Berlin. . Der Bundesfinanzminister in Berlin peilt einen Etat ohne Neuverschuldung an – es wäre das erste Mal seit 46 Jahren, dass der Bund nicht mehr ausgibt, als er einnimmt. Allerdings sind die Schwerpunkte höchst ungleich verteilt: Die Rentenkasse ist üppig bestückt, die Forschung dagegen äußerst mager.

Wenn es nach Plan läuft, wird sich Wolfgang Schäuble ein Denkmal setzen. Der Etat für 2015 verdient das Prädikat „historisch“. Es wäre seit 46 Jahren der erste Haushalt ohne zusätzliche Schulden. Aus eigener Berufserfahrung kann kein Beamter des Bundes­finanzministeriums mehr davon berichten, wie es gar wäre, den Schuldenberg abzutragen. Man müsste die Pensionäre befragen.

Die Null steht, ist aber erst mal nur ein Vorsatz, eine Planungs­größe für die gestrige Kabinetts­sitzung; und im Übrigen ein Ziel, das man hinlänglich aus der Vergangenheit kennt. Bereits die ­letzte Regierung hatte für 2011 die Nullverschuldung vorgesehen.

Dann kam die Euro-Krise ­dazwischen und machte dem ­Finanzminister einen Strich durch die Rechnung. Droht ihm 2015 dasselbe Schicksal, falls sich die Lage in der Ukraine verschärft? Die Risiken schätze er als „sehr ernst“ ein, antwortete der CDU-Minister. Er glaube aber, dass sie „beherrschbar“ seien.

"Start in eine Zeit ohne neue Schulden"

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Die Voraussetzungen, dass der Haushalt hält, was er verspricht, sind nicht mal schlecht. Erstens steigen die Steuereinnahmen. Zweitens entlasten die niedrigen Zinsen auf der Ausgabenseite. Drittens wäre Schäuble ein schlechter Minister, hätte er nicht im Haushalt eine stille Reserve ­eingeplant. Viertens hat er zwar manche Leistung gekürzt oder verschoben – die Kommunen können ein Lied davon singen – aber seine Investitionszusagen eingehalten.

Der Haushälter Norbert ­Barthle, ein Parteifreund Schäubles, spricht von einem Start „in eine Zeit ohne neue Schulden“. Am schwärmerischen Unterton erkennt man den hohen Stellenwert. Die Union und ihr Finanz­minister wollen eine Zäsur markieren, die Schäuble so beschreibt: „Wir geben nicht mehr aus, als wir einnehmen.“ Falls die Pläne ernsthaft gefährdet wären, würde man womöglich eher die Steuern als den Schuldenstand erhöhen. Die Null – daran will sich die Große Koalition messen lassen.

Darüber könnte fast in Vergessenheit geraten, dass dieser Etat ein Haus mit einer seltsamen Statik ist. Der Bund zahlt inzwischen 85 Milliarden Euro in die Rentenkasse ein. Diese Belastung ist nicht das Ende der Fahnenstange. Denn Union und SPD haben vereinbart, die Mütter bei der Rente besser zu stellen und den vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand – mit 63 Jahren – zu erleichtern. Das wird auf Dauer nicht allein aus Renten-Beiträgen zu finanzieren sein.

Viel für Rente, wenig für Forschung

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Ausgaben von fast 300 Milliarden Euro hat der Minister für 2015 ­eingeplant. Wie bescheiden nimmt sich im Vergleich der Etat der Bildungs- und Forschungsministerin aus: 14 Milliarden Euro. Schäuble weist gern darauf hin, dass der Bund die Ausgaben für Bildung gesteigert hat. Aber wer sich Gedanken über die „Herausforderung Zukunft“ macht, muss nur diese Zahlen auf sich wirken lassen: 85 Milliarden für die Rente, 14 Milliarden für Innovationen.

Ein Land, das die Zukunft ­gewinnen will, sollte sich vor ­falschen Anreizen in der Rentenpolitik hüten und mehr in die ­Zukunft investieren. Es geht einiges in die falsche Richtung, und das fällt nur deshalb nicht auf, weil die Konjunkturlage gut ist.

Aber der nächste Abschwung kommt, dann rächen sich falsche Priori­täten. Die Null-Verschuldung ist wichtig, aber eine Agenda 2020 wäre wichtiger.