Berlin. . Nach der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Lauschangriffs auf das Handy von Kanzlerin Merkel hält Generalbundesanwalt Harald Range auch eine Vernehmung des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden für möglich. Dies “müssen wir abwägen“, sagte Range in Karlsruhe.
Ein Jahr nach den ersten Enthüllungen in der NSA-Affäre wird die amerikanische Ausspähpraxis doch noch ein Fall für die deutsche Justiz: Generalbundesanwalt Harald Range hat am Mittwoch förmliche Ermittlungen wegen des abgehörten Handys von Kanzlerin Angela Merkel eingeleitet – ein Verfahren auch wegen der massenhaften Überwachung von Bundesbürgern wird weiter geprüft.
Die Entscheidung Ranges, des obersten deutschen Strafverfolgers in Spionagefällen, ist ein Einschnitt in die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Formell richtet sich das Ermittlungsverfahren zwar gegen Unbekannt, tatsächlich aber gegen den Geheimdienst eines befreundeten Landes. Ein Novum.
Rückendeckung der Bundesregierung
Doch hat Range nach Informationen dieser Zeitung die Rückendeckung der Bundesregierung. „Es liegen greifbare Tatsachen vor, die den Verdacht der möglichen Ausspähung eines Mobiltelefons der Bundeskanzlerin durch unbekannte US-amerikanische Geheimdienste begründen“, sagte Range vorsichtig.
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Dabei gilt es in der Bundesregierung inzwischen als gesichert, dass der Geheimdienst NSA das Handy Merkels über Jahre überwachte. Den entscheidenden Hinweis gab im Oktober 2013 ein Dokument des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden, in dem Merkels Handynummer in einer Zieldatenbank aufgeführt war; Prüfungen deutscher Behörden erhärteten den Verdacht schnell.
Auf den Protest Merkels verneinte die US-Regierung nur, dass ihr Handy aktuell abgehört werde – die jahrelange Praxis aber wurde nicht bestritten. Range will nun zunächst Zeugen vernehmen, auch zum Anwalt von Snowden hat er Kontakt aufgenommen.
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Rund 2000 Strafanzeigen eingegangen
Geheimdienstliche Agententätigkeit wird in Deutschland mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren, in schweren Fällen bis zu zehn Jahren bestraft. Dass jemals ein NSA-Mitarbeiter in diesem Fall verurteilt wird, ist allerdings so gut wie ausgeschlossen: Die US-Behörden werden sich in Schweigen hüllen, was es unmöglich macht, die Abhöraktionen einzelnen Personen zuzuordnen – und wenn, dürften sie diplomatische Immunität genießen.
Von einem Ermittlungsverfahren wegen der vermuteten massenhaften Ausspähung von Kommunikationsdaten der Bundesbürger durch amerikanische und britische Dienste, etwa durch das „Prism“-Programm, will Range zunächst absehen, den Fall aber „unter Beobachtung halten“. Bislang hätten aber auch 2000 Strafanzeigen zu der Massenausspähung keine zureichenden Tatsachen für konkrete, verfolgbare Straftaten ergeben, sagte Range.
Die Grünen kritisierten diese Beschränkung, Abgeordnete der Koalition mahnten weitere Prüfungen an.