt. Laut Rechtsanwalt Mutlu Günal soll Tarik S. an einem Aussteigerprogramm teilgenommen haben. Der Erfolg sei ihm damals ausdrücklich bescheinigt worden.
Tarik S. wollte wohl in die Niederlande übersiedeln
Im August 2021 wollte er in die Niederlande übersiedeln. Die niederländischen Behörden holten deshalb Erkundigungen in NRW ein. Zu diesem Zeitpunkt wirkte er gefestigt und schien dem Islamismus abgeschworen zu haben. Das wurde in einem Schreiben der NRW-Behörden an die niederländischen Kollegen so festgehalten, worauf der Anwalt von Tarik S. jetzt verweist. Die Niederländer ließen ihn dennoch nicht rein.
Nach dem Jobverlust im Juni 2023 verfiel er laut Informationen aus Sicherheitskreisen aber wieder in alte Muster, mit dem Höhepunkt einer diffusen Anschlagsplanung auf einer Polizeiwache im September. Seither wurde die ohnehin immer engmaschige Überwachung wieder hochgefahren, so dass jetzt nach dem Hinweis eines ausländischen Geheimdienstes auf das mögliche LKW-Attentat mehrere Erkenntnisse schnell zusammengeführt werden konnten.
Innenminister Reul mahnt Gesetzesänderung auf Bundesebene an
Laut NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) war Tarik S. seit seiner Verurteilung als IS-Mitglied im Blick der Behörden. Reul mahnte am Mittwoch im Landtag auf Bundesebene eine Gesetzesänderung an, damit man nicht immer auf Hinweise ausländischer Geheimdienste angewiesen sei, um eine akute Gefährdung zu erkennen.
Laut NRW-Innenminister war Tarik S. offenbar Einzeltäter. Aus seiner Wohnung beschlagnahmte Datenträger werden nun unter Hochdruck ausgewertet, um den Anfangsverdacht der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf zu erhärten. Bei einer ersten Auswertung der Datenträger seien weitere Anhaltspunkte entdeckt worden.
Bundesinnenministerin Faeser sieht keine Veränderung der Gefährdungslage
Reul sieht keinen Grund zur Panik. Pro-Israel-Demos können man weiterhin besuchen. An der abstrakten Gefährdungslage habe sich nichts geändert.
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sieht keine Veränderung der Gefährdungslage in Deutschland. „Wir haben keine erhöhte, konkrete Gefährdung“, versicherte sie am Mittwoch in Berlin. Gleichzeitig betonte die Ministerin: „Wir beobachten das sehr genau - gerade jetzt in diesen Zeiten.“ Mit Blick auf die Lage im Nahen Osten seien alle Sicherheitsbehörden alarmiert.
Anfangsverdacht für schwere staatsgefährdende Straftat schwer zu erhärten
Zunächst hatte es keinen Haftbefehl gegen Tarik S. gegeben, da der Anfangsverdacht auf Vorbereitung einer staatsgefährdenden Straftat erst noch zu vage war. Das ist bei solchen Lagen aber nicht ungewöhnlich. Denn der Anfangsverdacht für eine schwere staatsgefährdende Straftat oder die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ist nicht so leicht zu erhärten.
Die Polizei Essen hatte die Ermittlungen wegen des Terror-Verdachts von der Polizei Duisburg übernommen. Das Essener Präsidium ist eine „§ 4-Behörde“, also einer der sechs Kriminalhauptstellen in Nordrhein-Westfalen. Diese übernehmen in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich in größeren Gefahren- und Schadenslagen die Einsatzleitung – zum Beispiel, wenn bei der Alarmierung Terror-Anschläge oder Geiselnahmen befürchtet werden.
So war es zuletzt auch am 18. April, als in der Duisburger Altstadt IS-Anhänger Maan D. (27) mit einem Messer Besucher des Fitnessstudios „John Reed“ angegriffen und teils lebensgefährlich verletzt hatte, um möglichst viele „Ungläubige“ zu töten. Am Montag hat in Düsseldorf der Mordprozess gegen den Dschihadisten begonnen.
Terrorverdacht in Duisburg- Mann (29) festgesetzt
Nahost-Konflikt: NRW-Behörden haben islamistische Gefährder im Blick
In NRW weckt der Fall düstere Erinnerungen an das Weihnachtsmarkt-Attentat auf dem Berliner Breitscheidplatz 2016. Der Terrorist Anis Amri, der mit einem Lkw in eine Menschenmenge fuhr und 13 Menschen tötete, war auch in Nordrhein-Westfalen gemeldet und den Sicherheitsbehörden zuvor bekannt.
Seit dem Überfall der Hamas auf Israel und dem Aufflammen des Nahost-Konflikts wird auch in NRW die Anschlagsgefahr wieder höher eingeschätzt. Die Ermittler treibt die Sorge um, dass sogenannte irrationale Einzeltäter möglicherweise für sich eine neue Motivlage entdecken könnten. Die Behörden haben insgesamt eine hohe zweistellige Zahl an islamistischen Gefährdern auf dem Schirm, die als „aktionsfähig“ angesehen werden. Konkrete Hinweise gibt es jedoch nicht.
200 antisemitische Straftaten seit dem Hamas-Überfall
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Bislang verliefen pro-palästinensische Demonstrationen in NRW vergleichsweise friedlich. Im Netz wird zugleich eine stark antisemitische Unterströmung ausgemacht, die jederzeit in gewaltsame Aktionen umschlagen könne, wird polizeiintern gewarnt. Die Behörden registrierten seit dem Hamas-Überfall an Rhein und Ruhr bereits rund 200 antisemitische Straftaten, davon überwiegend Sachbeschädigungen. Vor allem Israel-Fahnen wurden gestohlen oder beschädigt. (mit dpa)
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