Berlin. Die Große Koalition berät über flexible Übergänge in den Ruhestand. Dabei geht es um eine Teilrente schon ab 60. Aber auch um die Möglichkeit, freiwillig länger zu arbeiten. Das würde die Sozialkassen entlasten - und vielen Senioren entgegenkommen. Allerdings ist die Umsetzung enorm komplex.

Bisher tritt die Rente wie ein Fallbeil ein. Zack. Es gibt ein klares gesetzliches Eintrittsalter, das bei 65 Jahren lag und schrittweise auf 67 steigen soll. Es könnte flexibler zugehen, glaubt Carola Reimann. „Wir sollten schauen“, meint die Vizechefin der SPD-Fraktion, „dass wir den Rentenbeginn an die persönliche und gesundheitliche Situation und an die jeweiligen Arbeitsbedingungen anpassen.“

Das liegt nicht zuletzt in ihrer Hand. Reimann führt den SPD-Teil einer zwölfköpfigen Politiker-Runde an, die ab Mittwoch über flexiblere Übergänge in den Ruhestand berät, die sogenannte Flexi-Rente. Dass es die Koalitionsarbeitsgruppe überhaupt gibt, ist schon ein Politikum an sich. Damit schafft man ein Forum für den Wirtschaftsflügel der Union, der nur widerwillig – und unter Druck – der Rente mit 63 zugestimmt hatte. Dort war denn auch anfänglich verächtlich von einem „Zuckerle“ die Rede – eine süße Verdauungshilfe für die Kröte, die man doch schlucken musste.

Alle reden von Flexibilität

Nun sprechen alle von Flexibilität, und zumindest die Union meint einen späteren Ruhestand, nicht mit 65 oder 67, sondern mit 70 oder später. Das hätte drei Vorteile. Es würde die Beitragszahler entlasten. Viele Fachkräfte stünden länger zur Verfügung – gebraucht werden sie. Und es würde zur Lebensplanung der Senioren passen, die vielfach zurück ins Berufsleben drängen, sei es aus Geldnot, sei es, weil sie Lust darauf haben. So oder so wäre es freiwillig.

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Wenn schon flexibel, dann bitte richtig, in jede Richtung, meint der DGB und regte an, den Beschäftigten bereits ab 60 die Chance zu eröffnen, eine Teilrente zu beziehen. Man kann sie bisher frühestens mit 63 Jahren erhalten und die Abschläge sind hoch. Seit es die Teilrente gibt, seit 1992, nutzen jedes Jahr nur 1000 Arbeitnehmer die Chance. Man muss es sich leisten können, auf viel Geld zu verzichten. Es ist nicht so klar, ob der DGB den Vorschlag ernsthaft verfolgt oder es darauf angelegt hat, die Verhandlungen ad absurdum zu führen. Was CDU-Mittelständler wie Carsten Linnemann als „Gegenpol“ zur Rente mit 63 angedacht hatten, sollte nach hinten losgehen. Bis zum Herbst will die Kommission tagen und dann ihre Vorschläge machen.

Politische Wanderdüne

Einen flexiblen Renteneintritt gibt es in Schweden, im Wahlkampf hatte die FDP dafür geworben. Es ist eine politische Wanderdüne, die endgültig Union und SPD erreicht hat. Viele Modelle sind denkbar, zum Beispiel, dass ein Arbeitnehmer über 65 hinaus dann mit einem befristeten Arbeitsvertrag weiter beschäftigt wird. Der Teufel steckt im Detail: Ob und wie hoch Sozialkassenbeiträge anfallen würden etwa.

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Der DGB fordert höhere Hinzuverdienstgrenzen bei Teilrenten – zwingend angesichts der hohen Abschläge. Die Mittelständler in der CDU würden den Arbeitgebern die Beiträge in die Renten- und Arbeitslosenversicherung erlassen, wenn ein Mitarbeiter Altersrente bezieht.

Viele Stellschrauben

Es sind sehr viele, höchst unterschiedliche Stellschrauben. Und wo man auch dreht, immer hat es Folgen: Mal für die Rentenkassen, mal für die Chancen der jungen Berufseinsteiger oder für Arbeitslose auf Jobsuche. Natürlich müsste eine Flexi-Rente von den Tarifparteien flankiert werden. Und: Was ist eigentlich der Erfolgsmaßstab? Die Erwerbstätigenquote bei über 65-Jährigen, antworten die CDU-Mittelständler. Die Kommission soll im Arbeitsministerium tagen, das den Vorsitz übernimmt, die Expertise liefert, die Arbeit steuert. Ressortchefin Andrea Nahles (SPD) will alle schön im Auge behalten.