Kiew/Moskau. Der ukrainische Präsident Poroschenko hat verlautbaren lassen, dass er seinen Friedensplan für die Ostukraine vorstellen will. Russland hingegen sorgt wieder für Spannung und stockt seine Truppen im Grenzgebiet zum Nachbarn erneut auf. Zudem hat es erneut blutige Gefechte gegeben.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat für die Dauer einer Woche eine einseitige Waffenruhe für die umkämpfte Ostukraine erklärt. Der seit langem angekündigte Schritt solle den Weg für einen Friedensplan freimachen, teilte das Innenministerium in Kiew mit.
Der mit Spannung erwartete Friedensplan ließ unterdessen weiter auf sich warten. Poroschenko wolle das Papier vor einer Veröffentlichung mit Außenminister Pawel Klimkin, dem Sicherheitsrat und ausländischen Diplomaten diskutieren, teilte das Presseamt des Präsidenten mit.
Der Vizechef der Präsidialverwaltung, Waleri Tschaly, sprach von komplizierten Diskussionen. Medien in Kiew zufolge waren sich Poroschenko und seine Berater nicht einig, ob die Zentralmacht den prorussischen Separatisten das Gespräch anbieten soll. Auch die von Poroschenko ins Spiel gebrachte einseitige Feuerpause stand auf der Kippe, hieß es.
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Der Präsident soll den Plan, der 14 Punkte umfasst, nach einem Treffen mit Vertretern der Ostukraine überarbeitet haben. Ein letzter Entwurf sah unter anderem eine Amnestie für Aufständische vor, die nicht in schwere Straftaten verwickelt sind.
Merkel: Unverändert zu weiteren Sanktionsmaßnahmen bereit
Russland hat Kritik der Nato an einer Konzentration von Truppen an der ukrainischen Grenze zurückgewiesen. Bei der Verstärkung von Einheiten handele es sich um die vom Westen selbst geforderte Sicherung der Grenze, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag in Moskau.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich besorgt über russische Truppenbewegungen entlang der Grenze zur Ukraine. Sie forderte Moskau erneut auf, den Zustrom von Waffen und Kämpfern in die Ukraine zu unterbinden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Kremlchef Wladimir Putin müsse auf die Separatisten einwirken, dass sie einen Waffenstillstand auch einhalten, sobald ihn Poroschenko anbiete. Bundesregierung und EU seien unverändert zu weiteren Sanktionsmaßnahmen bereit, sollte Russland nicht zu einer Deeskalation im Osten der Ukraine beitragen.
Kremlsprecher Peskow sagte, Putin habe die Verstärkung der Truppen «vor Wochen» mit westlichen Partnern besprochen. Die Kritik sei daher «verwunderlich». Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hatte den Aufmarsch am Vortag kritisiert. Der Westen hatte Russland zu einer stärkeren Kontrolle der Grenze zur Ukraine aufgefordert. Damit soll verhindert werden, das Separatisten Waffen aus Russland erhalten.
In der Ukraine sagten drei frühere Präsidenten Poroschenkos Friedensplan demonstrativ ihre Unterstützung zu. Die Initiative sei der richtige Weg für Frieden, teilten Leonid Krawtschuk, Leonid Kutschma und Viktor Juschtschenko in einer gemeinsamen Erklärung mit.
Beide Seiten halten Gefangene
Am späten Donnerstagabend erörterten Poroschenko und der russische Präsident Wladimir Putin bei einem Telefonat erneut die Pläne für die Waffenruhe. Putin habe dabei noch einmal auf einem Ende der Gewalt bestanden, damit die Krise gelöst werden könne, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Poroschenko habe sich für eine Freilassung von "Geiseln" in den Konflikt ausgesprochen, teilte die Präsidialverwaltung in Kiew mit.
Sowohl die prorussischen Separatisten, die für eine Unabhängigkeit von Kiew kämpfen, als auch die Regierungstruppen halten jeweils Gefangene. Daneben haben die Separatisten seit drei Wochen zwei Beobachterteams der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in ihrer Gewalt.
Truppenaufmarsch sorgt für neue Spannungen
Trotz der direkten Gespräche der beiden Präsidenten sorgte Russland mit einem neuen Truppenaufmarsch im Grenzgebiet zum Nachbarland für neue Spannungen. "Ich kann bestätigen, dass wir eine neue russische Militärpräsenz sehen, mindestens mehrere Tausend zusätzlicher russischer Soldaten in der Nähe der Grenzen der Ukraine", sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in London.
Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu habe den Aufmarsch bei einer nichtöffentlichen Anhörung der Staatsduma in Moskau bestätigt, berichtete die Moskauer Tageszeitung "RBK daily". Das Militär habe sich zu einem Aufmarsch entschlossen, da die Gefechte in der Ukraine nicht abklingen würden.
Kontakt zu den verschleppten OSZE-Beobachtern
Der britische Premierminister David Cameron bezeichnete das Verhalten Russlands bezüglich der Ukraine als "illegale Aggression". Moskau setze die Kooperation mit der Nato in der Zukunft aufs Spiel. Rasmussen bedauerte den Truppenaufmarsch. "Wenn sie dort eingesetzt würden, um die Grenze zu schließen und den Strom von Waffen und Kämpfern (in die Ukraine) zu stoppen, dann wäre das ein positiver Schritt", sagte Rasmussen. "Aber das ist nicht das, was wir sehen."
Die OSZE teilte mit, erstmals wieder Kontakt zu ihren seit rund drei Wochen in der Ostukraine verschleppten Beobachtern zu haben. "Sie sind okay und nicht verletzt", sagte der Sprecher der OSZE-Mission in Kiew, Michael Bociurkiw, der Nachrichtenagentur dpa. Unter den vermutlich von prorussischen Separatisten festgehaltenen Beobachtern soll auch eine Deutsche sein. (dpa)