Simferopol/Moskau. Die Lage auf der Krim wird immer bedrohlicher. Russland stimmt einem Militäreinsatz in der Ukraine zu. Der Westen ist entsetzt. Nach dem Machtwechsel in Kiew droht die Abspaltung der russisch geprägten Krim. Kreml-Chef Putin macht Krim-Einsatz von weiterer Lage abhängig.
Die Ukraine steht am Rande eines militärischen Konflikts. Angesichts der wachsenden Spannungen um die Halbinsel Krim stimmte Russland am Samstag einem Militäreinsatz in der Ukraine zu. Präsident Wladimir Putin begründete dies mit Notwendigkeit, die russischen Bürger auf der Krim und die dort stationierten Streitkräfte zu schützen. Die pro-russische Führung will schon am 30. März über die Zukunft der Autonomen Republik abstimmen lassen. In mehreren russisch geprägten Städten der Schwarzmeer-Halbinsel gab es Proteste gegen die Regierung in Kiew.
Europäische Staaten und die USA warnten Moskau eindringlich vor einer weiteren Eskalation. Der britische Außenminister William Hague rief seinen russischen Kollegen Sergej Lawrow in einem Telefonat dazu auf, die Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine zu respektieren. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton lud die Außenminister der EU für Montag zu einem Sondertreffen nach Brüssel ein. Der UN-Sicherheitsrat wollte sich noch am Samstag in einer weiteren Sondersitzung mit der Lage befassen. US-Präsident Barack Obama hatte schon am Freitagabend gewarnt, eine militärischen Intervention auf die Krim würde ihren "Preis" haben.
Putin macht Krim-Einsatz von weiterer Lage abhängig
Präsident Putin holte sich vom russischen Föderationsrat am Samstag überraschend die Zustimmung für den Einsatz der Streitkräfte. Dieser sei so lange nötig, bis sich die Lage normalisiert habe. Das russische Oberhaus billigte die Intervention, um Blutvergießen zu verhindern. Die russische Militärdoktrin erlaubt den Einsatz von Streitkräften im Ausland zum Schutz eigener Bürger. Putin will seinen Befehl für einen Militäreinsatz auf der Krim von der weiteren Entwicklung der Lage auf der Halbinsel abhängig machen. Das teilte sein Sprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge mit.
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Eine offizielle Reaktion aus Kiew blieb zunächst aus. Der neue ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk hatte noch vor der Moskauer Entscheidung erklärt, die Ukraine werde auf Provokationen nicht mit Gewalt reagieren. Er forderte Russland auf, seine Truppen von der Krim abzuziehen.
Wie ein russischer Militäreinsatz auf der Krim aussehen könnte, war zunächst unklar. Föderationsratschefin Valentina Matwijenko hatte vor dem Beschluss gesagt, dass der Einsatz eines begrenzten Kontingents an Streitkräften möglich sei. Um welche Truppenstärke es sich handelte, blieb offen. Russland hat in der Krim-Stadt Sewastopol seine Schwarzmeerflotte stationiert. Die Erlaubnis einer Intervention könnte sich auf dieses Kontingent beziehen.
Ukrainische Behörden: 2000 russische Soldaten auf Krim gelandet
Ukrainische Behörden hatten am Freitag behauptet, es seien 2000 russische Soldaten auf der Krim gelandet, eine Bestätigung gab es dafür nicht. Der Chef der russischen Staatsduma, Sergej Naryschkin, sowie der pro-russische Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow richteten ein Gesuch um Beistand an Putin. Es seien Schritte für eine Stabilisierung der Lage auf der Krim nötig, sagte Naryschkin. "Die Abgeordneten rufen den Präsidenten auf, (...) alle zur Verfügung stehenden Mittel für den Schutz der Bevölkerung auf der Krim vor Willkür und Gewalt zu gewährleisten."
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Russland verurteilte einen gewaltsamen Versuch, das Gebäude des Innenministeriums in der Krim-Hauptstadt Simferopol zu stürmen. Die ukrainischen Truppen wurden zurückgedrängt. Es habe Verletzte gegeben, teilte das Außenministerium in Moskau mit. Das Ministerium zeigte sich in einer Mitteilung "äußerst besorgt".
Der moskautreue Krim-Regierungschef Aksjonow übernahm vorübergehend die Befehlsgewalt in der Autonomen Republik. Zugleich zog die prorussische Führung in Simferopol ein Referendum über die Zukunft der Autonomen Republik um zwei Monate auf den 30. März vor. Es war zunächst für den 25. Mai geplant gewesen.
Klitschko verurteilte Vorfälle als "unglaubliche Aggression Russlands"
In einer öffentlichen Erklärung sagte Aksjonow, die Truppen des Innenministeriums, des Geheimdienstes SBU sowie die Flotte, der Zivilschutz und andere Dienste hätten nun seinem Kommando zu folgen. "Wer nicht einverstanden ist, den bitte ich, den Dienst zu verlassen", sagte er. Nach der Befehlsübernahme von Aksjonow war die Lage zunächst ruhig.
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Der ukrainische Präsidentschaftskandidat Vitali Klitschko verurteilte die Vorfälle auf der Krim als "unglaubliche Aggression Russlands". "Es geht ausschließlich um die Provokation", sagte Klitschko am Samstag in einer Liveschaltung zu einer Diskussionsveranstaltung in Paderborn.
Merkel appellierte an Russland, Souveränität der Ukraine zu respektieren
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) appellierte erneut an Russland, die territoriale Souveränität der Ukraine zu respektieren. Man verfolge die Entscheidungen des Föderationsrates "mit Sorge", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter. Merkel telefonierte am Samstagnachmittag mit dem ukrainischen Regierungschef Jazenjuk. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach von einer gefährlichen Entwicklung: "Wer jetzt weiter Öl ins Feuer gießt, mit Worten oder Taten, setzt bewusst auf Eskalation."
Bei einer russischen Militärintervention in der Ukraine wollen die USA möglicherweise den G8-Gipfel in Russland platzen lassen. Die USA diskutierten außerdem, Geschäftsbeziehungen mit Moskau zu kappen und laufende Handelsgespräche abzubrechen, berichteten Korrespondenten des Weißen Hauses auf Twitter. Präsident Obama erklärte bei einem kurzfristig anberaumten Pressetermin in Washington: "Jede Verletzung der Souveränität und Grenzen der Ukraine wäre zutiefst destabilisierend." (dpa)