Berlin. . An diesem Donnerstag tagt der europäische Sondergipfel zur Lage auf der Krim. Der Druck auf Moskau soll erhöht werden. Noch schreckt Deutschland davor zurück, noch setzt die Kanzlerin auf Gespräche. Unterdessen hat die EU Konten des früheren ukrainischen Präsidenten Janukowitsch auf Eis gelegt.

Die EU sperrt die Konten des früheren ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch und von 17 weiteren Personen. Eine entsprechende Liste wurde am Donnerstagmorgen online im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Die Sanktionen richtet sich gegen Menschen, die die EU für die Veruntreuung oder Unterschlagung staatlicher ukrainischer Gelder oder für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich macht. Die EU-Außenminister hatten am Montag beschlossen, eine entsprechende Liste zu erstellen.

Betroffen sind unter anderem auch der ehemalige Innenminister Witali Sachartschenko, Ex-Generalstaatsanwalt Viktor Pschonka, die frühere Justizministerin Jelena Lukasch, Ex-Regierungschef Nikolai Asarow und zwei Söhne von Janukowitsch.

Merkel erhöht diplomatischen Druck auf Moskau

Die Sanktionen waren bereits am Mittwoch von den EU-Staaten beschlossen worden, treten aber erst mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Damit geht die EU gegen Personen vor, die sie für die Veruntreuung oder Unterschlagung staatlicher ukrainischer Gelder oder für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich macht.

Es war speziell Deutschland, das vor Sanktionen zurückschreckte. Doch zusehends kippt die Stimmung in Berlin. Ohne eine Kontaktgruppe zur Lösung der Krim-Krise kämen Sanktionen heute in Brüssel auf die Tagesordnung des EU-Sondergipfels, ließ Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch erklären. Sie erhöhte damit den Druck auf Moskau, alles zu unterlassen, was zu einer weiteren Destabilisierung der Ukraine führe – auch „jeden Nadelstich“, wie ihr Sprecher Steffen Seibert betonte. Das Zeitfenster für einen politischen Dialog stehe nicht unbegrenzt offen.

Merkel und Obama "ziehen an einem Strang"

Ihren Auftritt beim Politischen Aschermittwoch sagte die Kanzlerin ab. Sie wird ungeduldig. Seit Montag habe sich auf der Krim nichts zum Positiven verändert. Merkel steht unter Druck. Reden sei zwar wichtig, „aber es reicht nicht“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, ihr Parteifreund Norbert Röttgen. Nach einem langen Telefonat mit US-Präsident Barack Obama hieß es, die Kanzlerin und er seien sich in der Analyse und über die Schlussfolgerungen einig, die zu ziehen seien. „Wir ziehen auch da an einem Strang“, betonte Seibert.

Die Kontaktgruppe wäre aus Merkels Sicht ein Fortschritt. Sollte es zum diplomatischen Prozess kommen, müsse jegliche Destabilisierung unterlassen werden. Die Kanzlerin klammert sich an jeden kleinen Schritt. An die Kontaktgruppe. Oder an das OSZE-Team, das sich auf der Krim ein Bild von der Lage vor Ort machen soll. Die Idee dazu wurde in Berlin geboren. Unter den Beobachtern sind auch zwei Offiziere der Bundeswehr.

Zähe Verhandlungen um Kontaktgruppe 

Doch für die Kontaktgruppe sieht es derzeit nicht gut aus: Die beteiligten Außenminister des Westens und Russlands konnten sich am Mittwoch in Paris nicht auf die Bildung einer solchen Verhandlungs-Plattform einigen. "Wir sind noch nicht soweit, uns auf ein gemeinsames Format für Gespräche über mittel- und langfristige Lösungen zu verständigen", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Abend in Paris. Zugleich ging die Nato auf Distanz zu Russland und kündigte an, ihre Beziehungen zur Ukraine zu intensivieren.

Steinmeier sagte, einer solchen Kontaktgruppe solle aber "sobald wie möglich" eine Chance gegeben werden. Über die Bedingungen dafür solle in den kommenden Tagen verhandelt werden. Er sei nicht zufrieden mit dem Gesamtergebnis. "Es bleiben schwierige Tage, die vor uns liegen", sagte Steinmeier. Es gebe aber ein übereinstimmendes Interesse, die Situation in der Ukraine nicht weiter eskalieren zu lassen. Die Risiken für die Ukraine seien noch nicht überwunden, "wir sind weiter in der Verantwortung".

US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow trafen sich in Paris zu ersten direkten Gesprächen seit dem Ausbruch der Krim-Krise. Ein geplantes Treffen in großer Runde mit den Außenministern auch von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und der Ukraine fiel jedoch zunächst aus, weil Russland nach Angaben der USA eine Teilnahme ablehnte. Dennoch zeigte sich Kerry nach Gesprächen mit Lawrow überzeugt, die Ukraine auf friedlichem Weg aus der Krise führen zu können.

Die Drähte bleiben solange offen wie möglich

Auch Merkel lässt die Drähte nach Moskau so lange offen wie es nur geht. Und so hält Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) an seinem Plan fest, heute nach Russland zu fliegen. Zu den „Paralympics“ in Sotschi reisen drei Vertreter der Regierung. Die Vorbereitungen für den G-8-Gipfel im Sommer in Sotschi wurden in Berlin ausgesetzt. Weder wurde aber die Kooperation der Bundeswehr mit der russischen Armee noch der Flug eines deutschen Astronauten in der nächsten Sojus-Kapsel im Mai infrage gestellt. In Kiew versorgen Bundeswehr-Ärzte 50 Verletzte der Unruhen. Bei Bedarf werden sie mit einem Spezial-Airbus der Bundeswehr nach Deutschland geflogen.

„Kreml-Versteher“ in Berlin

Bei EU und Nato gelten die Deutschen als die „Kreml-Versteher“. Wie um das Urteil zu bestätigen, bezeichnete Russland-Koordinator Gernot Erler (SPD) gestern Sanktionen als das „falsche Mittel“. Russland und die EU seien voneinander abhängig, vor allem im Energiesektor.

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Eine Erklärung dürfte auch sein, dass man sich Wladimir Putins Reaktion ausmalen kann: Auf Druck reagiert er mit Gegendruck. Hinzu kommt, dass Merkel nicht verborgen blieb, dass in der Ukraine radikale Kräfte an die Macht gekommen sind. Sie rief die neue Regierung dazu auf, den Zusammenhalt ihres Landes zu wahren. Die Minderheiten müssten ihre ethnischen und kulturellen Eigenheiten auch leben können. (mit dpa)