Berlin. . Als Reaktion auf die Ukraine-Krise und den russischen Anschluss der Krim hat die Nato ihre Präsenz an ihrer Ostgrenze erhöht. Nato-Chef Rasmussen verspricht den besorgten Ländern weiter Schutz. Kanzlerin Merkel fordert unterdessen mit Blick auf den Ukraine-Konflikt von allen Seiten Kompromisse.
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat Polen und den östlichen Nato-Mitgliedstaaten in der Ukraine-Krise erneut den Beistand des Verteidigungsbündnisses zugesichert. "Unsere Verpflichtung zur kollektiven Verteidigung ist felsenfest, jetzt und auch in der Zukunft", sagte Rasmussen am Donnerstag nahezu wortgleich bei Besuchen in Warschau (Polen) und Tallinn (Estland). Dort hatten die Entwicklungen in der Ukraine wie in der gesamten Region alte Ängste vor russischer Expansion geweckt.
Bei den Treffen mit Rasmussen drängten der polnische Regierungschef Donald Tusk und sein estnischer Kollege Taavi Rõivas auf eine dauerhafte Nato-Präsenz in ihren Ländern. Trotz der Verlegung von Schiffen und Flugzeugen sei die Arbeit der Nato in der Region "noch lange nicht abgeschlossen", sagte Rõivas. Tusk betonte, Polen sei bereit, einen finanziellen Beitrag dafür zu leisten.
"Russland untergräbt den Frieden"
Rasmussen verteidigte die stärkere Nato-Präsenz an der Ostgrenze des Bündnisses und wies die russische Kritik daran als "absurd" zurück. Die Antwort der Nato auf Russlands Vorgehen diene der Sicherheit seiner Verbündeten. Sie sei zudem Teil der breiten internationalen Bemühungen, um die Krise zu deeskalieren und eine politische Lösung zu finden, betonte der Nato-Chef.
"Russlands Aggression gegen die Ukraine untergräbt den Frieden und die Stabilität, die wir so sorgsam in Europa aufgebaut haben", sagte Rasmussen. Um den Herausforderungen der Krise in der Ukraine zu begegnen, müsse die Nato "Solidarität, Entschlossenheit und Führung" zeigen.
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Rasmussen kündigte an, die Nato werde bei ihrem Gipfel in Wales entscheiden, welche Schritte unternommen werden müssen, um die kollektive Verteidigung der neuen Realität anzupassen. Er sprach dabei als mögliche Maßnahmen von verstärkten Übungen, aktualisierten Verteidigungsplänen und der "angemessenen" Entsendung von Truppen.
Kanzlerin Merkel hofft auf Ukraine-Wahl
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat im Ukraine-Konflikt von allen Seiten Bewegung gefordert. "Kompromisse kann man nicht finden, indem eine Seite sich überhaupt nicht bewegt", sagte sie am Donnerstag bei einem "Europaforum" des Westdeutschen Rundfunks (WDR) in Berlin. Als wichtigstes "Zwischenziel" für die nächsten Wochen nannte sie die geplante Präsidentenwahl am 25. Mai.
Zugleich begrüßte Merkel den Appell von Russlands Präsident Wladimir Putin an die prorussischen Kräfte im Osten der Ukraine, das für Sonntag geplante Referendum über eine Abspaltung vom Rest des Landes zu verschieben. Diese Ankündigung sei "zumindest so, dass man weitermachen kann". Merkel schloss aber auch die Verhängung von weiteren Sanktionen gegen Russland nicht aus.
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Deutschland will Krim-Annexion "nicht akzeptieren"
In ungewöhnlich deutlichen Worten machte die Kanzlerin klar, dass sich der Westen mit der Annexion der Krim durch Russland nicht abfinden werde. "Wir akzeptieren nichts", sagte Merkel. "Manchmal braucht man einen langen Atem." Als Beispiel nannte die CDU-Vorsitzende Deutschlands Wiedervereinigung.
Merkel begrüßte auch, dass Putin bei den Feiern zum 70. Jahrestag der Landung der Alliierten am 6. Juni in der Normandie dabei sein will. Dies sei eine "gute Nachricht". "Ich habe mir gewünscht, dass es uns gelingt, dass trotz der unterschiedlichen Meinungen, die wir jetzt haben, und der großen Konflikte das Gedenken an eine schwere Zeit des Zweiten Weltkriegs möglich ist." An den Feiern wollen auch zahlreiche andere Staats- und Regierungschefs teilnehmen.
Westen soll auf Ukraine-Führung einwirken
Der frühere SPD-Ostpolitiker Egon Bahr hat den Westen aufgefordert, die Beteiligung der prorussischen Separatisten an Friedensgesprächen für die Ukraine durchzusetzen. Anders könne es keine Lösung geben, sagte Bahr der "Berliner Zeitung" (Freitag). Dazu müsse der Westen Druck auf die Übergangsregierung in Kiew ausüben, die das bisher ablehnt.
Russlands Präsident Wladimir Putin sei in seinen Augen ein berechenbarer und rationaler Politiker, sagte Bahr, der zu den Architekten der Ostverträge in den 70er Jahren gehörte. Putin könne kein Interesse an Chaos in der Ukraine haben. "Ich denke, er hat vor allem ein Ziel: Eine föderale Ukraine, die keinem Block "gehört", mit einem Status, der dem Österreichs oder Finnlands ähnelt."
Es sei aber fraglich, ob der Kremlchef noch Einfluss auf die ostukrainischen Separatisten habe. "Ich weiß nicht, ob die Putin noch folgen. Oder ob das Geister sind, die er mit gerufen hat und nun nicht mehr beherrschen kann." Nur wenn beide Seiten einen Waffenstillstand schlössen, könne die Präsidentenwahl wie geplant am 25. Mai stattfinden. (dpa)