Essen. Fast drei Viertel der Deutschen sind derzeit zu einer Impfung gegen Sars-Cov-2 bereit. Doch dieser Wert könnte künftig sinken, fürchten Forscher.
Die Impfkampagne nimmt immer deutlicher an Fahrt auf. Da absehbar immer mehr Impfstoff zur Verfügung stehen wird, könnte die Priorisierung in wenigen Wochen beendet werden. Spätestens im Juni werde voraussichtlich die festgelegte Impf-Reihenfolge aufgehoben, hieß es nach den jüngsten Beratungen des Bundes und der Länder. „Folgerichtig wird die Impfbereitschaft eine entscheidende Rolle dafür spielen, wie schnell und wie umfangreich die weitere Immunisierung der Bevölkerung voranschreitet“, sagt Prof. André Karch, Epidemiologe am Uniklinikum Münster.
Nach der jüngsten Befragung des Robert-Koch-Instituts ist die Impfbereitschaft der Deutschen generell recht hoch. Danach würden sich rund 73 Prozent der Deutschen gegen Sars-Cov-2 impfen lassen. Indes antworteten auf die Frage, „Würden Sie sich impfen lassen“ etwa 16 Prozent mit „auf keinen Fall“. Dabei zeigten sich auch deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Impfstofftypen.
Experte fordert massive Aufklärungskampagne
Gegenüber dem Präparat von Astrazeneca gibt es aufgrund der Berichte über vereinzelte schwere Nebenwirkungen mehr Vorbehalte. Nur etwa 65 Prozent der Deutschen sind bereit, sich mit diesem Mittel immunisieren zu lassen. Dies ergab eine Befragung der Uni Erfurt, die für ihr Cosmo-Projekt („Covid-19 Snapshot Monitoring“) regelmäßig Umfragen zur Impfbereitschaft der Deutschen durchführt.
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Laut Prof. Karch zeigten die Daten der Umfrage, dass ein wesentlicher Anteil der Bevölkerung bei der Frage nach der eigenen Impfbereitschaft noch unentschieden sei. „Hier besteht die große Chance, durch breit angelegte und wissenschaftlich fundierte Aufklärungskampagnen“ die Menschen vom Nutzen einer Immunisierung zu überzeugen, so Karch. „Diese Aufklärungsarbeit muss jetzt intensiviert stattfinden und deutlich über das hinausgehen, was aktuell an Angeboten verfügbar ist“, fordert der Epidemiologe.
Studie zeigt: Die Impfbereitschaft stagniert
Zwar zeigt die Cosmo-Studie, dass die Impfbereitschaft kontinuierlich gestiegen ist, seit die ersten Corona-Vakzine zugelassen wurden. Allerdings stagniert der Wert seit einigen Wochen. Dafür haben die Experten verschiedene Erklärungen: Zum einen fallen die bereits Geimpften aus der Statistik heraus, also diejenigen, bei denen man von einer hohen Impfbereitschaft ausgehen kann. Zum anderen könne die Debatte um Nebenwirkungen die Menschen verunsichert haben.
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Zudem spiele vermutlich ein Effekt eine Rolle, der bereits in anderen Ländern beobachtet wird. Demnach wirken sich sinkende Infektionszahlen negativ auf die Impfbereitschaft aus: Je geringer die Infektionsgefahr eingeschätzt wird, desto mehr sinke zugleich die Bereitschaft der Bevölkerung, sich impfen zu lassen, erläutert Cosmo-Studienleiterin Cornelia Betsch dem Science Media Center (SMC). Dies lasse sich in Israel beobachten, wo etwa 60 Prozent der Bevölkerung bereits geimpft seien und die Impfrate parallel zur wiederkehrenden Alltagsnormalität stagniere. Ähnlich sei die Entwicklung in den USA.
Impfung in der Schule oder am Arbeitsplatz: Zugang möglichst unkompliziert
Fachleute gehen davon aus, dass 75 bis 80 Prozent der Menschen immunisiert sein müssten, um die Ausbreitung des Virus entscheidend zu hemmen. Ob mit der aktuellen Impfbereitschaft bei gleichzeitiger Ausbreitung von Virus-Mutationen eine stabile Herdenimmunität erreicht werden kann, sei aber „sehr fraglich“, so Karch. Zumal es derzeit keinen zugelassenen Impfstoff für Kinder und Jugendliche gebe. Diese Gruppe allein mache bereits rund 16 Prozent der Bevölkerung aus. Umso wichtiger sei es daher, das Impfen so einfach und unkompliziert wie möglich zu machen, sind sich die Experten einig.
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Also möglichst in Wohnortnähe, am Arbeitsplatz, in Universitäten und künftig auch in Schulen. So könnten große Gruppen mit vielen Kontakten erreicht werden. Dabei sei auch darauf zu achten, dass der zweite Termin ebenfalls einfach ablaufen kann, damit der Anteil vollständig Geimpfter hoch ist. Alle Maßnahmen zusammen könnten zu der nötigen Durchimpfung der Bevölkerung beitragen und das Ausbreitungstempo des Virus „Stück für Stück verlangsamen“.