Berlin. Ein Erlanger Student, der sich mit Verschlüsselung von Daten im Internet beschäftigt, ist offenbar vom US-Geheimdienst NSA ausgespäht worden. Das haben Recherchen der Sender WDR und NDR ergeben. Demnach werden auch tägliche Hunderttausende Nutzer, die auf entsprechende Server zugreifen, von der NSA speziell markiert.

Der US-Geheimdienst NSA hat nach Recherchen der Sender NDR und WDR einen Studenten aus Erlangen ausgespäht, der sich mit Verschlüsselung im Internet beschäftigt. Der Mann mit dem Namen Sebastian Hahn betreibe einen Server für das Anonymisierungsnetzwerk Tor, mit dem Nutzer versuchen, ihre Spuren im Internet zu verwischen. Er sei nach Kanzlerin Angela Merkel das zweite namentlich bekannte Opfer der NSA.

Alle Nutzer, täglich Hunderttausende, die auf den von Hahn bereitgestellten Server zugreifen, würden von der NSA speziell markiert, ihre Verbindungen gespeichert, berichteten die Sender am Donnerstag. Die NSA filtere damit die Nutzer des Anonymisierungsnetzwerks heraus. Diese landeten dann in einer speziellen NSA-Datenbank.

Hahn nannte die Ausspähung "schockierend" und sagte den Sendern: "Das ist ein Rieseneingriff in meine Privatsphäre."

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Der Grünen-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Konstantin von Notz, bezeichnete den Vorgang am Donnerstag im ARD-"Morgenmagazin" als "verheerend". Die einzige Antwort der Bundesregierung auf die NSA-Affäre laute, die Bürger sollten sich im Internet selbst schützen und ihre Daten verschlüsseln. "Und nun stellen wir fest, dass gerade die, die verschlüsseln und das nutzen, überwacht werden. Das ist pervers und verrückt."

Massive Kritik an Bundesregierung aus NSA-Untersuchungsausschuss

Im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags gibt es parteiübergreifend massive Kritik an der Kooperationsbereitschaft der Bundesregierung. Der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU) kritisierte am Donnerstag im ARD-"Morgenmagazin", dass in den bereitgestellten Akten viele Stellen unleserlich gemacht worden seien. "Wir sind nicht zufrieden mit dem umfangreichen Schwärzen durch die Bundesregierung. Da werden wir in einen intensiven Dialog treten. So geht es nicht."

Der Grünen-Obmann Konstantin von Notz kritisierte die Bundesregierung in der ARD ebenfalls scharf: "Man versucht, die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschuss durch mehrere Maßnahmen zu sabotieren. Das ist ein Armutszeugnis. Und das geht so nicht." So könne der ehemalige NSA-Mitarbeiter Edward Snowden nicht nach Deutschland kommen. Zudem seien in den bereitgestellten Akten "die relevanten Dinge" geschwärzt.

Der NSA-Untersuchungsausschuss will an diesem Donnerstag mit der Befragung ehemaliger Mitarbeiter des US-Geheimdienstes beginnen. Dabei sollen zunächst Thomas Drake und William Binney Auskunft geben. Beide hatten die Daten-Ausspähung der NSA kritisiert. "Ich glaube schon, dass wir sehr tiefe Detailkenntnisse heute bekommen werden, wie die NSA arbeitet und welchen Auftrag die NSA hat, im Bereich zum Beispiel Abhören von Bürgerinnen und Bürgern, aber auch zum Beispiel von mittelständischen Unternehmen", sagte Sensburg in der ARD. (dpa)