Ruhrgebiet. 1,3 Millionen Menschen in NRW haben einmal Astrazeneca erhalten, erst 6136 die zweite Dosis. Nun wird das Vakzin für Jüngere nicht mehr empfohlen
Mehr als 1,3 Millionen Menschen in NRW sind bislang mit dem Vakzin des britisch-schwedischen Pharmakonzerns Astrazeneca (Vaxzevria) gegen das SarsCoV2-Virus geimpft wurden. Nur 6.136 haben auch schon ihre zweite Dosis erhalten. Seit April – nachdem es zu extrem seltenen, aber auch tödlichen Folgeschäden gekommen war – empfiehlt die Ständige Impfkommission den Vektorimpfstoff jedoch nur noch für Männer und Frauen über 60 Jahren. Betroffene sind verunsichert. Wie geht es nun weiter? Fragen und Antworten zum Thema.
Welchen Wirkstoff erhalte ich als Zweitimpfung?
Sind Sie über 60: Astrazeneca – „Keine Wahlmöglichkeit“, laut Miriam Skroblies, Pressesprecherin des Landesgesundheitsministeriums (MAGS).
Sind Sie unter 60: grundsätzlich Biontech oder Moderna. Beides sind mRNA-Impfstoffe. Man spricht deshalb von einem „heterologen“ Impfschema. Im Einzelfall, „nach sorgfältiger individueller ärztlicher Aufklärung und bei individueller Risikoakzeptanz“, könne auch ein zweites Mal das Astrazeneca-Vakzin genutzt werden, sagt das MAGS. Wer darauf besteht, betont etwa das Essener Impfzentrum, werde aber an den Hausarzt verwiesen, der Vektorimpfstoff gehe vor Ort nur noch an die Ü-60-Jährigen.
Wann erhalte ich die Zweitimpfung?
Zwölf Wochen nach der Verabreichung der ersten Dosis. Der Abstand zwischen den beiden Impfungen wurde auf Empfehlung der Ständigen Impfkommission verlängert, die ersten Zweittermine wurden mit neun Wochen Abstand vergeben. So können jetzt mehr Menschen geimpft werden. Laut Stiko haben Studien inzwischen zudem gezeigt, dass die Wirksamkeit der ersten Astrazeneca-Dosis über einen Zeitraum von drei bis 12 Wochen nach der Impfung konstant ist ohne nachzulassen; und zudem die Schutzwirkung nach zwei Impfungen bei einer Verlängerung des Abstands sogar „sehr deutlich zunimmt“. Dass das für das heterologe Impfschema ebenfalls gilt, ist nicht bewiesen; erscheint der Stiko aber „plausibel“.
Die Impfzentren reagieren unterschiedlich: In Essen werden die noch mit Abstand von neun Wochen vergebenen Zweittermine einfach um drei Wochen nach hinten geschoben, Tag und Uhrzeit bleiben bestehen. In Bochum erhielt am Samstag eine 27-Jährige aus Prio-Gruppe 2 wie geplant neun Wochen nach der Erstimpfung mit Astrazeneca ihre Zweitimpfgung (Biontech) – die Ärzte hatten keinerlei Bedenken. Die Stiko auch nicht: Sie erlaubt den Impfzentren für die Übergangsphase an bereits verbeinarten Terminen in kürzerem Abstand festzuhalten, sollte das „aus logistischen Gründen erforderlich sein“.
Wie sicher ist die heterologe Impfung?
Die Universität Oxford hat Studienergebnisse zu dieser Frage für Anfang Mai angekündigt, noch liegen sie nicht vor. Prof. Ulf Dittmer, Direktor der Klinik für Virologie der Essener Universitätsmedizin, kann „die aktuelle Verunsicherung daher gut verstehen“ – aber auch die Empfehlung der Ständigen Impfkommission, Biontech oder Moderna für die Zweitimpfungen der Jüngeren einzusetzen. „Sie wollte vorsichtig sein. Wir wissen nicht genau, was bei einer zweiten Astrazeneca-Impfung passieren würde. Es könnte sein, dass wir noch mehr Sinusvenenthrombosen sehen würden.“ Von vielen anderem Impfstoffen wisse man zudem, dass „Mischen“ keinerlei Probleme, keine stärkeren Nebenwirkungen mit sich brächte. Bei Hepatitis-B-Impfungen wechsele man manchmal sogar bewusst das Vakzin, um eine bessere Immunantwort zu provozieren.
Im eigenen Haus stehen die ersten Zweitimpfungen für die, die Astrazeneca als Erstdosis erhielten, am 25. Mai an, berichtet Dittmer. „Wir gehen davon aus, dass die rund 750 betroffenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Moderna bekommen.“
Wie gut schützt Astrazeneca vor dem Virus?
Astrazeneca ist kein Vakzin zweiter Klasse, seine Wirksamkeit laut Dittmer nach der ersten Impfung sogar besser als der eines mRNA-Wirkstoffs, nach der zweiten um etwa zehn Prozent schlechter, was das Risiko einer Infektion angeht. „Alle Impfstoffe verbindet aber gleichermaßen, dass sie schwere Krankheitsverläufe verhindern“, betont der Virologe.
Wie hoch ist das Risiko?
Bis April wurden bundesweit 31 Sinusvenenthrombosen nach einer Impfung mit Astrazeneca gemeldet – bei inzwischen 5,6 Millionen verimpfter Dosen. Neun Menschen starben. Für die Ü-60-Jährigen hält Dittmer Astrazeneca für sicher: „Europaweit haben wir bisher nur einen einzigen Thrombosefall in dieser Altersgruppe gesehen, da scheint es kein Risiko zu geben.“
Gibt es ausreichend Impfstoff?
In den kommenden vier Wochen soll NRW gut zwei weitere Millionen Impfdosen (Biontech, Moderna und Astrazeneca) erhalten. Ab Mai liefert der Bund allerdings an Nordrhein-Westfalens Impfzentren nur noch die Menge an Impfdosen der Firma Astrazeneca, die dort für die Zweitimpfungen der Älteren (Ü60) benötigt werden. In den Impfzentren sollen künftig vor allem die schwieriger zu handhabenden mRnA-Impfstoffe verimpft werden.