Washington. Der Verdacht, dass NSA-Mitarbeiter das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel abhörten, fußt auf einem Geheimdokument. Ob es der ermittelnde Generalbundesanwalt Harald Range jemals sehen wird, bezweifeln die amerikanischen Behörden. Die USA wollen die Wogen lieber mit direkten Gesprächen glätten.

Vor Angela Merkel rangieren die Präsidenten Somalias, Weißrusslands und Kolumbiens. Direkt hinter ihr kommt der syrische Diktator Assad. Ganz am Schluss, auf Platz 122, findet sich die frühere ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko. Die Liste von internationalen Regierungschefs aus der Nymrod-Datenbank der „National Security Agency“ (NSA) entstammt einem als „top secret“ eingestuften Papier aus dem Fundus des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snwoden.

Es fand den Weg in die Medien, unter anderem Ende März auch auf die Internetseite „The Intercept“ des Enthüllungsautors Glenn Greenwald. Im Falle Merkel sind mehr als 300 Fundstellen verzeichnet. Heißt: 300 Mitschriften von abgehörten Telefonaten. Es ist nach Auffassung von Geheimdienst-Experten in Washington „der wohl klarste Beleg für das fortgesetzte Abhören der deutschen Bundeskanzlerin durch amerikanische Geheimdienste“.

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Dass Generalbundesanwalt Harald Range es während des von ihm eingeleiteten Ermittlungsverfahrens in der Angelegenheit „Handy-Gate/Merkel“ jemals authentisch zu Gesicht bekommen wird, glaubt in Washington indes niemand. Hier gilt das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwaltes in Justizkreisen „als im Sande verlaufen, bevor es überhaupt begonnen hat“. Entsprechend unspektakulär fielen bisher die Reaktionen.

USA setzen auf direkte Gespräche statt auf Ermittlungen

Obamas Berater für strategische Kommunikation, Ben Rhodes, verpackte die dezente Säuernis über den Schritt der deutschen Justiz acht Monate nach Bekanntwerden der Lauschaktion gegen Merkels Mobiltelefon in diplomatische Floskeln. Die geeignetste Methode mit dem Thema zu verfahren seien direkte, vertrauliche Gespräche zwischen Deutschland und Amerika auf Regierungsebene und zwischen den Geheimdiensten, sagte er. „Wir glauben, wir haben eine offene Leitung und gute Drähte mit der Kanzlerin und ihrem Team und darauf werden wir uns weiter konzentrieren. Das ist unserer Meinung nach der beste Weg, Vertrauen aufzubauen.“

Was das für Ranges absehbare Rechtshilfeersuchen in Richtung US-Justizministerium bei der Aufklärung der Handy-Affäre bedeutet, kann man sich leicht ausmalen: Sackgasse. In regierungsnahen Kreisen in Washington wurde gestern daran erinnert, dass Fragen-Kataloge der Bundesregierung zum NSA-Gebaren seit vergangenem Sommer weitgehend unbeantwortet geblieben sind.

Und selbst als Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, und Gerhard Schindler, Chef des Bundesnachrichtendienstes, in der NSA-Zentrale in Fort Meade vorstellig wurden, um Details über die Überwachung von Merkels Mobiltelefon in Erfahrung zu bringen, war der Ertrag marginal. Der damals amtierende NSA-Chef, General Keith Alexander, verweigerte dem Vernehmen nach die Auskunft.

NSA-Mitarbeiter lassen sich nicht zu einer Aussage hinreißen

Für Präsident Barack Obama ist der für ihn international äußerst unvorteilhafte Vorgang ohnehin seit Monaten erledigt. Er hat nach Bekanntwerden des Spähangriffs auf seine „wichtigste Partnerin in Europa“ (Zitat Obama) mehrfach ebenso öffentlich wie kleinlaut bekundet, dass Merkels persönliche Kommunikation nicht abgehört wird und dies auch in Zukunft nicht der Fall sein wird, zuletzt Anfang des Jahres im ZDF-Interview. Was allgemein als Eingeständnis verstanden wurde, dass es in der Vergangenheit genau anders war.

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Wichtiges Indiz dafür und womöglich für Generalbundesanwalt Range von Belang: Der Bielefelder EU-Parlamentarier Elmar Brok (CDU) hatte Ende Oktober 2013 in Washington im Gespräch mit Journalisten, darunter auch dieser Zeitung, von einer „eindrucksvollen Begegnung“ mit der einflussreichen demokratischen Senatorin Dianne Feinstein und dem damaligen NSA-Chef Keith Alexander berichtet. Dabei soll Alexander auf mehrfaches Nachfragen der 80-jährigen Politikerin, ob Merkels Handy tatsächlich belauscht wird, kleinmütig eingeräumt haben: „nicht mehr“.

Offiziell hat sich die NSA-Spitze bis heute nie konkret zu den Abhörvorwürfen in der Causa Merkel geäußert. Auch in den einschlägigen Ausschüssen des Kongresses mauerten die führenden Köpfe durchgehend, wenn es konkret wurde. Sämtliche Aussagen hatten den allgemeinen Tenor: Wir betreiben Spionage wie jedes andere Land auch - und wir entschuldigen uns nicht dafür, dass wir womöglich erfolgreicher sind. Dass sich die Haltung ändert, nur weil ein deutscher Chef-Ermittler die Mühlen der Justiz mahlen lässt, gilt in der US-Geheimdienst-Community als „ausgeschlossen“.