Essen. Corona trifft Studierende wie Ann-Kathrin Steindecker hart, der Studienabbruch droht. Auch, weil Überbrückungshilfen nicht genehmigt werden.

Der Corona-Pandemie zum Trotz sei sie im November mit hohen Erwartungen in ihr Journalismus-Studium an der TU Dortmund gegangen, betont Ann-Kathrin Steindecker. Doch der Traum vom Neustart fühlt sich für die Essenerin inzwischen wie ein Alptraum an, denn statt Entwicklung und Abwechslung heißt es für Steindecker jetzt Sozialamt und Mietrückstand. Sie sagt: „Ich lebe von ein bisschen Kindergeld. Ich habe viel versucht, aber so langsam weiß ich nicht mehr weiter.“

Viele Studierende befinden sich durch die Corona-Pandemie in einer finanziellen Schieflage, weil die Lockdowns das Nebenjob-Angebot drastisch verkleinert haben. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung brachte deshalb eine Überbrückungshilfe auf den Weg, um Studierende wie Steindecker kurzfristig zu stützen. Doch abgelehnte Anträge vergrößern die Angst, am nächsten Tag ohne warme Mahlzeit dazustehen. Zudem erzeugt die Art und Weise der Absagen immer mehr Frust – und entlädt sich am Geldverteiler: dem Deutschen Studentenwerk (DSW).

Studierendenwerke prüfen Anträge – und bewilligen bis zu 500 Euro pro Monat

Zwischen 100 und 500 Euro pro Monat bewilligen die 57 Studierendenwerke im Land bei einem erfolgreichen Antrag. Dafür versuchen knapp 1300 Mitarbeitende, die pandemiebedingte finanzielle Notlage der Studierenden festzustellen. Sie fordern Einblicke in die Kontobewegungen, stellen Rückfragen, wollen Nachweise über gescheiterte Bewerbungen sehen.

Davon habe sie inzwischen ein halbes Dutzend eingereicht, sagt Ann-Kathrin Steindecker – und dennoch bislang nur Absagen kassiert. Auch auf einen positiven Bafög-Bescheid warte die 22-Jährige seit Oktober, vermutlich mache der durch die Mutter verursachte Schufa-Eintrag Probleme. „Ich habe drei Monaten keine Miete zahlen können. Meine Vermieterin hat verständnisvoll reagiert, aber auch sie verliert die Geduld.“

Studentin der TU Dortmund: Job weg, Wohnung weg

Jennifer Konietzka hat ihre Dortmunder Wohnung dagegen schon verloren. Der Jobverlust traf die Studentin der Wirtschaftswissenschaften an der TU Dortmund im November, ein aufgenommener Kredit des Vaters ließ die 23-Jährige nur kurz durchatmen. Jetzt lebt sie wieder bei ihren Eltern. Ihre Anträge auf Überbrückungshilfe seien ohne spezifischen Grund abgelehnt worden, sagt Konietzka.

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Worte wie „grundlos“, „willkürlich“ und „verletzend“ fallen immer wieder, wenn die Hochschüler Kritik am DSW üben. „Es kostet Überwindung, um Hilfe zu bitten. Und dann wird mir durch die Antworten das Gefühl gegeben, dass ich meine Finanzen manipuliere – so als wäre ich ein Verbrecher“, sagt Arber Kokollari, 23-jähriger Student des Wirtschaftsingenieurwesens an der Uni Duisburg-Essen.

Student von der HS Düsseldorf: „Kurz davor, mein Studium abzubrechen“

Eine Überwindung, die Maschinenbau-Anwärter Samed Karanfil von der HS Düsseldorf nach zwei erfolglosen Versuchen nicht mehr aufbringen konnte. „Ich hatte keine Hoffnung mehr und war kurz davor, mein Studium abzubrechen“, erklärt der 24-Jährige. Er tat es nicht, dennoch habe er das Finanzielle seitdem immer im Hinterkopf. „Das ist eine starke psychische Belastung.“

Studierendenvertretung fordert Bafög-Überarbeitung

Jonathan Dreusch und das FZS plädieren dafür, bei der staatlichen Überbrückungshilfe die Unterscheidungen zwischen Notlagen der Pandemie- und Vorpandemiezeit aufzulösen. Auch sollen Richtlinien überarbeiten und transparenter auf Dokumente hingewiesen werden.

Dazu fordert die bundesweite Studierendenvertretung weiterhin, einen Notmechanismus ins Bafög zu integrieren, um die Hilfe etwa für Studierende im Zweitstudium zu öffnen.

Unzählige solcher Schilderungen bekäme der FZS als bundesweite Studierendenvertretung inzwischen täglich, wie Vorstand Carlotta Kühnemann bestätigt. Studierende hätten nach dem Jobverlust keine Sicherheit, „ob sie im nächsten Monat ihr Dach über dem Kopf und das Essen auf dem Teller bezahlen können.“ Ihr Kollege Jonathan Dreusch ergänzt: „Die Erfahrungsberichte zeigen: Es hapert bei der Umsetzung der Regeln im Studentenwerk. Die werden mal strenger, mal nachsichtiger ausgelegt, statt Verschlankungen gibt es Wirrwarr.“

Deutsches Studentenwerk wehrt sich gegen Kritik

Das Deutsche Studentenwerk wehrt sich entschieden gegen die Kritik willkürlicher Ablehnungen und verweist für die geforderten Nachweise auf den ausführlichen Frage-und-Antwort-Katalog des Ministeriums. Gleichwohl sei dem Dachverband die finanzielle Notlage bewusst, betont Achim Meyer auf der Heyde. „Dennoch muss ein Teil der Anträge leider abgelehnt werden, weil die geforderten Gründe für eine pandemiebedingte Notlage nicht dargelegt werden können.“

Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, weist die Kritik der Studierenden zurück.
Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, weist die Kritik der Studierenden zurück. © Deutsches Studentenwerk | Kay Herschelmann

Der Generalsekretär sagt weiter: „Die Überbrückungshilfe kann nicht den Anspruch erfüllen, Ersatz für eine reguläre Studienfinanzierung zu sein.“ Hier müsse dringend nachgebessert werden, betont Meyer auf der Heyde und fordert wie das FZS eine strukturelle Bafög-Reform.

Und das müsse unbedingt noch in dieser Legislaturperiode angegangen werden, stellen beide klar. „Dass Regeln schnell geändert werden können, sehen wir ja im Moment“, sagt Jonathan Dreusch. Oder wie Jennifer Konietzka es ausdrückt: „Ich verlange eine faire Chance für diejenigen, die das Geld wirklich brauchen.“