Düsseldorf. Nach den Krawallen von Hooligans und Rechtsextremisten in Köln wollen Politik und Sicherheitsbehörden den Randalierern entschlossen entgegentreten. Die Landesregierung will ähnliche Treffen künftig gerichtlich verbieten lassen. Innenminister Jäger spricht von einer „neuen Dimension der Gewalt“.
Nach den Krawallen von Hooligans und Rechtsextremisten in Köln will die nordrhein-westfälische Landesregierung ähnliche Treffen gerichtlich verbieten lassen. "Ich halte das für einen Missbrauch der Versammlungsfreiheit", sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Montag in Düsseldorf. "Das war keine politische Demonstration, da wurde eine Plattform für Gewalt geschaffen. Wir müssen die Verwaltungsgerichte überzeugen, solche Veranstaltungen künftig zu verbieten."
44 verletzte Polizisten, 20 Demonstranten in Gewahrsam
Am Tag nach den Ausschreitungen von 4000 gewalttätigen Hooligans und Rechtsextremisten auf einer Demonstration gegen Salafisten in Köln zieht die Polizei Bilanz. 44 verletzte Polizisten, 20 gewaltbereite Demonstranten in Gewahrsam. NRW-Innenminister Jäger (SPD) spricht von einer „neuen Dimension der Gewalt“. Fußball-Gewalttäter hatten zusammen mit Schlägertrupps aus der Neonazi-Szene gezielt Polizeibeamte angegriffen. Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Arnold Plickert, warnte vor einer äußerst gefährlichen Entwicklung. Die Gruppe der Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa) sei binnen Wochen stark angewachsen. Plickert fürchtet, dass sich die Gruppe verfestigt.
Jäger reagierte schockiert auf die Brutalität der Angriffe. Kritik, die Polizei sei auf die Angriffe nicht vorbereitet gewesen, wies Jäger aber entschieden zurück. So verfügte die Polizei über Wasserwerfer und starke Einsatzkräfte, weil die Sicherheitsdienste „ziemlich präzise“ auf die Demonstration von rund 4000 Teilnehmern vorbereitet gewesen seien. Die Gruppe der Hooligans gegen Salfisten war nach Angaben des Ministeriums lange „im Visier der Sicherheitsbehörden“. Jäger bedauerte den Missbrauch der Demonstrationsfreiheit. Experten schätzen, dass sich bundesweit knapp 400 gewaltbereite Hooligans in einem Netz von Rechtsextremen zusammengeschlossen haben.
Laschet kritisiert Fehleinschätzung von Hooligan-Demo
Der nordrhein-westfälische CDU-Chef Armin Laschet hat das Agieren der Landesregierung und der Behörden kritisiert. "Mein Eindruck ist, man hat die Lage nicht präzise eingeschätzt", sagte der CDU-Bundesvize am Montag vor einer CDU-Präsidiumssitzung in Berlin. "Es war erkennbar, dass Rechtsradikale in großer Zahl nach Köln kommen würden." Daher hätte man die Kundgebung aus seiner Sicht über das Versammlungsrecht "schon im Ansatz untersagen müssen". Auch gegen eine Versammlung an zentraler Stelle am Hauptbahnhof hätte es Möglichkeiten gegeben, so Laschet. Dies solle im Landtag zur Sprache gebracht werden.
Auch interessant
"Man muss wahrnehmen, dass es das Zusammenwachsen von Hooligans und rechtsradikalen Gruppen gibt", sagte Laschet. Bei der Demonstration sei es nicht um Salafisten gegangen, sondern um ausländerfeindliche Parolen. "Man muss gegen solche Umtriebe mit allen Mitteln des Ordnungsrechtes vorgehen." Rund 4000 gewaltbereite Hooligans hatten sich am Sonntag in Köln mit Rechtsextremen zu einer Demo gegen Salafisten versammelt.
Fan-Bündnis befürchtet neuen Zulauf für Hooligan-Szene
Die bundesweite Vereinigung "Pro Fans" befürchtet, dass die Hooliganszene neuen Zulauf erhält. "Die neue Qualität ist, dass es mit Fußball gar nichts zu tun hat", sagte Sprecher Sig Zelt. Politisch motivierte Aktionen wie die Kundgebung am Sonntag "könnten eventuell für gewissen Zulauf sorgen". In den vergangenen Jahrzehnten sei die Hooligan-Bewegung geschrumpft. Zudem habe man beobachtet, dass sich die Gewaltbereiten zum Beispiel bei Länderspielen über Vereinsgrenzen hinweg verbündet hätten.
Fan-Vertreter Zelt distanzierte sich deutlich von den Hooligans. "Wir als Pro Fans lehnen ab, was die da machen."
Verfassungsschutz hält Hooligans für treibende Kraft
Auch interessant
Der Grünen-Landesvorsitzende Sven Lehmann äußerte die Frage, ob die Polizei trotz der Hinweise im Vorfeld der Demonstration die Gefahren richtig eingeschätzt habe. Es habe Signale gegeben, dass es sich bei den vermeintlichen Hooligans „um getarnte Rechtsextreme handelt, denen es nicht um die friedliche Meinungsäußerung geht“, mahnte Lehmann.
Der Chef des NRW-Verfassungsschutzes, Burkhard Freier, hält die Hooligans für die „treibende Kraft“ der Ausschreitungen. Rechtsextremisten hätten sich der Bewegung angeschlossen, sie aber nicht gesteuert, analysierte Freier die Gewaltaktionen. Auch Mitglieder von NPD und der Partei „Die Rechte“ haben laut Verfassungsschutz teilgenommen. Für GdP-Chef Plickert ist der Kampf der Hooligans und Neonazis gegen den Salafismus nur ein Alibi: „Man will die Gewalt ausleben.“
"Rechtsextreme und gewaltbereite Schlägertruppen"
Auch interessant
Am Sonntag waren Polizeiautos umgestürzt worden, es gab „Ausländer-raus“-Rufe, Hetzparolen gegen Salafisten. Passanten, Polizisten und Demonstranten wurden von schwarz vermummten Schlägern angepöbelt. „Der Wolf im Schafspelz ist enttarnt. Das waren keine besorgten Bürger, die sich gegen den Salafismus stellen“, bekräftigt auch die Grünen-Landesvorsitzende Mona Neubaur. „Das waren rechtsextreme und gewaltbereite Schlägertruppe, die auf Krawall und Zerstörung aus waren.“ Die Grünen zeigten sich fassungslos, dass „Neonazis offen durch die Kölner Innenstadt laufen und hetzerische Parolen wie „Nationaler Widerstand“ skandieren konnten.
Für den Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft NRW (DPolG), Erich Rettinghaus, liegt es auf der Hand, dass Hooligans und Rechtsextremisten den Abscheu der Bürger über die Gräueltaten der Terrormiliz IS ausnutzen wollen. Mitgliederwerbung nach dem Motto: Wir sind gegen die schlimme IS. GdP-Landeschef Plickert sieht die Hauptaufgabe der nächsten Wochen darin, die Bildung einer festen rechtsradikalen Struktur aus gewaltbereiten Hooligans und Neonazis zu verhindern. Auch wäre es „höchst gefährlich“, falls sich die bislang untereinander verfeindeten Hooligan-Gruppen in einer neuen Gruppe vereinen sollten. (mit Material von dpa)