Köln. Schwere Ausschreitungen bei der Demo von “Hooligans gegen Salafisten“ in Köln: Die Polizei verliert zeitweise die Kontrolle, Steine und Flaschen fliegen, Hooligans werfen Einsatzwagen um. Die Polizei setzt Wasserwerfer ein - und zählt am Abend auch einen Schwerverletzten in den eigenen Reihen.

Später Nachmittag ist es, da befindet sich Köln praktisch im Ausnahmezustand. Am Himmel kreisen Hubschrauber, am Boden sind Wasserwerfer aufgefahren. „Zum ersten Mal seit Jahrzehnten“, wie ein Anwohner behauptet. Zwischen Ebertplatz und Hauptbahnhof fliegen Flaschen und Raketen, explodieren Böller, werden Polizisten attackiert, Die wehren sich mit Pfefferspray und ihren Schlagstöcken. Es kommt zu Festnahmen. „Unübersichtlich“, nennt ein Polizeisprecher die Lage. Und so soll sie noch länger bleiben an diesem Tag.

Ein Tag ist es, der schön beginnt. Mit Sonnenschein und angenehmen Temperaturen. Ein Tag zum flanieren, aber in der Domstadt wird marschiert. Unter dem Motto „Hooligans gegen Salafisten“ haben sich seit dem Morgen wohl mehr als 4000 Hooligans und Neonazis auf dem Breslauer Platz versammelt, den die Polizei großräumig mit gelbem Flatterband abgesperrt hat. Es ist ein merkwürdiges Bündnis. Gewaltbereite Fußball-Fans, die sich sonst spinnefeind sind und bei jeder sich bietenden Gelegenheit aufeinander einprügeln, haben sich dafür zusammengeschlossen. „Wir sind vielleicht schlimm, andere sind schlimmer“, lautet ihre Botschaft.

Nicht rechts? Einige zeigen den Hitlergruß

Es gehe um die Sache, versichern sie treuherzig im Internet und beteuern: „Wir sind nicht rechtsradikal.“ Am Sonntag aber skandieren viele - eingehüllt in Deutschland-Fahnen - schon bei der Ankunft in Köln rechte Parolen oder heben die Hand zum Hitlergruß. Reisende, die den Bahnhof durch den Ausgang am Breslauer Platz verlassen wollen, kehren entsetzt in Gebäude zurück. „Da trau ich mich nicht durch“, sagt einer.

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Auch auf der anderen Seite haben sich am frühen Nachmittag Menschen versammelt. „Schulter an Schulter gegen Rassismus“ wollen Gewerkschaften, Kirche und antifaschistische Initiativen wie „Kein Veedel für Rassismus“ dort stehen. Reden gibt es dort und Musik. „Bunte Funken gegen braune Halunken“ steht auf einem Schild, das jemand in die Höhe hält und auf der großen Treppe zum Dom halten sie Schilder mit Buchstaben hoch, die zusammengesetzt „Stop Fascism“ ergeben. Vom Tribünenwagen aus werden immer wieder Appelle ausgegeben: „Bleibt friedlich“. Bleiben sie, den ganzen Tag über. „Wir wollen Flagge zeigen“, sagt eine junge Frau und ist ein wenig enttäuscht, dass „nicht mehr gekommen sind“, als die rund 600, die die Polizei gezählt hat.

Gegenüber allerdings wird die Stimmung immer aggressiver. Auch weil der Platz immer voller wird. Viel weniger als die 7000 sind es, die sich via Internet angekündigt haben, aber auch weitaus mehr als die 1500, die die Polizei erwartet und auf die sie sich mit zehn Hundertschaften vorbereitet hat. Von 4000 wird am Abend die Rede sein. Mehrfach weiten die Beamten die Absperrung aus. Noch bleibt es friedlich.

Bilder, wie man sie lange nicht gesehen hat

Unter den Hashtags #HoGeSa und #nohogesa laufen am Nachmittag sekündlich neue Tweets von Demonstranten beider Seiten bei Twitter ein.

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Kurz vor 16 Uhr ist es mit dem Frieden vorbei. Kurz vor dem Ebertplatz verschafft sich die Aggression Luft. Aus den Reihen der Demonstranten fliegen plötzlich Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper auf Häuser und die begleitenden Polizisten. Die Beamten greifen zu Pfefferspray und Schlagstock. Als das nicht reicht, fordern sie Wasserwerfer an. Es sind Bilder, wie man sie aus einer deutschen Großstadt lange nicht gesehen hat.

Die Hooligans werfen Einsatzwagen um

Die Polizei will die Demo auflösen, doch die Teilnehmer wollen nicht weichen. Immer wieder kommt es zwischen Bahnhof und Ebertplatz zu schweren Zusammenstößen. Die Hooligans werfen Einsatzwagen um. 44 Beamte werden laut Polizeibericht vom Abend verletzt, einer davon schwer. Auf der Seite der Randalierer soll es einen Verletzten gegeben haben.

Einsatz von Wasserwerfern in Köln
Einsatz von Wasserwerfern in Köln

Am frühen Abend haben sich die übrig gebliebenen Demonstranten wieder am Bahnhof versammelt. In kleinen Gruppen will die Polizei sie in den inzwischen teilweise gesperrten Bahnhof zu den Zügen bringen. Aber das ist nicht so einfach. Augenzeugen sprechen später im Fernsehen von „Jagdszenen“ zwischen den Gleisen. Erst am Abend kehrt Ruhe ein, liegt der Vorplatz völlig verlassen da. Köln hat Ruhe. Erst einmal.

Die Demo in Köln - eine "neue Dimension"

Das Netzwerk "Hooligans gegen Salafisten" organisiert seit einiger Zeit wiederholt Kundgebungen in verschiedenen Städten. In Essen hatte die Polizei Ende September die Versammlung von etwa 80 Hooligans aufgelöst. Wenig später kamen etwa 300 Hooligans, darunter auch überregional bekannte Neonazis, nach Dortmund. Die Demo in Köln sei eine "neue Dimension", hieß es schon vor dem Sonntag bei der Polizei.

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Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hatte im "Express" (Samstag)" gesagt, sie betrachte die Demo "mit großer Sorge".

Ein Pro-NRW-Funktionär hatte die Demo angemeldet

Aktivitäten der Gruppe "Hooligans gegen Salafisten", bei der Hooligans und Rechtsextreme mitmischen, wurden von den Sicherheitsbehörden aufmerksam beobachtet. Angemeldet hatte die Demonstration ein Funktionär der vom Verfassungsschutz beobachteten rechtsextremen Pro NRW. (mit dpa/we)