Kairo/Erbil. . Die Kämpfer des Islamischen Staates überziehen Syrien und Irak mit nie gekannter Brutalität. Hinrichtungen und Massenvergewaltigungen gehören zu ihrem Repertoire, um Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen. Mit enthemmter Gewalt metzeln sie nieder, wer sich nicht ihrem kruden Weltbild beugen will..
Ihr blutrünstiges Glaubensbekenntnis haben die Gotteskrieger kürzlich irgendwo im Irak an eine Mauer gesprayt. „Unser Kalifat kennt keine Grenzen, sondern nur Fronten.“ Fast überall sind die Kämpfer des „Islamischen Staates“ in Syrien und Irak auf dem Vormarsch, als nächstes haben ihre Strategen den Libanon, Jordanien und Saudi-Arabien im Visier.
Der Kalaschnikow-Islam verändert das Gesicht des Orients
In ihrer Internetpropaganda inszenieren sie sich als der Zorn Allahs auf Erden, in dessen Auftrag sie Falschgläubigen ihre Kehlen durchschneiden und ihre Köpfe abschlagen. Mit völlig enthemmter Gewalt metzeln sie Menschen nieder, die nicht in ihr krudes Weltbild passen - um sich selbst einen Platz im Paradies zu sichern. Gleichzeitig feiern sie sich als unbesiegbare Wiedergänger der pan-muslimischen Feldherren aus der goldenen Gründungsepoche des Islam. Ihr Kriegshandwerk haben sie in drei Jahren Syriendschungel gelernt. Ihr Kalaschnikow-Islam wird das Gesicht des Orients so umkrempeln, dass es nicht mehr wieder zu erkennen ist.
Gotteskrieger profitieren von der Schwäche ihrer Gegner
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Zum einen profitieren die Dschihadisten von der Zerstrittenheit und Schwäche ihrer Gegner. Praktisch alle nahöstlichen Staaten sind diesen Angreifern militärisch nicht gewachsen, selbst wenn sie sich für Unsummen mit modernem Militärgerät hochgerüstet haben. Bei der irakischen Armee nahmen gleich mehrere Divisionen innerhalb von Stunden Reißaus. Milliardenwerte an Panzern, Raketen und Munition fielen den Gottesmilizen kampflos in die Hände, die in punkto Taktik, Motivation und Disziplin jeder arabischen Nationalarmee überlegen sind. Die kurdischen Kämpfer, die Peshmergas, können zwar Gebiete sichern, zu komplexen Militäraktionen aber sind sie nicht fähig. Die saudischen Streitkräfte, deren Regierung 2013 weltweit der viertgrößte Waffenkäufer war, schlug sich zuletzt gegen einige hundert Rebellen an der Grenze zu Jemen so erbärmlich, dass selbst der alte König Abdullah wutschnaubend auf das Schlachtfeld eilte. Und die ägyptische Armee aalt sich lieber in chauvinistischem Tschingderassabum, als von klaren Erfolgen gegen die wenigen hundert Dschihardisten auf dem Sinai von sich reden zu machen.
Klammheimliche, ideologische Sympathie für die Horden
Hinzu kommt, dass die klammheimliche, ideologische Sympathie in der Region für die anscheinend unbezwingbaren Horden erstaunlich verbreitet ist. Viele junge Araber erleben die Offensive des „Islamischen Staates“ als langersehnte Genugtuung – auch gegen den Westen und dessen Dominanz in ihren Heimatländern. Aus Europa und den Vereinigten Staaten reist der sunnitische Nachwuchs scharenweise nach Syrien und Irak, um bei dem hyperradikalen Awakening ihres Islam mit dabei zu sein.
Zivilisten in einem apokalyptischen Maße in Mitleidenschaft gezogen
Am schlimmsten jedoch sind die Kampfmuster, die die Dschihadisten-Brigaden den eingesessenen Nationen aufzwingen und die die Zivilbevölkerung in einem apokalyptischen Maße in Mitleidenschaft ziehen. Mit ihren Horrorvideos von Massenexekutionen jagten die Extremisten im Irak und Syrien praktisch über Nacht hunderttausende Familien von Kurden, Christen, Jesiden und anderen Minderheiten in die Flucht. Die ramponierten Staaten können ihre eigenen Minderheiten nicht mehr schützen. Haben sich die Gotteskrieger erst einmal in den Wohnvierteln und Ortschaften verschanzt, sind sie praktisch nicht mehr zu vertreiben – es sei denn um den Preis einer totalen Zerstörung der historischen Städte.
Die prekäre Lage schafft Allianzen, die früher undenkbar waren
Und so beginnt die Geißel der Gotteskrieger im Nahen und Mittleren Osten neue Koalitionen und Konstellationen zu schaffen, die vor Monaten noch undenkbar waren und vor allem eins belegen – wie prekär und unabsehbar die Lage geworden ist. Im Irak ziehen der Iran, die Vereinigten Staaten und Russland jetzt bei der Militärhilfe an einem Strang. Syriens Bashar al-Assad genießt in Ägyptens Führungszirkel längst unverhohlene Sympathie. Im Libanon kämpfen Armee und Hisbollah Seite an Seite gegen die schwarzen Eindringlinge. Und eines nicht mehr fernen Tages könnte die Welt vielleicht Zeuge werden, wie sich jordanische und israelische Einheiten gemeinsam zur Verteidigung von Amman den Kalifatskriegern entgegenwerfen.