Bochum. Im Vergleich mit anderen Ballungsräumen schneidet das Ruhrgebiet oft schlecht ab. Eine neue Studie aber sieht es in einigen Bereichen ganz vorne.

Das Ruhrgebiet nimmt im Vergleich mit den sieben großen Metropolregionen in Deutschland eine Spitzenposition bei den Standortfaktoren Wohnkosten, Hochschuldichte sowie Freizeit- und Kulturangebot ein. Laut einer am Donnerstag in Bochum vorgestellten Studie kann man in keinem anderem Ballungsgebiet so günstig wohnen und Immobilien erwerben. Herausgehoben wird auch die „kulturelle Offenheit“ der Region

Ruhrgebiet im Vergleich: Potential für ähnliche Dynamik wie Berlin-Brandenburg

Auch bei der Dichte an Hochschulen, Studierenden und Forschungseinrichtungen liegt das Revier vorn. Gleiches gilt für den Anteil an Flächen für Freizeit, Erholung und Sport. Ein besonderer Vorteil sei zudem die Größe der Region mit rund fünf Millionen Einwohnern. Das Ruhrgebiet habe insgesamt beste Chancen, eine ähnliche Dynamik wie Berlin-Brandenburg zu entfalten. „Günstige Wohnkosten, viele junge Menschen, ein großes Freizeit- und Kulturangebot, exzellente Hochschulen - viele Faktoren erinnern an das Berlin der Nuller-Jahre“, betonte Studienautor Hanno Kempermann. Dem Ruhrgebiet sei eine ähnliche dynamische Entwicklung zuzutrauen – wenn die richtigen Weichen gestellt würden.

Auch das Potential innovativer Unternehmen an der Ruhr beurteilt die Untersuchung als „vielversprechend“. Befragt wurden dazu unter anderem 500 Ruhrgebietsunternehmen. Auftraggeber ist der Regionalverband Ruhr. 8,6 Prozent gaben an, intensiv mit Partnern aus der Wissenschaft zu kooperieren. Deutschlandweit liegt dieser Wert bei nur 4,7 Prozent. Beim Anteil der Absolventen der technologische relevanten MINT-Studienfächer liegt das Ruhrgebiet im Ranking auf Platz 3 nach dem Raum München und der Region Stuttgart. Den schlechtesten Wert auf diesem Gebiet erreicht Berlin-Brandenburg.

Die Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) und des Ruhrforschungsinstituts RUFIS vergleicht das Ruhrgebiet mit Berlin-Brandenburg, Hamburg, dem Rheinland, dem Raum Frankfurt/Rhein-Main sowie den Regionen Rhein-Neckar, Stuttgart und München. Dabei liegt das Ruhrgebiet bei zahlreichen Standortfaktoren an der Spitze. In keiner anderen Metropolregion kann man demnach so günstig Wohnraum mieten (6,26 Euro/Quadratmeter) und Immobilien erwerben (1795,80 Euro/Quadratmeter). Auch bei der Dichte von Studenten (49 je 1000 Einwohner), Forschungseinrichtungen (1,87 je 100 Quadratkilometer), Hochschulen (0,81 je 100 Quadratkilometer) und Universitäten (0,11 je 100 Quadratkilometer) belegt das Ruhrgebiet den ersten Platz. Gleiches gilt für den Anteil der Flächen, die für Freizeit, Erholung und Sport genutzt werden (16,5 Prozent). Bei den Zukunftsbranchen ragen im Ruhrgebiet die Digitalwirtschaft, der Bereich „grüne“ Technologien und der Gesundheitssektor heraus.

Kritisch bewertet die Studie die bekannten Schwächen

Kritisch bewertet die Studie die bekannten Schwächen der Region, etwa die hohe Arbeitslosigkeit und das vergleichsweise niedrige Bruttoinlandsprodukt. In beiden Bereichen gibt es im Ruhrgebiet noch viel Luft nach oben. Beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner liegt das Revier mit rund 32.000 Euro auf dem letzten Platz. Außer Berlin-Brandenburg erreichen alle anderen Regionen hier Werte teils deutlich über 40.000 Euro. München liegt mit einem BIP von fast 54.000 Euro weit vorn. Mit 9,2 Prozent hat das Revier zudem die mit Abstand höchste Arbeitslosenquote der sieben Metropolregionen. Den besten Wert erreicht auch hier München (2,8 Prozent). Überdurchschnittlich gut schneidet das Ruhrgebiet indes bei der Verkehrsanbindung ab. Bei der Erreichbarkeit von Autobahnen, Flughäfen und Bahnhöfen liegt das Revier im Vergleich der anderen Regionen weit vorn. Ein Gesamtranking der sieben Wirtschaftsräume spart die Studie übrigens aus.

Forscherin fordert „Innovationsallianz“ fürs Revier

„Die Metropole Ruhr befindet sich im Standortwettbewerb am Beginn einer Aufholjagd. Die Studie bestärkt uns darin. Während woanders die Räume eng werden, gibt es hier alle Voraussetzungen für Investitions- und Gründergeist“, betonten Karola Geiß-Netthöfel, Regionaldirektorin des Regionalverbands Ruhr (RVR), und Josef Hovenjürgen, Vorsitzender der RVR-Verbandsversammlung, bei der Vorstellung des Papiers auf dem Gelände des ehemaligen Opel-Werks in Bochum.

Die Bochumer Metropolenforscherin Uta Hohn bewertete das Ergebnis der Studie als Fingerzeig für eine eine Zukunftsstrategie der Region. „Die gemeinsame Zukunftsvision sollte eine wettbewerbsstarke, lebenswerte und klimaresiliente Metropole sein“, sagte die Professorin der Ruhr-Universität Bochum. Hohn forderte dafür eine „Innovationsallianz“ aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verbänden und Politik.

Auch Stephan Holthoff-Pförtner (CDU), der für die Ruhr-Konferenz zuständige NRW-Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, will eine Aufbruchstimmung an der Ruhr erkennen. „Die Studie zeigt, was die Metropole Ruhr so stark macht: Hier gibt es die Hochschulen und Forschungseinrichtungen, in denen die Innovationen entstehen. Hier gibt es die Unternehmen, die diese Innovationen bauen können. Und es gibt mehr als fünf Millionen Menschen, die ein starker Markt für neue Entwicklungen sind“, teilte Holthoff-Pförtner mit.

Aus Sicht der Linken im Regionalverband Ruhr blendet die Studie hingegen wichtige Themen wie die angespannte Situation im Öffentlichen Nahverkehr und das Thema Langzeitarbeitslosigkeit aus.