Washington. . Die britischen und US-Geheimdienste sind nach Medienberichten in der Lage, verschlüsselte Kommunikation im Internet zu knacken. Gängige Verschlüsselungstechniken zur Chiffrierung von E-Mails, Banküberweisungen oder Telekommunikation seien keine Hindernisse. Quelle der Enthüllungen: Edward Snowden.
Geheimdienste können offenbar bis in die tiefste Online-Privatsphäre vordringen. Gängige Verschlüsselungssysteme für Daten, E-Mails oder Bankgeschäfte stellen für den US-Dienst NSA und den britischen GCHQ kein Hindernis dar. Mit Hilfe von Supercomputern sei es ihnen gelungen, die Mehrheit der bekannten Technologien zu knacken oder zu umgehen, berichteten die "New York Times" und der "Guardian" am Donnerstag in ihren Onlineausgaben. Sie beriefen sich dabei auf Dokumente des Whistleblowers Edward Snowden.
Den Angaben zufolge kommen die Spionagebehörden auch unter aktiver Mithilfe großer Technik- und Internetfirmen an die verschlüsselten Daten. Die NSA habe etwa sicherstellen können, dass verbreitete Verschlüsselungssysteme bestimmte Schwächen aufweisen, die ein Ausspähen ermöglichen. Der Dienst steckt dem "Guardian"-Bericht zufolge jährlich 250 Millionen Dollar in ein Programm, das unter anderem zum Ziel hat, "verdeckt" Einfluss auf die Produkte von Firmen zu nehmen. Genannt werden die Unternehmen nicht.
Auch Geheimdienste in Kanada, Australien und Neuseeland kennen NSA-Programm
Auch der britische Geheimdienst GCHQ sei beim Code-Knacken sehr erfolgreich. Seine Experten hätten es zuletzt besonders auf Ziele wie Google, Yahoo, Facebook und Microsoft abgesehen.
Das milliardenteure NSA-Programm mit dem Codenamen Bullrun gehört demnach zu den größten Geheimnissen der Behörde. Nur sehr wenige Mitarbeiter hätten Zugang zu den Top-Secret-Informationen - und nur die Partnerbehörden in Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland wüssten davon.
In der Informationstechnologie wird Verschlüsselung eingesetzt, um vertrauliche Inhalte vor dem unbefugten Zugriff anderer zu schützen. Dabei werden Informationen mit Hilfe komplexer mathematischer Formeln verschlüsselt. Je länger ein solcher Schlüssel ist, desto mehr Sicherheit bietet er. Die sichersten Verschlüsselungen zu knacken, erfordert eine Rechenleistung, die selbst moderne Rechenzentren nicht bieten können.
Verschlüsselungsexperte sieht keine Schutz-Möglichkeit vor NSA
Gegen die Überwachung durch die NSA können sich Internetnutzer nach Einschätzung von Verschlüsselungsexperten Jörn Müller-Quade kaum schützen. Das gehe nur, "wenn die NSA sich nicht für Sie interessiert", sagte der Professor des Institut für Kryptographie und Sicherheit in Karlsruhe der Nachrichtenagentur dpa. Zwar warnen Fachleute schon länger vor dem Ausschnüffeln der Netzkommunikation durch Nachrichtendienste. Doch das Ausmaß der Programme, die britische und amerikanische Dienste den Berichten zufolge betreiben, überraschte Müller Quade. "Ich dachte immer, dass die Geheimdienste nur Zugang zu Internet-Providern haben und das Betriebssystem angreifen", sagte er. Medienberichten zufolge hat der US-Geheimdienst NSA gängige Verschlüsselungssysteme geknackt, teilweise mit Hilfe großer Internetunternehmen.
Müller-Quade rät Verbrauchern dennoch, sich zum Beispiel auf der Internetseite des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) über Verschlüsselung zu informieren. "Sobald Sie verschlüsseln, erschweren Sie den Zugriff", sagte er. Möglicherweise hat die NSA-Affäre auch einen positiven Effekt: "Wenn der Wunsch nach Verschlüsselung und damit der Markt wächst, könnte es sein, dass auch die Mechanismen einfacher werden." (dpa)