Berlin. . Die Bundesregierung bezieht Stellung im Kampf gegen die islamistischen Terroristen und will schnell Waffen an die Kurden im Nord-Irak liefern. Die Entscheidung ist auch ein grundsätzlichen Richtungswechsel in der Außenpolitik.

Die (Vor-)Entscheidung fiel im kleinen Kreis: Kanzlerin Angela Merkel hielt Rat mit nur vier Ministern. Die waren sich schnell einig, Waffen an die Kurden im Irak für den Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) zu liefern. Deutschland hat viele Konflikte bewusst nicht befeuert – in der Ukraine, in Syrien, in Libyen. Aber diesmal will Merkel nicht abseits stehen und Frankreich, Großbritannien sowie Italien folgen.

Die Militärhilfe wird endgültig nächste Woche festgelegt und würde dann auch gleich anrollen, vermutlich Gewehre, Pistolen, panzerbrechende Waffen. Die Peschmerga, die kurdischen Kämpfer, seien „mehr oder weniger eine Infanterie“, so Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). So werden sie denn auch bewaffnet.

Begründet wird der Schwenk mit der Gefahr eines Flächenbrandes

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Momentan läuft nach den Worten von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) noch „die Phase der Faktensammlung“. Das heißt: Man stimmt sich ab, wer was liefert. Offiziell kommt die Hilfe dem Irak zugute. De facto landet sie bei den kurdischen Kämpfern im Norden des Landes.

Es gibt keinen Zweifel, dass die Große Koalition den Schritt bewusst gehen und militärisch zugunsten einer Kriegspartei eingreifen will. Das wäre für FDP-Chef Christian Lindner eine „weit reichende Änderung der außenpolitischen Grundlinien“. Es gibt wohl kaum jemand in Berlin, der ihm widersprechen würde.

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Begründet wird die neue Außenpolitik damit, dass ein Zusammenbruch der kurdischen Verteidigungslinien drohe, ein Kollaps des gesamten irakischen Staatswesens, gar ein kriegerischer Flächenbrand, wie Steinmeier sagte, als er zusammen mit von der Leyen vor die Presse trat. Aus dem Kabinett hatte Merkel nur noch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) einbezogen. Die beiden Sozialdemokraten müssen nun ihrer Partei erklären, in der die Waffenhilfe zumindest umstritten ist.

"Die Welt ist aus den Fugen"

„Die Welt ist aus den Fugen geraten“ – so beginnt der Außenminister einen Brief an die SPD-Abgeordneten. Auf drei Seiten erklärt Steinmeier darin, warum es nicht ausreiche, den Kämpfern „anerkennend auf die Schultern zu klopfen“. Wer vorschnell Nein sage zu Waffen, „macht es sich zu leicht“.

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Die Linken sind großteils gegen die Waffenlieferungen, ebenso die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. „Die Erfahrung zeigt, dass diese Waffen nicht nur einmal eingesetzt werden“, sagt sie. Der Außenminister kennt das Risiko, dass die Kurden sich nach einem Sieg für unabhängig erklären und es im Irak zu einem Bürgerkrieg kommt.

Das Dilemma besteht darin, dass man in jedem Fall Verantwortung trägt: für Handeln wie für Nicht-Handeln. Beide Szenarien haben Folgen. Jetzt geht es erst mal darum, den „atemberaubend schnellen“ Vormarsch (von der Leyen) der IS-Terroristen zu stoppen und die Waffen mit „großem Augenmaß“ zu liefern. Aus der Opposition, aber auch von der SPD kommt die Forderung, das Parlament über die Waffenhilfe entscheiden zu lassen. Dazu ist die Regierung nicht verpflichtet. Es gibt keinen Zweifel, dass sie für ihre Linie breite Rückendeckung erhalten würde.

Rückzieher ist unwahrscheinlich

Schon seit Tagen wird humanitäre Hilfe geleistet. Es folgen jetzt Ausrüstungsgüter wie Sprengstoff-Detektoren, Notstromaggregate, Schutzwesten, Nachtsichtgeräte, Munition. Und – ab kommende Woche – auch Waffen.

Niemand liefere unverantwortlich und auf eigene Faust unnützes Material, betonte Außenminister Steinmeier. Die Hilfe werde genau abgestimmt. Streng genommen, hat die Bundesregierung gestern nur erklärt, dass sie es sich „vorstellen“ kann, weitere militärische Hilfe zu leisten, auch Waffen, „wir sind bereit, das auch zu tun“, so Steinmeier. Rein formal wäre ein Rückzieher möglich. Wahrscheinlich ist er nicht.

Seit gestern stimmt die Regierung die Bürger auf Waffenlieferungen ein.