Ankara. . Nach dem schweren Grubenunglück im türkischen Soma wurden mittlerweile schon fast 300 Leichen geborgen. Rettungskräfte haben die Hoffnung auf Überlebende fast aufgegeben. Staatspräsident Abdullah Gül besuchte am Donnerstag den Ort der Tragödie und versprach eine sorgfältige Untersuchung.

Zwei Tage nach dem schwersten Grubenunglück in der Geschichte der Türkei setzten Hunderte Helfer am Donnerstag die Suche nach den vermissten Bergleuten fort. Aber es gab so gut wie keine Hoffnung mehr auf Überlebende. Bis zum Nachmittag wurden 282 Leichen geborgen. Die Angaben über die Zahl der Vermissten gingen auseinander. Mal war von „mehreren Dutzend“ die Rede, dann von 120 oder mehr als 140.

In dem in Brand geratenen Stollen müssen sich dramatische Szenen abgespielt haben. In einem Schutzraum unter Tage entdeckten die Helfer die Leichen von 14 Bergleuten. Sie hatten sich in den Raum geflüchtet, um dem Rauch und den giftigen Kohlenmonoxid-Gasen zu entkommen. Sie benutzten offenbar abwechselnd die wenigen Sauerstoffflaschen, bis diese leer waren. Dann verloren die Männer das Bewusstsein.

Sauerstoffvorräte nachkurzer Zeit erschöpft

Noch vor einem Jahr hatte der Besitzer der Zeche in einem Interview erklärt, sein Bergwerk habe mehrere solcher Schutzräume mit genug Sauerstoff und Notrationen für 20 Tage. In Wirklichkeit gab es offenbar nur einen Raum, dessen Sauerstoffvorräte nach kurzer Zeit erschöpft waren.

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Der genaue Hergang des Unglücks ist weiter unklar. Möglicherweise wurde es durch einen elektrischen Defekt in einem Trafo 2000 Meter unter Tage ausgelöst, der zu einem Feuer und einem Zusammenbruch der Stromversorgung führte. Die meisten Opfer sind offenbar durch das bei dem Brand freigesetzte Kohlenmonoxid ums Leben gekommen.

Während auf dem Friedhof der Gemeinde Soma am Donnerstag die ersten Opfer begraben und immer neue Gräber ausgehoben wurde, besuchte Staatspräsident Abdullah Gül den Unglücksort. Anders als beim Besuch von Premierminister Recep Tayyip Erdoğan, der tags zuvor in Soma mit Pfiffen und Buhrufen empfangen wurde, gab es keine Zwischenfälle. Gül sprach den Hinterbliebenen sein Beileid aus und versprach eine sorgfältige Untersuchung.

Wut über Erdoğans Verhalten

Erdoğan hatte das Unglück herunterzuspielen versucht und auf das „Schicksal“ verwiesen: Solche Unfälle passierten nun mal. Für Empörung in der türkischen Öffentlichkeit sorgte ein Foto vom Unglücksort, das zeigt, wie ein Berater Erdoğans einen am Boden liegenden Mann, der von zwei Uniformierten festgehalten wird, mit Fußtritten traktiert.

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Die türkischen Gewerkschaften hatten für Donnerstag zu Proteststreiks aufgerufen. In der westtürkischen Hafenstadt Izmir ging die Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern gegen rund 20 000 Teilnehmer einer Gewerkschaftskundgebung vor. Kritiker werfen der Regierung vor, sie halte eine schützende Hand über die privaten Zechenbetreiber und vertusche Sicherheitsmängel in den rund 400 Bergwerken des Landes, wo die Kumpel für Monatslöhne von umgerechnet 400 Euro ihr Leben riskierten.

1000 tote Bergleuteinnerhalb von zehn Jahren

Allein zwischen 2002 und 2012 sind bei Grubenunglücken in der Türkei über 1000 Bergleute gestorben. Die Oppositionspartei CHP wollte nach eigenen Angaben bereits im vergangenen Monat die Sicherheitsvorkehrungen in der Unglückszeche überprüfen lassen. Die Regierungspartei habe jedoch einen entsprechenden Antrag im Parlament zurückgewiesen, erklärten CHP-Politiker.