Bochum. Sozialdemokraten verzeichnen nach historischem Tief von 2009 Zuwachs von 6,5 Prozent. CDU, FDP und Grüne verlieren. Wahlbeteiligung steigt um zwölf Prozent.
Die Entfernung von Bochum nach Brüssel ist überschaubar. Mit dem Auto lassen sich die 223 Kilometer von Rathaus zu Rathaus in zweieinhalb Stunden bewältigen. Gleichwohl schien Belgiens Hauptstadt mit ihrem Sitz des EU-Parlaments in den Köpfen vieler Bochumer mittlerweile weit weg zu sein. Nach einer imposanten Wahlbeteiligung von 69 Prozent bei der ersten Wahl zum EU-Parlament 1979 hatten vor fünf Jahren gerade einmal noch 38,37 Prozent der Bochumer sich daran beteiligt. Europamüdigkeit?
Nun gab es den Umschwung. 140 196 Wählerinnen und Wähler (50,2 Prozent) zog es am Sonntag zur Wahlurne. Wahlleiter Michael Townsend sprach von einem „außerordentlich starken Ergebnis“, angesichts des Zuwachses von zwölf Prozentpunkten ließe sich von einem „Erdrutsch“ sprechen. Bei den Wahlergebnissen liegt die Stadt im Bundestrend. Die SPD legte nach ihrem historischen Tief 2009 deutlich zu, um 6,5 auf nunmehr 39,7 Prozent; die CDU verlor 3,8 und kommt nun auf 25,1 Prozent, die FDP erlebte einen Einbruch von 8,7 (2009) auf nur noch 3,2 Prozent. Auch die Grünen verloren 2,6 Prozent.
Bochum profitiert nicht unerheblich
Nun ist in der Stadt vermutlich keine Europa-Euphorie ausgebrochen, der starke Zuwachs bei der Wahlbeteiligung vor allem wohl auf die zugleich ausgetragene Kommunalzurückführen, die den Wählerinnen und Wählern buchstäblich näher geht. Eine Rolle mag dennoch auch gespielt haben, dass Bochum nicht unerheblich von der EU und ihren Töpfen profitiert. 64,7 Millionen Euro Fördergelder wurden in der abgelaufenen, sechsjährigen Förderperiode bewilligt unter anderem 6,5 Millionen Euro für das Musikzentrum, 3,2 Millionen Euro für den Stadtumbau West und 2,6 Millionen Euro für den Schlosspark Weitmar. Projekte der Ruhr-Uni werden mit mehr als 20 Millionen Euro unterstützt.
Ins Europaparlament zieht möglicherweise für die CDU Dennis Radtke ein. Ob sein Listenplatz neun in NRW für das Ticket nach Brüssel reichte, stand am Sonntagabend indes noch nicht fest. Seine Enttäuschung konnte der 35-jährige Gewerkschaftssekretär über das Abschneiden in Bochum nicht verbergen. „In absoluten Zahlen ist es ja gar nicht so schlecht, prozentual fällt es aber deutlich ab.“ Den deutlichen Zuwachs beim großen Rivalen SPD führt er darauf zurück, dass es diesem in Verbindung mit der Kommunalwahl gelungen sei, jene Enttäuschten zurückzugewinnen, die ihm vor fünf Jahren die Stimme verweigert haben.
In jedem Fall sei es aber eine richtige Entscheidung gewesen, Kommunal- und Europawahl zusammen zu legen. Das und die stärkere mediale Präsenz der Europawahl hätten für den deutlichen Anstieg bei der Wahlbeteiligung gesorgt.
Fixer Start, aber am Ende hakte die Auszählung
Gegen 18.15 Uhr war die erste Schnellmeldung aus der Schule in Höntrup gekommen. „Dort waren sie besonders schnell“, so Wahlleiter Michael Towesend, der von einem reibungslosen Verlauf der Wahl und einer zügigen Auszählung berichten konnte.
Bis 20 Uhr waren dann schon 369 der 384 Meldungen aus insgesamt 249 Wahllokalen bzw. den Briefwahllokalen eingegangen, zwei Stunden später waren es immerhin 381. So zügig und problemlos die Auszählung zunächst erfolgt war, so lähmend war es in der Schlussphase. Es hakte schließlich noch drei in Wahllokalen. Erst um 22.10 Uhr waren die Zahlen dann schließlich fix. Dass nur noch 383 statt der zunächst angekündigten 384 Ergebnismeldungen einflossen, blieb am Sonntagabend erst einmal noch ein Rätsel.