Essen. Auf knapp 500 Wahlprogrammseiten steht Bildungspolitik meist vorne: Versprechen für mehr Lehrkräfte, mehr Digitales und weniger Elternbeiträge
In der Politik gibt es einen oft gehörten Merksatz: Mit Schulpolitik kann man keine Wahlen gewinnen, aber durchaus welche verlieren. 2017 hat das die damalige rot-grüne Landesregierung zu spüren bekommen. Vor fünf Jahren stolperten SPD und Grüne über die Politik ihrer Schulministerin Sylvia Löhrmann, deren Umgang mit dem verhassten Turbo-Abitur und dem vorangetriebenen gemeinsam Unterricht von Kindern mit und ohne Handicap die herbe Wahlschlappe von Rot-Grün mitverantwortet haben dürfte.
Auch bei den diesjährigen Landtagswahlen am 15. Mai dürfte die Schulpolitik für viele Menschen darüber entscheiden, wo sie ihr Kreuzchen machen. Nach zwei Pandemie-Schuljahren, Kommunikationsdesaster, Ärger um Corona-Tests und Distanzunterricht ist die Unzufriedenheit mit der aktuellen Schulministerin Yvonne Gebauer so gewaltig, dass viele durchaus begrüßte Veränderungen der FDP-Politikerin – die Rückkehr zu G9 oder das Abschaffen von „Schreiben nach Gehör“ – längst ins Hintertreffen geraten.
490 Seiten Wahlprogramm von fünf Parteien: Bildung steht zumeist weit vorn
Umso bemerkenswerter, dass die FDP ihre Ideen für die „weltbeste Bildung“ ganz an den Anfang ihres aktuellen Wahlprogramms stellt. Und nicht nur dort: Auf den rund 490 Seiten der Wahlprogramme der fünf im NRW-Landtag vertretenen Parteien finden sich zumeist weit vorne ein Bekenntnis dazu, die frühkindliche Bildung und Schulen zu stärken.
In einigen Punkten sind sich die Parteien mit Ausnahme der AfD einig: Es soll mehr Lehrkräfte insbesondere für Brennpunkt-Schulen geben und mehr Fokus aufs Digitale. Zur Stärkung der frühkindlichen Bildung finden sich Versprechen zu Kita-Platzausbau, Personal und Gebührenfreiheit.
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CDU: 10.000 Lehrkräfte und drittes beitragsfreies Kita-Jahr
Die aktuelle Landesregierung hat bereits ein zweites beitragsfreies Kindergartenjahr ermöglicht. Die CDU sagt den Eltern in NRW nun ein drittes Jahr ohne Elternbeiträge zu. Damit Eltern nicht mehr um einen Kita-Platz bangen müssen, soll es ein landesweites digitales System geben.
Bei der Schulpolitik wird die CDU konkret: 10.000 zusätzliche Lehrkräfte verspricht die Regierungspartei für die kommenden fünf Jahre. Mehr und besser bezahltes Personal soll es an allen Brennpunkt-Schulen geben. Schulträger, also die Städte, konfessionelle oder private Träger sollen mehr Geld für die digitale Ausstattung erhalten und jedes Kind ein digitales Endgerät nutzen können. Den Gewerkschaften sichert die CDU im Fall eines Wahlsiegs ihr Entgegenkommen bei einer langjährigen Forderung zu: Die Lehrkräfte an Grundschulen und in der Unterstufen sollen das gleiche Geld erhalten wie Oberstufenlehrer.
-> Das komplette Wahlprogramm der CDU gibt es hier
SPD: Neues Kita-Gesetz und mehr Hilfe für 1000 Brennpunkt-Schulen
In den Kitas ist das eine bekannte Klage: Zu wenig Erzieherinnen und Erzieher kümmern sich um so viele Kinder. Die SPD sagt zu, mit einem „Kita-Zukunftsgesetz“ den Kind-Fachkraft-Schlüssel zu erhöhen und die Kita-Finanzierung umzustellen. Zugleich stellt die Partei Eltern eine umfängliche Gebührenfreiheit“ in Aussicht und dass Kinder unterjährig aufgenommen werden können.
