Köln. Tausende aggressive Hooligans, 44 verletzte Polizisten: Die Bilanz der Krawalle am Sonntag in Köln macht der Polizeigewerkschaft große Sorgen. Vor allem, weil die “Hooligans gegen Salafisten“ rasant an Unterstützung gewinnen. Fast 4500 Hooligans standen in Köln rund 1400 Polizisten gegenüber.

Nach den massiven Krawallen von Hooligans und Rechtsextremen in Köln warnt die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Nordrhein-Westfalen vor einer neuen Qualität der Gewalt. Es sei erschreckend, welchen Zulauf die sogenannten "Hooligans gegen Salafisten" in den vergangenen Wochen bekommen hätten, sagte der GdP-Landesvorsitzende Arnold Plickert der Nachrichtenagentur dpa.

Die Polizei hat bislang 57 Strafanzeigen erstattet. "Es können noch weitere Strafverfahren eingeleitet werden", sagte am Montag der Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft, Ulf Willuhn. Die Polizei habe eine Ermittlungsgruppe eingerichtet, um Videos und Zeugenaussagen zu sichten. Als Strafvorwürfe kommen gefährliche Körperverletzung, Verstoß gegen das Vermummungsverbot und Landfriedensbruch infrage.

Mindestens 4000 gewaltbereite Fans von teils verfeindeten Fußballclubs hatten sich am Sonntag zusammen mit Rechtsextremen in Köln zu einer Kundgebung versammelt. Es kam zu massiven Ausschreitungen, zahlreiche Polizisten wurden verletzt.

Innenminister Jäger von Polizeikonzept überzeugt

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat Kritik am Einsatz der Polizei zurückgewiesen. "Das Polizeikonzept hat funktioniert", sagte Jäger am Montag im ZDF-Morgenmagazin. "Die Demonstration ist vom Veranstalter abgebrochen worden. Aber die ehemaligen Teilnehmer haben sich geweigert, das Veranstaltungsgelände zu verlassen", sagte Jäger. Die Polizei habe dann - auch unter Einsatz von Pfefferspray und Wasserwerfern - alle zum Hauptbahnhof geleitet. "Das war eine schwierige Situation in Köln", sagte Jäger.

Verfassungsschutz: Rechtsextreme waren nicht treibende Kraft

Treibende Kraft der Ausschreitungen in Köln am Sonntag waren nach Einschätzung des Verfassungsschutzes gewaltbereite Hooligans. Rechtsextremisten hätten sich der Bewegung angeschlossen, sie aber nicht gesteuert, sagte der Chef des NRW-Verfassungsschutzes, Burkhard Freier, am Montag im WDR. Die Behörden seien davon nicht überrascht worden, betonte er.

Polizei und Verfassungsschutz hätten Erkenntnisse gehabt, "dass hier eine Gruppe demonstriert, die aus unterschiedlichen Strömungen besteht, nämlich gewaltbereite Hooligans, dann Hooligans mit Überschneidungen zur rechten Szene", berichtete Freier. Hinzugekommen seien gewaltbereite Rechtsextremisten aus dem ganzen Bundesgebiet: "Parteien, NPD und die Partei Die Rechte, aber auch Skinheads und die Musikszene." Gemeinsam sei ihnen allen die Gewaltbereitschaft und eine "aggressive Grundhaltung gegen den extremistischen Salafismus".

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Aus der Hooliganszene seien Gruppen von Fanbereichen zusammengekommen, die sich sonst bekämpfen, die aber glauben, hier ein Ziel gefunden zu haben, mit dem sie eigene Stärke nach außen zeigen und Gewalt ausüben könnten.

4500 Teilnehmer bei Demo "Hooligans gegen Salafismus"

Der Zusammenschluss von Hooligans und Rechtsextremen bei den "Hooligans gegen Salafismus" sei eine äußert gefährliche Entwicklung, sagte Plickert. "Wenn sich diese Gruppe jetzt verfestigt und noch wächst, dann haben wir aus meiner Sicht eine neue Qualität der Gewalt." Vor einigen Wochen habe die Gruppe noch mit wenigen Dutzend Teilnehmern in Mannheim und Essen demonstriert. In Dortmund kamen Anfang Oktober schon mehr als 300 Teilnehmer, die sich vor allem über soziale Netzwerke im Internet organisierten. "Und jetzt haben wir hier in Köln schon 4500 gehabt", sagte er. "Der Kampf gegen den Salafismus ist nur ein Alibi - man will die Gewalt ausleben."

Die Polizei war am Sonntag mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Reizgas gegen Teilnehmer der Kundgebung vorgegangen. Zuvor waren die Beamten mit Flaschen, Steinen und Feuerwerkskörpern beworfen worden. 44 Polizisten wurden verletzt, einer davon schwer. Auf Seiten der Demonstranten wurde nach Angaben der Polizei eine Person verletzt. 17 Gewalttäter wurden festgenommen.

Sehr aggressive Stimmung gegenüber der Polizei 

Eine solche Eskalation der Gewalt habe es in Nordrhein-Westfalen seit langem nicht gegeben, sagte ein Polizeisprecher. "Das Gewaltpotenzial war insgesamt wahnsinnig groß, es herrschte eine sehr aggressive Stimmung der Polizei gegenüber." Zur gleichen Zeit kamen rund 500 Teilnehmer zu einer Gegendemonstration zusammen. Die Polizei war nach unterschiedlichen Angaben mit 1000 bis 1400 Einsatzkräften vor Ort - die Polizei selbst kommentierte diese die Zahlen nicht.

Hubschrauber hätten auch Bilder aus der Luft gemacht, sagte der Polizeisprecher. Diese würden nun von szenekundigen Beamten ausgewertet, um die Angreifer auch nachträglich zur Rechenschaft ziehen zu können.

GdP fordert mehr Festnahmen bei solchen Einsätzen

Polizeigewerkschafter Plickert forderte, es müsse bei solchen Einsätzen von vornherein mehr Festnahmen geben, um leichter Beweise gegen mutmaßliche Straftäter sichern zu können. "Und dann erwarte ich auch von der Justiz, dass die Straftäter schnell verurteilt werden - mit einem Strafmaß, das abschreckt."

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Die Linke in NRW kritisierte, die Polizei habe mit ihrer "verharmlosenden Gefahrenanalyse" völlig falsch gelegen. "Nun ist Innenminister Jäger in der Pflicht, Rechenschaft über diese verfehlte Einschätzung der Situation abzugeben und Konsequenzen daraus zu ziehen", sagte Linken-Chefin Özlem Alev Demirel.

Die "Hooligans gegen Salafisten" sind eine Bewegung, die sich im Internet gebildet hat und sich über soziale Netzwerke organisiert. Das Bundesinnenministerium beobachtet sie nach eigenen Angaben wegen der hohen Gewaltbereitschaft unter den Sympathisanten seit einiger Zeit verstärkt. (dpa)