Kiew. Nach dem Absturz von Flug MH17 bei Donezk macht die ukrainische Regierung den Separatisten in der Region schwere Vorwürfe. Die pro-russischen Rebellen sollen Beweismittel an der Absturzstelle vernichtet und Leichen weggeschafft haben, heißt es. Die Suche nach den Opfern des Absturzes dauert an.
Zwei Tage nach dem Absturz der malaysischen Boeing beklagen ausländische Ermittler in der Ostukraine massive Behinderungen durch Separatisten. Ein Sprecher der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erklärte in Wien, bewaffnete Rebellen hätten die Arbeit der etwa 20 OSZE-Vertreter am Absturzort auch am Samstag erheblich eingeschränkt.
Die ukrainische Regierung beklagte sich ebenfalls über Beschränkungen ihrer Experten. Die prorussischen Separatisten wiesen die Vorwürfe zurück und sagten den Experten eine Zusammenarbeit zu. Sie wollen aber im Absturzgebiet bleiben, um vor Ort eine "objektive Untersuchung" zu gewährleisten.
Bei dem Absturz am Donnerstag waren alle 283 Passagiere und 15 Besatzungsmitglieder an Bord der Boeing ums Leben gekommen - unter ihnen 193 Niederländer und 4 Deutsche. Die betroffene Fluggesellschaft Malaysia Airlines hat inzwischen auch eine Namensliste der Opfer veröffentlicht.
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Die Boeing 777-200 war am Donnerstag nach einem mutmaßlichen Raketenbeschuss in dem von Rebellen kontrollierten Gebiet abgestürzt.
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Die Hintergründe der Katastrophe sind weiter unklar. Nach Angaben von US-Präsident Barack Obama sind dafür sehr wahrscheinlich moskautreue Kräfte verantwortlich. Die Boden-Luft-Rakete, die das Flugzeug abgeschossen habe, sei aus einem von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiet abgefeuert worden, sagte Obama am Freitag. Russland kritisierte Berichte über einen angeblichen Abschuss der Maschine als "voreilig". Damit sollten offenbar Ermittler beeinflusst werden, teilte das Außenministerium in Moskau mit.
Separatisten sollen Leichen weggeschafft haben
Der OSZE-Sprecher sagte, dem Team sei erneut der vollständige Zugang zur Absturzstelle verwehrt worden. Die Gruppe habe aber zumindest mehr Bewegungsfreiheit als am Vortag bekommen. Am Freitag konnten sich die Beobachter nur etwa 70 Minuten lang an der Absturzstelle aufhalten.
Der ukrainische Geheimdienstchef Valentin Naliwaitschenko teilte mit, die Aufständischen hätten einer "Sicherheitszone" rund um das Wrack zugestimmt. "Wir hoffen nun, dass die Terroristen verschwinden und uns das Arbeiten an der Absturzstelle ermöglichen", sagte er im Fernsehen.
Die OSZE-Mitarbeiter hätten beobachtet, wie Leichen der 298 ums Leben gekommenen Passagiere des Flugs MH17 von Unbekannten in Plastiksäcke gepackt und an den Straßenrand geräumt wurden, sagte der Sprecher weiter. Das gesamte Absturzgebiet sei nach wie vor scharf bewacht.
Experten aus Kiew hätten sich lediglich 30 Minuten unter Aufsicht bewaffneter Aufständischer an der Absturzstelle nahe Grabowo aufhalten dürfen, beklagte auch der ukrainische Vize-Regierungschef Wladimir Groisman am Samstag in Kiew. Nach Angaben aus Kiew sind bislang etwa 170 ukrainische Helfer im Einsatz.
Von mehr als 100 Absturzopfern fehlt noch jede Spur
Von mehr als 100 Absturzopfern fehlte auch zwei Tage nach dem Unglück weiter jede Spur. Bislang seien 186 Leichen geborgen worden, teilte der staatliche ukrainische Rettungsdienst am Samstag mit. Die Suche nach den übrigen Opfern gestalte sich sehr schwierig, da die Wrackteile über etwa 25 Quadratkilometer verstreut seien. Das ist etwa die Fläche der ostfriesischen Insel Norderney.
Die Separatisten in der Ostukraine wiesen die Vorwürfe zurück, sie würden eine Untersuchung der Absturzursache massiv behindern. "Wir haben der OSZE zugesagt, weder die Flugschreiber zu entfernen noch Leichen abzutransportieren", sagte einer der Sprecher der Aufständischen, Sergej Kawtaradse, am Samstag in Donezk.
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Die Regierung in Kiew setze offenbar auf eine Verzögerungstaktik. "Die internationalen Experten sollen jetzt doch erst an diesem Sonntag zum Wrack kommen. Wertvolle Zeit geht verloren - Zeit, in der Spuren völlig zerstört sein können", kritisierte Kawtaradse. Auch Separatistenanführer Alexander Boradaj sicherte den Experten eine Zusammenarbeit zu. "Die Flugschreiber können zum Beispiel dem Internationalen Roten Kreuz übergeben werden, kein Problem", sagte er.
BKA schickt Experten in die Ukraine
Weitere Fachleute werden in der Ukraine erwartet. Der niederländische Außenminister Frans Timmermans ist inzwischen mit einer Gruppe von 15 Experten in Kiew angekommen. Auch Deutschland beteiligt sich an der Bergung und Identifizierung der Opfer. Zwei Fachleute des Bundeskriminalamtes reisten am Samstag in die Ukraine. Ein BKA-Sprecher sagte, sie wollten sich in Kiew mit einem größeren Team von Identifizierungsexperten treffen und das weitere Vorgehen besprechen. Sowohl der genaue Einsatzort als auch die Führung der Mission müssten noch geklärt werden. Die internationale Polizeiorganisation Interpol schickt am Sonntag ein Spezialteam.
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Die ukrainische Regierung warf den prorussischen Separatisten auch vor, am Absturzort Beweismaterial zu vernichten. Die Aufständischen wollten mit Lastwagen Wrackteile über die russische Grenze bringen, hieß es in einer am Samstag in Kiew veröffentlichen Mitteilung. Die Separatisten wollten "Beweise ihrer Mitwirkung an dem Unglück vertuschen". Zudem hätten die militanten Gruppen 38 Leichen von der Absturzstelle in die Großstadt Donezk gebracht. Die Separatisten bestritten den Abtransport von Leichen. "Wozu brauchen wir sie? Ganz im Gegenteil. Wir wollen, dass zuständige Experten kommen und die Leichen bergen", sagte ein Separatistensprecher.
Obama telefoniert mit Merkel
Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonierte am Samstag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Merkel und Putin seien sich einig, dass es rasch ein direktes Treffen der Kontaktgruppe aus Vertretern der Ukraine, Russlands und OSZE mit den Separatisten geben müsse, um eine Waffenruhe zu vereinbaren, teilte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter in Berlin mit.
US-Präsident Obama telefonierte am Freitag mit Merkel, dem britischen Premierminister David Cameron, Polens Premierminister Donald Tusk und Australiens Premierminister Tony Abbott, wie das Weiße Haus mitteilte. Alle fünf Politiker sprachen sich demnach für eine schnelle internationale Untersuchung aus, um die Hintergründe des Absturzes zu klären. (dpa)