Erdogan soll einen jungen Mann in Soma geohrfeigt haben
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Istanbul/Soma. Ministerpräsident Erdogan soll einem jungen Mann eine Ohrfeige gegeben haben. Auch einer seiner Berater ist wegen Tritten gegen einen Demonstranten in die Kritik geraten. Inzwischen hat der Mann sich entschuldigt. Dennoch wächst nach dem Grubenunglück in der Türkei die Wut auf die Regierung.
Ein Berater des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan hat sich für Tritte auf einen in der Bergarbeiterstadt Soma am Boden liegenden Demonstranten entschuldigt. "Der Zwischenfall am Mittwoch in Soma tut mir sehr leid", zitierten türkische Medien eine Erklärung von Yusuf Yerkel. Wegen "Provokationen, Beleidigungen und Angriffen" habe er die Selbstbeherrschung verloren, erklärte Yerkel. Demonstranten hatten Erdogan und seine Delegation nach dem Unglück in der Kohlegrube der Stadt ausgepfiffen und ausgebuht.
Noch immer sind Dutzende Bergleute nach dem schwersten Grubenunglück in der Geschichte der Türkei unter Tage eingeschlossen. Hoffnung für die Verschütteten gibt es kaum noch. Ihre Zahl ist nach Angaben von Energieminister Taner Yildiz vom Donnerstagabend unklar. Nach neusten Angaben von Yildiz aus der Nacht zum Freitag starben bei dem Unglück mindestens 284 Kumpel.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sprach den Angehörigen der Toten sein Beileid aus. Die Tragödie habe ihn zutiefst traurig gestimmt, sagte Ban laut Mitteilung der Vereinten Nationen am Donnerstag in New York. Er hoffe gemeinsam mit den Angehörigen und Überlebenden darauf, dass die Ursache schnell aufgeklärt werden könne und dass Maßnahmen ergriffen würden, die derartige Unfälle zukünftig verhindern.
Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül sagte eine Aufklärung der Katastrophe zu. "Die Untersuchungen haben schon begonnen", sagte Gül am Donnerstag nach einem Besuch an der Unglückszeche. "Sie werden mit großer Sorgfalt weitergeführt." Gül sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus. "Es ist ein großer Schmerz, und es ist unser aller Schmerz."
Berater Yusuf Yerkel hatte Erdogan am Vortag bei einem Besuch am Ort des Bergwerksunglücks begleitet, als dieser ausgebuht wurde. Auf Fotos war zu sehen, wie Yerkel auf einen Mann eintritt, den zwei Sicherheitskräfte am Boden festhalten. Medienberichten zufolge sagte Yerkel, bei dem Mann habe es sich um einen militanten Linken gehandelt, der ihn und Erdogan angegriffen und beleidigt habe.
787 Arbeiter sollen in der Zeche gewesen sein
Nach Angaben der Betreibergesellschaft Soma Holding wurden 450 Kumpel lebend gerettet. Von den 80 Verletzten wären noch drei mit nicht lebensbedrohlichen Verletzungen im Krankenhaus, sagte Yildiz am Donnerstagabend. Nach seinen Worten waren zum Zeitpunkt der Katastrophe 787 Arbeiter in der Zeche.
Die Soma Holding teilte mit, die zuständigen Behörden überprüften das Bergwerk alle sechs Monate. Die letzte Kontrolle sei im März gewesen. Dabei seien keine Unregelmäßigkeiten festgestellt worden.
Türkische Medien hatten berichtet, die Regierungspartei AKP habe im vergangenen Monat Forderungen der Opposition zurückgewiesen, die Sicherheit an der Zeche zu überprüfen.
Kumpel dürfen nicht mit der Presse reden
Die Nachrichtenagentur Dogan meldete, in der Zeche habe es nur einen einzigen kleinen Schutzraum für 6500 Menschen gegeben. Bergleute und Rettungskräfte sagten am Donnerstag in Soma, ihnen sei verboten worden, mit Journalisten zu sprechen.
Der Zorn vieler Türken entzündete sich auch, weil Erdogan die schlechte Sicherheitsbilanz der Kohlebergwerke in der Türkei heruntergespielt hatte: "Solche Unfälle passieren ständig."
Die Proteste gegen die Regierung gingen weiter. In der westtürkischen Metropole Izmir ging die Polizei laut Medien mit Tränengas und Wasserwerfern gegen etwa 20.000 Demonstranten vor. Gewerkschaften hatten zum Streik aufgerufen. In Ankara und Istanbul hatten schon am Vorabend Tausende den Rücktritt der Regierung gefordert. Auch dort setzte die Polizei Wasserwerfer und Tränengas ein.
Totengräber berichtet von 200 neuen Gräbern
Ein Totengräber auf dem Friedhof in Soma berichtete, mit Hilfe von Freiwilligen seien mehr als 200 Gräber ausgehoben worden. Mehrere Beerdigungen fanden parallel statt. Lastwagen brachten die Särge zum Friedhof. Angehörige, darunter viele Kinder, weinten an den Gräbern.
Hunderte Tote bei Grubenunglück
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Das Grubenunglück in der Türkei löste weltweit Trauer aus. Mehrere Länder, darunter auch Deutschland, boten der Türkei Hilfe an. In der Türkei kommt es immer wieder zu tödlichen Grubenunfällen.
Beim bis dahin schwersten Bergwerksunglück in der Türkei im Jahr 1992 kamen 263 Menschen ums Leben. (dpa)
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