Düsseldorf. Die Affäre um die Veröffentlichung vertraulicher Daten der NRW-Hochschulrektoren zieht immer weitere Kreise. Wissenschaftsministerin Schulze (SPD) erklärte im Landtagsausschuss, sie habe Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Elf Personen im Ministerium kannten die vertraulichen Daten, räumte sie ein.

Nach zwei zermürbenden Sitzungsstunden entfährt Svenja Schulze ein Satz von entwaffnender Offenheit: „Wenn ich nur noch das im Internet lese, was freundlich über mich berichtet wird, bleibt nicht mehr viel übrig.“ Die NRW-Wissenschaftsministerin versucht da gerade den Abgeordneten des Landtagsausschusses zu erklären, warum sie das Internetportal „Nachdenkseiten.de“ des früheren SPD-Staatssekretärs Wolfgang Lieb bei Facebook als ihre bevorzugte Lektüre anpreist. Dummerweise hat eben jenes Portal jüngst eine Ministeriumsliste mit vertraulichen Gehaltszulagen der Hochschulrektoren veröffentlicht, weshalb die Landespolitik mit einem Datenskandal in die Karnevalspause geht.

Schulze weist an diesem Mittwoch den Verdacht zurück, die individuellen Gehaltsdaten der Hochschulleitungen gezielt an die Öffentlichkeit lanciert zu haben. Sie begegnet damit dem Vorwurf, den Rektoren im Streit um das geplante rot-grüne „Hochschulzukunftsgesetz“ mit dem Verweis auf üppige Gehaltssteigerungen eigennützige Motive unterstellen zu wollen.

Ministerin zeigt sich verärgert

„Weder an der Höhe der Gehälter noch an den Zuwächsen ist etwas unrecht“, stellt die Ministerin klar. Sie sei über die „nicht zu rechtfertigende Indiskretion“ verärgert und fühle sich in ihrer Diskussion mit der Rektoren über ihr neues Gesetz gestört.

Auch interessant

Bild_7668088.jpg
Von Tobias Blasius und Christopher Onkelbach

Für die Opposition macht das die Sache kaum besser. „Sie haben ihr Haus nicht im Griff“, sagt der FDP-Abgeordnete Marcel Hafke. „Sie sind nicht in der Lage, persönliche Daten zu schützen“, kritisiert CDU-Wissenschaftsexperte Stefan Berger. Schulze muss schließlich einräumen, „dass die Dokumente mein Haus verlassen haben könnten“. Ihr Staatssekretär Helmut Dockter rechnet vor, dass elf Ministeriumsmitarbeiter die vertraulichen Gehaltszulagen der Rektoren kannten. Schulze spricht später von „zehn bis 15“ und fügt salopp hinzu: „Uns fällt immer noch jemand ein, der diese Daten gesehen haben könnte.“

Staatsanwaltschaft eingeschaltet

Vor einem Jahr hatte das Wissenschaftsministerium die individuellen Gehälter des Führungspersonals bei rund 30 Hochschulen erbeten, um eine Parlamentsanfrage der Piratenpartei beantworten zu können – gegen die Zusicherung der gesetzlich vorgeschriebenen Vertraulichkeit. Nun prüft die Staatsanwaltschaft Düsseldorf den Verdacht auf Verrat von Dienstgeheimnissen. Neben der Anzeige einer Kanzlei (siehe Begleittext) hat auch Schulzes Ministerium selbst am Dienstag Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet.

Auch interessant

Neue Studenten an der RUB--198x148.jpg
Von Wilfried Goebels und Matthias Korfmann

Für die Opposition gibt das Krisenmanagement des Wissenschaftsministeriums Rätsel auf. Nach Darstellung Schulzes wusste man dort bereits am 17. Februar, dass das Internetportal „Nachdenkseiten“ eine Veröffentlichung der Gehaltsliste plante. Es soll hierfür „Hinweise aus dem Kreis der Hochschulen“ gegeben haben. Die Ministerin erklärte, sie habe dies in einem Telefonat mit dem Seitenbetreiber, dem Ex-Wissenschaftsstaatssekretär Lieb, verhindern wollen. Presserechtlich sei dies jedoch nicht möglich gewesen. Warum das Ministerium dann erst acht Tage später und mithin nach der Veröffentlichung die Staatsanwaltschaft auf das vermutete Datenleck im eigenen Haus hinwies, bleibt in dieser Version unklar.

Zulagen stark gestiegen

Die Opposition fordert zwar nicht ausdrücklich Schulzes Rücktritt, doch CDU-Mann Berger sieht den Verdacht keineswegs ausgeräumt, dass „Datenmissbrauch für politische Auseinandersetzungen“ benutzt werden sollte. Die Zulagen der Rektoren sind seit der Hochschulliberalisierung in NRW stark gestiegen, so dass heute an einigen Unis Gesamtgehälter von mehr als 150.000 Euro gezahlt werden können. Er bleibe dabei, so Berger: Die der Ministerin kritisch gegenüber eingestellten Professoren sollten „diszipliniert, diskreditiert und politische Wohlverhalten erzwungen werden“.

Spuren, Indizien, Rätselraten und ein zweifelhaftes Geständnis:

Wer hat die sensiblen Daten zu den Rektorengehältern in Umlauf gebracht? Eine eindeutige Antwort darauf gibt es noch nicht. Nur Spuren und Indizien.

Eine Spur führt in die Ministerialbürokratie von Svenja Schulze (SPD). Dort hatte ein Gruppenleiter vor gut einem Jahr begonnen, die Informationen über die Gehälter von Rektoren und Kanzlern einzusammeln – mit dem Hinweis an die Hochschulen, diese Informationen vertraulich zu behandeln und direkt an ihn zu schicken.

Kontakte zu „Nachdenkseiten“

Inzwischen liegt eine Anzeige gegen die Wissenschaftsministerin und gegen den Gruppenleiter bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf. Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück bestätigte den Eingang. Man befinde sich aber erst im „Stadium der Vorprüfung“. Wer hinter dieser Anzeige steht, ist nicht bekannt. Ihr liegt aber eine Kopie eines Briefes bei, in dem der Gruppenleiter die Hochschulen um Übermittlung der Gehaltsdaten gebeten hatte.

Auch interessant

Wissenschaftsministerin Svenja Schulze des Landes_2--198x148.jpg
Von Christopher Onkelbach und Matthias Korfmann

Dieser Beamte hat in der Vergangenheit mit einem früheren Staatssekretär im Wissenschaftsministerium verschiedene Aufsätze zum Hochschulrecht verfasst. Mit jenem Ex-Staatssekretär Lieb, der heute Chef des Internetportals „Nachdenkseiten“ ist, auf dem die Gehälter öffentlich wurden.

Obskures Geständnis: Wir waren es

Mitten in der Suche taucht ein obskurer Brief an die Uni-Rektoren auf. Darin gesteht ein bisher unbekanntes „Netzwerk Bildungsrecherche“, die Gehälter offengelegt zu haben, um auf „Fehlentwicklungen an den Hochschulen“ hinzuweisen. In der Mail heißt es: „Als diejenigen, die kürzlich eine Liste mit Ihren Gehältern weitergereicht haben, möchten wir Sie bitten,von weiteren Angriffen auf das Wirtschaftsministerium abzusehen.“

Man sei durch einen „glücklichen Zufall“ an die Daten gelangt. Dass die Autoren fälschlich das Wirtschafts- und nicht das Wissenschaftsministerium erwähnen, schürt Zweifel an der Quelle. Soll hier eine falsche Spur gelegt werden?