Bei der Einschulung sollen Eltern mehr Mitsprache erhalten: Die SPD will die Stichtagsregelung flexibler gestalten. Die Partei will Schulgesundheitspflegekräfte einführen und 1000 Brennpunkt-Schulen besser und mit mehr Personal ausstatten. Die SPD plant eine Personaloffensive gegen den Lehrermangel, will Studienplätze ausbauen und Nachwuchs damit locken, dass alle Lehrkräfte den gleichen Lohn beim Eingangsgehalt erhalten.
-> Das komplette Wahlprogramm der SPD gibt es hier
FDP: 1000 Talentschulen und programmierende Kinder
Die FDP legt einen Schwerpunkt in der digitalen Bildung. Am Ende ihrer Schullaufbahn sollen Jugendliche mindestens einmal eine App programmiert haben. Schon in der Grundschule sollen Kinder Grundlagen erlernen, für jedes Kind soll es Tablet oder Laptop geben und sogar in den Kitas digitale Endgeräte. Die FDP verspricht weitere beitragsfreie Kita-Jahre, flexiblere Öffnungszeiten und eine verbesserte Platzvergabe.
Ausbauen wollen die Liberalen die Talentschulen in benachteiligten Vierteln. Bislang erhalten 60 Schulen mehr Lehrkräfte und Ausstattung, die FDP verspricht 1000 im Land. Für mehr Praxis will die FDP immer noch verstärkt Fachleute aus der Wirtschaft einsetzen und das neue Fach Wirtschaft gegen die Kritik von Gewerkschaften zum Leistungsfach machen. An jeder der fast 2900 Grundschulen soll eine sozialpädagogische Fachkraft für Entlastung sorgen – das war bereits 2020 mit dem „Masterplan Grundschule“ angekündigt worden.
-> Das komplette Wahlprogramm der FDP gibt es hier
Grüne: Einheitliche Kita-Beiträge und „SoWi“ erhalten
Die Grünen wollen neu regeln, wie viele Fachkräfte in den Kitas beschäftigt werden müssten und das Alltagshelferprogramm von FDP-Familienminister Joachim Stamp fortsetzen. Die Umweltpartei sagt ebenfalls Gebührenfreiheit zu, will zunächst aber Elternbeiträge für Kitas und Ganztag landesweit vereinheitlichen. In den Schulen soll jedes Kind und jede Lehrkraft ein mobiles Gerät erhalten, dabei wollen die Grünen die Lernmittelfreiheit auch auf digitale Lernmittel ausweiten. Auch das Mittag-Essen in Kitas und Schulen soll kostenfrei werden.
Die Grünen wollen ebenfalls externe Fachkräfte stärker in die Schulen holen, setzen aber auf Kulturakteure und Inklusionspartnerinnen. Das Fach „Sozialwissenschaften“ soll erhalten bleiben, die Stichtagregelung bei der Einschulung flexibler werden und alle Lehrkräfte, nicht nur die neu ausgebildeten, A13 als Eingangsbesoldung erhalten.
-> Das komplette Wahlprogramm der Grünen gibt es hier
AfD: Exzellentes Abi und Kopftuchverbot für junge Schülerinnen
Die AfD will klassische Familienbilder fördern. Eltern, die ihre Kleinkinder zu Hause betreuen, sollen einen materiellen Ausgleich erhalten.
In der Schulpolitik hält die AfD fest am Leistungsgedanken. Sie will das mehrgliedrige Schulsystem erhalten, statt gemeinsamen Lernens auf „leistungshomogene Lerngruppen“ an allen Schulen setzen und Begabten einen „exzellenten gymnasialen Schulabschluss“ ermöglichen. Mädchen sollen bis mindestens zum 14. Lebensjahr in der Schule kein Kopftuch tragen und Sexualkundeunterricht die „natürlichen Schamgrenzen der jeweiligen Altersstufe“ berücksichtigen.
-> Das komplette Wahlprogramm der AfD gibt es hier
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