Gaza. . Unter großem Einsatz versucht die israelische Armee, das verzweigte Tunnelsystem der Hamas im Gaza-Streifen zu zerstören. Über diese unterirdischen Anlagen werden Menschen, Kämpfer, Nachschub und Waffen transportiert. 1800 solcher Schmuggel-Tunnel führen nach Ägypten.
Gaza ist auf dem Globus ohne Beispiel. 1,8 Millionen Menschen sind hier zusammengepfercht, abgeschnürt vom Rest der Welt durch Betonmauern und Megazäune. Die Enklave hat keinen Hafen und keinen Flughafen. Alle Grenzübergänge sind seit Jahren fest verriegelt. Menschenrechte wie Freizügigkeit und Reisefreiheit existieren nicht im Leben der Eingeschlossenen, für die der Ausnahmezustand Normalität ist.
60 Prozent der Bewohner sind arbeitslos und total verarmt, die seit 2007 von Israel und Ägypten gemeinsam verhängte Blockade stranguliert die Wirtschaft. Und so hat sich mit den Jahren entlang der Gaza-Grenzen eine bizarre Unterwelt entwickelt aus nahezu 2000 Tunneln, die Mehrzahl kommerziell, eine Minderzahl militärisch. Die Wirtschaftstunnel liegen an der Grenze zu Ägypten, die Militärtunnel überwiegend an der Grenze zu Israel.
1800 Schmuggelröhren
Die 1800 Schmuggelröhren mit Ägypten verlaufen überwiegend unterhalb von Rafah, der geteilten Grenzstadt. Selbst Schafe, Kühe und komplette Autos fanden unter Tage den Weg in den Küstenstreifen, durch Tunnel, die meist aus aneinander geschweißten Frachtcontainern bestanden. Hosni Mubarak hatte als ägyptischer Präsident die unterirdischen Transporteure seit dem Massenausbruch verzweifelter Gaza-Bewohner Anfang 2008 stillschweigend gewähren lassen. Sein Nachfolger Mohammed Mursi erklärte sich sogar bereit, den überirdischen Grenzübergang erstmals seit Jahren wieder für den Reiseverkehr zu öffnen.
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Doch seit dem Sturz des Muslimbruders im Sommer 2013 sind die Zeiten vorbei, als es überall in Rafah nach Diesel roch und sich in den Gassen hochbeladene Pickups tummelten. Der neue starke Mann am Nil, Präsident Abdel Fattah al-Sissi, ließ sämtliche Stollen sprengen. Der unterirdische Warenverkehr brach zusammen, das einträgliche Schmuggelgeschäft, von dem nicht nur die Beduinenclans auf dem Sinai, sondern auch die Hamas-Regierung über Tunnelsteuern profitierte, existiert nicht mehr. Auch der oberirdische Grenzübergang war im letzten halben Jahr lediglich an 17 Tagen offen.
Sogar während des israelischen Dauerbombardements ließen die Ägypter – anders als Libanon, Türkei und Jordanien im syrischen Bürgerkrieg – praktisch keine Flüchtlinge durch. Lediglich einige Dutzend Schwerverletzte durften in Rafah passieren, 800 Palästinenser mit ägyptischen oder ausländischen Pässen ebenfalls. Selbst Ehepartner mit palästinensischen Papieren wurden abgewiesen und von ihren Familien getrennt.
Waffen aus Libyen
Ägypten rechtfertigt sein hartes Grenzregime vor allem durch die wachsende Terrorgefahr, die aus dem Gaza-Streifen herüberdrang. Neben den kommerziellen unterirdischen Röhren führen zum Sinai auch geheime Tiefentunnel. Durch sie konnten Dschihadisten auf die Halbinsel einsickern oder sich rasch vor der ägyptischen Armee in den Gazastreifen zurückziehen.
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Gleichzeitig gelangten durch sie enorme Mengen an Waffen in die Küstenenklave – vor allem aus dem Libyen der Nach-Gaddafi-Zeit. Die tonnenschweren, weitreichenden Raketen, über die Hamas inzwischen verfügt, sollen sogar auf Tiefladern in mehreren Teilen herangeschafft worden sein.
Parallel dazu begannen Hamas-Kämpfer nach dem Krieg vom Januar 2009 entlang der Grenze zu Israel aufwändige, mit Beton ausgekleidete Militärtunnel zu bauen, die in 30 Meter Tiefe bis zu zwei Kilometer in israelisches Gebiet hineinragen. Durch einen solchen Tunnel wurde 2006 der Soldat Gilad Shalit entführt, den Israel nach fünfjähriger Gefangenschaft schließlich gegen gut 1000 palästinensische Häftlinge austauschte. Zudem entstand – ähnlich wie im Libanon durch die Hisbollah – ein ausgefeiltes System unterirdischer Raketenabschussrampen mit Bunkern zur Produktion und Lagerung dieser Waffen.
30 Hamas-Schächte zerstört
30 Militärschächte, teilweise ausgestattet mit Strom- und Telefonleitungen sowie Toiletten, entdeckte die israelische Armee in den letzten Tagen während ihrer Bodenoffensive. Durch sie waren Hamas-Kommandos mehrmals hinter die israelischen Linien gelangt, wie Anfang der Woche nahe dem Kibbuz Nir Am. Vier Soldaten starben, als die Eindringlinge ihren Jeep mit einer Panzerfaust unter Feuer nahmen.