Gaza/Tel Aviv/Berlin. Der Gazakrieg droht Israel immer weiter zu isolieren. Viele Airlines, darunter auch die deutschen, fliegen wegen der Raketengefahr vorerst nicht nach Tel Aviv. Während Israel sich zu Unrecht unter Druck gesetzt fühlt, verurteilt der UN-Menschenrechtsrat die Gaza-Gewalt.
Die Streichung zahlreicher Flüge nach Israel setzt das Land nun auch wirtschaftlich unter Druck. Viele Airlines stellten ihre Verbindungen zum internationalen Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv wegen des andauernden Raketenbeschusses aus dem Gazastreifen vorübergehend ein. Die Zahl der Toten in dem Palästinensergebiet stieg am Mittwoch auf 682, wie die örtlichen Rettungsdienste mitteilten. 4250 Menschen seien seit Beginn der israelischen Militäroffensive verletzt worden, darunter viele Zivilisten. Der UN-Menschenrechtsrat verurteilte die "systematische und schwere Verletzung" internationaler Menschenrechte.
Für Israel ist Ben Gurion das "Tor zur Welt". Nachdem Raketenteile in der Nähe des Flughafens gefunden worden waren, hatten amerikanische und europäische Fluggesellschaften am Dienstag vorübergehend Flüge nach Tel Aviv eingestellt - darunter die Lufthansa und Air Berlin.
Kein Ende der Gewalt in Sicht
Israels Militäroffensive im Gazastreifen geht in die dritte Woche. Trotz Vermittlungsbemühungen ist kein Ende der Gewalt in Sicht. Zu einer möglichen Waffenruhe gab es am Abend widersprüchliche Signale. Palästinensische Offizielle kündigten an, eine Feuerpause sei "binnen Stunden" möglich. Die israelische Regierung dementierte das umgehend.
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Die Flugstreichungen der deutschen Airlines gelten mindestens bis einschließlich Donnerstag. Auch die US-Luftfahrtbehörde FAA verlängerte ihr Flugverbot am Mittwoch um 24 Stunden. Inzwischen hat Israel den Militärflughafen Ovda in der Negev-Wüste nördlich von Eilat als Ausweichmöglichkeit für internationale Flüge geöffnet.
Stopp des Flugverkehrs setzt Israel unter Druck
Der israelische Luftfahrt-Experte Efraim Kommissar sagte dem Sender Arutz 7, die USA wollten mit der Maßnahme Druck auf die Regierung in Jerusalem ausüben und den Bemühungen um eine Waffenruhe zwischen Israel und der im Gazastreifen herrschenden Hamas "Rückenwind verleihen". Die US-Regierung bestritt eine solche Motivation. Es gehe einzig darum, amerikanische Bürger und Airlines zu schützen, sagte US-Außenminister John Kerry nach Angaben seines Ministeriums in einem Gespräch mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
Es ist das erste Mal seit 1991, dass ausländische Fluggesellschaften in größerer Zahl den Betrieb nach Israel einstellen. Damals hatte der irakische Diktator Saddam Hussein im Golfkrieg der USA und ihrer Verbündeten gegen die irakische Besetzung von Kuwait Scud-Raketen auf Israel abschießen lassen.
Israelische Medien warnten vor den wirtschaftlichen, aber auch psychologischen Folgen einer längeren Lähmung des Flugverkehrs. "Wenn die Aussetzung (der Flüge) dauerhaft anhält, dann wird das eine unerträgliche Situation für die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schaffen", schrieb die Tageszeitung "Haaretz".
Israels Präsident Schimon Peres kritisierte die Maßnahme. "Die richtige Antwort ist nicht, Flüge zu streichen, sondern die Raketen (der Hamas) zu stoppen", sagte er bei einem Treffen mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in Jerusalem.
Bundesregierung bringt 39 Deutsche in Sicherheit
Im Gazastreifen wurde weiter gekämpft. Die israelische Luftwaffe bombardierte am Mittwoch das Al-Wafa-Krankenhaus für schwerbehinderte Patienten im Osten der Stadt Gaza. Bodentruppen griffen das Gebäude an, in dem sich Kämpfer der islamistischen Hamas-Milizen verschanzt hatten, wie ein Militärsprecher mitteilte. Das Krankenhaus war vor vier Tagen geräumt worden, bestätigten Offizielle in Gaza. Die Bundesregierung hat nach eigenen Angaben inzwischen 39 Deutsche aus dem Gazastreifen in Sicherheit gebracht. Am Dienstag war dort eine siebenköpfige deutsch-palästinensische Familie getötet worden.
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In der Resolution des UN-Menschenrechtsrats vom Mittwoch wird unter anderem eine UN-Untersuchungskommission gefordert, die möglichen Verletzungen internationalen Rechts nachgehen soll. Das Gremium aus 47 Nationen nahm den Entwurf bei einer Sondersitzung in Genf mehrheitlich an. Bei 29-Ja-Stimmen gab es 17 Enthaltungen vor allem europäischer Länder und eine Nein-Stimme aus den USA. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, zog in Zweifel, dass Israel alles tue, um zivile Opfer zu vermeiden.
US-Außenminister Kerry setzt Vermittlungsmission fort
Auf israelischer Seite stieg die Zahl der getöteten Soldaten auf mindestens 32 - und damit auch der Druck auf die Regierung, die Krise zu lösen. Zuletzt kamen am Mittwoch ein Offizier und zwei Soldaten ums Leben. Ein Gastarbeiter aus einem nicht näher genannten Land starb bei einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen im Süden Israels.
US-Außenminister Kerry setzte seine Vermittlungsmission fort. In Jerusalem traf er am Mittwoch UN-Generalsekretär Ban, in Ramallah Palästinenserpräsident Mahmud Abbas.
Tausende demonstrieren in Paris gegen Gewalt in Gaza
Ziel der inzwischen gut zweiwöchigen israelischen Offensive ist es, die Infrastruktur der Hamas wie Raketenabschussrampen, Waffenschmieden und vor allem unterirdische Tunnel zu zerstören. Durch Tunnel dringen Hamas-Kommandos nach Israel vor, um Anschläge zu verüben. Immer wieder schlagen Raketen aus dem Gazastreifen in israelischen Orten ein.
In Paris demonstrierten am Mittwochabend viele Tausend Menschen gegen die Gaza-Gewalt. Nach Übergriffen auf jüdische Einrichtungen am Wochenende sicherten mehr als Tausend Polizisten den Protestzug.
Bundespräsident Joachim Gauck forderte angesichts antisemitischer Parolen auch in Deutschland mehr Zivilcourage. "Ich möchte alle Deutschen und alle Menschen, die hier leben, auffordern, immer dann ihre Stimme zu erheben, wenn es einen neuen Antisemitismus gibt, der sich auf den Straßen brüstet", sagte Gauck am Mittwoch in Berlin. (dpa)