Essen. Um die Verkehrsprobleme im Revier zu lösen, braucht es ein grundlegendes Umdenken, sagen Forscher der Ruhr-Uni. Sie schlagen ein Netzwerk vor.
Das ungelöste Verkehrsproblem gilt als einer der größten Bremsklötze im Ruhrgebiet. Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum fordern jetzt von den Verantwortlichen ein grundlegendes Umdenken. Kommunen, Unternehmen und anderen Akteure aus dem Mobilitätssektor sollten koordiniert zusammenarbeiten und gemeinsam an einem Strang ziehen.
Ziel müsse ein Netzwerk unterschiedlichster Anbieter aus dem Verkehrsbereich nach dem Vorbild von Genossenschaften etwa im Lebensmitteleinzelhandel sein. Die Verkehrsprobleme durch den Aufbau einer starken Zentrale in den Griff zu bekommen, halten die Forscher dagegen für wenig aussichtsreich. Gefragt sei aber eine gemeinsame „Vision“, wie der Verkehr im größten Ballungsraum des Landes künftig aussehen solle.
Das Schlagwort heißt "integrierte Mobilität"
Hintergrund ist eine aktuelle Konzeptstudie zur integrierten Mobilität von Wissenschaftlern verschiedener Fachbereiche der Bochumer Uni. Ein Team um die Professoren Ludger Pries (Sozialwissenschaften) und Michael Roos (Wirtschaftswissenschaften) wertete dazu die Ergebnisse einer Befragung von Uni-Beschäftigen und Studierenden zu ihren Mobilitätsgewohnheiten und -erwartungen aus. Herangezogen wurden zudem aktuelle Verkehrsanalysen aus dem In- und Ausland.
Nebeneinander zahlreicher „Siedlungsinseln“
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Außerdem wurde die dezentrale Struktur des Ruhrgebiets unter dem Blickwinkel der Verkehrsplanung analysiert. Ergebnis: Das Revier hat es mit einem Nebeneinander zahlreicher „Siedlungsinseln“ und weniger dicht besiedelten Gebieten besonders schwer, alternative Verkehrskonzepte abseits vom Auto zu entwickeln.
Folge der Siedlungsstruktur ist demnach ein überdurchschnittlich gut ausgebautes Straßennetz, das mit 4700 Kilometern überörtlichen Straßen (darunter allein 600 Kilometer Autobahn) auch im europäischen Vergleich außergewöhnlich dicht ist. Der Anteil von Bundesautobahnen am Gesamtstreckennetz sei mit fast 13 Prozent im Vergleich zu Gesamt-NRW (7,4 Prozent) und zum Bund (fünf Prozent) ausgesprochen hoch.
Forscher: Deutliche Reduzierung des privaten Autoverkehrs notwendig
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Laut den Bochumer Forschern ist eine Verkehrswende im Ruhrgebiet aber nur durch eine deutliche Reduzierung des privaten Autoverkehrs zu Gunsten von ÖPNV, Fahrradfahrern und Fußgängern möglich. „Die Notwendigkeit zu einem integrierten Verkehrsmodell im Ruhrgebiet zu kommen, ist durch die Coronakrise noch einmal dringender geworden“, sagte Ludger Pries dieser Zeitung.
Als Voraussetzung dafür, dass Menschen auf die Nutzung des eigenen Pkw verzichten, nannten die Wissenschaftler eine deutliche Verkürzung der Reisezeit mit alternativen Verkehrsmitteln. Dafür sei eine bequeme Streckensuche, die Buchung über eine einheitliche App und die Optimierung von Fahrplänen innerhalb der Kommunen und über die Grenzen der Kommunen nötig.
Das Revier als Autofahrer-Region
Dass das Ruhrgebiet eine Autofahrer-Region ist, spiegelt sich laut der Studie auch noch in anderen Zahlen wieder. Demnach verfügt jeder zweite Revierbewohner über ein eigenes Auto.
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In Köln sind es dagegen nur 43 Prozent, in München 35 Prozent. In Berlin, der deutschen Großstadt mit dem geringsten Motorisierungsgrad, besitzt gerade einmal nur jeder Dritte Einwohner ein Auto. Die Pkw-Dichte im Ruhrgebiet entspricht eher der kleinerer Großstädte und ländlicher Regionen.
Anteil der Radfahrer nur bei neun Prozent
Das hat gravierende Auswirkungen auf den Anteil der Verkehrsträger im so genannten Modal Split. Im Vergleich zu anderen Metropolregionen dominiert an der Ruhr das Auto. Der ÖPNV kommt nur auf einen Anteil von rund zehn Prozent (Berlin: 27 Prozent, Wien: 39).
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Auch für Fahrradfahrer ist das Ruhrgebiet offenkundig nicht sonderlich attraktiv. Der Anteil der Radler am Gesamtverkehr liegt bei mageren neun Prozent. Wie Zahlern des Statischen Landesamtes seit Langem belegen, hat sich daran seit vielen Jahren so gut wie nichts verändert.