Düsseldorf. . Eltern wollen die verkürzte Schulzeit an Gymnasien mit Volksinitiative stoppen. Sie sammeln Unterschriften gegen G8 – in einem Jahr sollen es 66.000 sein. Eine Umfrage bestärkt die Kritiker. NRW-Politiker geraten angesichts des deutlichen Protestes unter Druck. Eine Rückkehr zu G9 scheint nicht mehr ausgeschlossen.

Sechs Tage vor dem Schulgipfel in NRW bringen sich die Gegner des „Turbo-Abiturs“ in Position. Jetzt soll das Volk befragt werden, um das umstrittene G8 an Gymnasien wieder zu kippen. Mit der gestern gestarteten Volksinitiative wollen organisierte Eltern binnen eines Jahres 66.000 Unterschriften sammeln - und durchsetzen, dass der Landtag über die Rückkehr zum flächendeckenden Abi nach neun Jahren erneut berät. Ihre Forderung untermauern sie mit einer repräsentativen Umfrage: danach stützen landesweit 76 Prozent ihr Anliegen.

„In NRW wird Politik gegen die Bevölkerung gemacht“, interpretiert Anja Nostadt für die Bürgerinitiative „G-ib-8“ die von Forsa gelieferten Ergebnisse. Danach sprechen sich nur 15 Prozent der quer durch alle Altersgruppen befragten Bürger dafür aus, am achtjährigen Abitur festzuhalten. Wenig Unterstützung (22 Prozent) gibt es auch für verpflichtenden Ganztagsunterricht an Gymnasien. 73 Prozent sind dagegen. Sie ziehen freiwillige Angebote für die Betreuung der Schüler am Nachmittag vor.

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Noch scheint die breite Riege der G8-Befürworter vor dem Runden Tisch am kommenden Montag im Schulministerium unbeeindruckt. Regierung und Opposition stehen bisher zur Schulzeit-Verkürzung, die vor zehn Jahren im Landtag gemeinsam beschlossen wurde. Lediglich die Piraten wollen an jedem Gymnasium den Schülern die Wahl zwischen G8 und G9 überlassen. Ministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) hatte vor Wochen betont, man könne „nicht alle paar Jahre das ganze System auf den Kopf stellen“.

Bundesweiter Trend zurück zu G9

Doch ihr Ton ist behutsamer geworden. Der bundesweite Trend zurück zum G9 sorgt auch bei Politikern in NRW für Irritationen. „Der Druck ist deutlich gewachsen“, stellt Nostadt für die Elterninitiative fest. Löhrmann vermied gestern als Gast der SPD-Fraktion jede Festlegung. Sie verwies jedoch auf die besondere Situation, die NRW von anderen Bundesländern unterscheide. An Rhein und Ruhr bieten neben 13 Gymnasien unter anderem noch 281 Gesamtschulen und 84 Sekundarschulen das Abitur nach neun Jahren an.

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Für SPD-Fraktionschef Norbert Römer bleibt das Thema jedenfalls „hochemotional“. Vorsorglich schickte er nach der Sitzung am Dienstag einen Brief an die Abgeordneten. Darin forderte er sie auf, in ihren Wahlkreisen die aktuelle Stimmung zum Turbo-Abitur aufzunehmen. „Wir wollen genau zuhören, wo der Schuh drückt“, so Römer. Überforderte Kinder, die wachsende Flucht zu Nachhilfe-Instituten oder zu wenig Freiraum für Hobbys – die gängige Kritik am G8 will die SPD demnächst in einem „Landtagstalk“ aufgreifen.

Korrekturen ja, Kehrtwende nein – so stellt sich vor der Experten-Runde die Ausgangslage in NRW dar. Auch die Lehrergewerkschaften, die am Montag ebenfalls an Löhrmanns Tisch sitzen, verlangen durchgreifende Änderungen. „Das G8-Rad muss nicht neu erfunden werden, aber eine Reform ist dringend nötig“, fordert Verbandschef Udo Beckmann für den VBE. Langfristig wird aber entscheidend sein, wie laut der Ruf nach dem G9 in NRW noch erschallt und ob sich die Politik auf Dauer gegen den Elternwillen stellen kann.

Aus Sicht der Eltern von „G9 jetzt!“ ist diese Frage längst beantwortet. Sie verlangen eine Rückkehr zum neunjährigen Abitur bereits zum nächsten Schuljahr. Sollte der Landtag ihren Gesetzentwurf ablehnen, so könnte auf die Volksinitiative ein Volksbegehren folgen. Nötig wären dafür aber nicht nur 1,1 Millionen Unterschriften, sondern auch 1,1 Millionen Euro zur Finanzierung. Eine teure und hohe Hürde, vor der die Initiatoren zurückschrecken.